Ohne Brennstoff heizen

Wärmepumpen im Nahwärmenetz

Auf dem Wärmemarkt besteht hoher Nachholbedarf, soll der Erfolg der Energiewende nicht gefährdet werden. Doch die CO2-Bepreisung zeigt Wirkung und die Diskussion um den richtigen Brennstoff ist in vollem Gange. Dabei gibt es auch Lösungen, die ganz ohne Brennstoffe auskommen. Eine ging 2021 in Schallstadt in Betrieb.

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Heizzentrale im neuen Rathaus, Armaturenschacht (schwarz) und Pufferspeicher (rot). Primärkreislauf vom Abwasserkanal (braun) zu den Wärmetauschern, Sekundärkreislauf des Kalten Nahwärmenetzes zu den Hausanschlüssen Bild: Energiedienst
Heizzentrale im neuen Rathaus, Armaturenschacht (schwarz) und Pufferspeicher (rot). Primärkreislauf vom Abwasserkanal (braun) zu den Wärmetauschern, Sekundärkreislauf des Kalten Nahwärmenetzes zu den Hausanschlüssen Bild: Energiedienst

Der technologische Fortschritt bei Wärmepumpen und Geräten zur Wärmeübertragung in Verbindung mit einem Kalten Nahwärmenetz ermöglicht, neben Einzelobjekten auch komplette Wohngebiete durch Abwasserwärmenutzung effizient und klimaschonend mit Wärme zu versorgen. Laut Umweltministerium Baden-Württemberg könnten 10 % aller Gebäude damit versorgt werden.

Abwasserwärme – das flüssige Gold

In der Gemeinde Schallstadt, südwestlich von Freiburg im Breisgau, waren die Voraussetzungen im Neubaugebiet Weiermatten günstig. Ein Wohngebiet mit ca. 200 Wohnungen sowie das neue Rathaus entstanden unweit eines vorhandenen Abwasserkanals. Auf Brennstoffe, ob regenerativ oder synthetisch, kann komplett verzichtet werden. Der vorhandene Kanal in Schallstadt-Weiermatten sammelt die Abwässer der benachbarten Gemeinden Ebringen und Pfaffenweiler, hat einen Trockenwetterabfluss von rund 23 l/s und einen Durchmesser von 90 cm. Er ist Eigentum des Abwasserzweckverbandes Breisgauer Bucht, dem somit offiziell Wasser und Wärme gehören. Die kostenfreie Entnahme wurde gestattet, nicht jedoch Einbauten im Kanal. Die Pumpen, durch einen Schlammrechen vor groben Partikeln geschützt, fördern von hier das Abwasser in Richtung der Heizzentrale zu den Wärmetauschern. Danach fließt das Wasser im Freispiegel, um 2–4 K abgekühlt, zurück. Das ist der so genannte Primärkreislauf, dessen Temperatur an der Entnahmestelle des Kanals im Winter erfahrungsgemäß etwa 10 bis 12 °C beträgt, im Sommer über 20 °C.

Kaltes Wärmenetz – ein paradoxer Begriff

Im Unterschied zur klassischen Fernwärmeversorgung arbeitet das Kalte Nahwärmenetz, hier als Sekundärkreislauf zwischen Wärmetauscher und Wärmepumpen bei den Anschlussnehmern, mit niedrigen Temperaturen. Damit werden die Wärmeverluste in der Leitung minimiert. Im letzten Abschnitt, dem Gebäude mit den Nutzern, übernimmt die Wärmepumpe die Bereitstellung der gewünschten Warmwasser- und Heiztemperatur. Je tiefer das Temperaturniveau der Gebäudeheizungen liegt, desto effizienter, weil stromsparend, können die Wärmepumpen arbeiten. Im Sommer funktionieren die Wärmepumpen als Kältemaschinen zur Raumkühlung. Allerdings wird die Wärme nicht in den Abwasserkanal eingespeist, sondern im Quartier „versenkt“. Als ein thermischer Puffer dient ein 500 m³ fassendes unterirdisches Wasserbecken, das noch weitere Vorteile bringt.

Pufferspeicher – das unterirdische Depot

Der unterirdische Wasserbehälter schafft den Ausgleich von Angebot und Nachfrage und befindet sich unmittelbar vor der Heizzentrale, die in einem Anbau des neuen Rathauses untergebracht ist. Im Winter lässt sich daraus Wärme gewinnen, falls die Abwasserwärme nicht ausreicht. Dann wird der Sekundärkreislauf nicht nur über die Wärmetauscher, sondern auch durch das Pufferbecken „gefahren“; Dreiwegeventile im Armaturenschacht vor der Heizzentrale machen das Beimischen möglich. In gewissen Grenzen wirken das Material des Betonbehälters und das umgebende Erdreich bzw. Grundwasser als zusätzliche thermische Puffer, sowohl bei der Heizung im Winter als auch bei der Kühlung im Sommer.

Wärmetauscher – eine saubere und sichere Sache

Rein physikalisch gesehen wird Wärme nicht getauscht, sondern übertragen. Im Anbau des neuen Rathauses Schallstadt stehen in der Heizzentrale zwei baugleiche Wärmetauscher-Geräte nebeneinander, die man demnach auch Wärmeübertrager nennen könnte. Bei Spitzenbedarf sind sie gleichzeitig in Betrieb, sonst abwechselnd. Das Abwasser, das im Siebschacht beim Kanal entnommen wird, fließt im Primärkreislauf zu den Wärmetauschern und um 2–4 K abgekühlt zum Kanal zurück. Diese Temperaturdifferenz wird auf den Sekundärkreislauf, das Kalte Nahwärmenetz, übertragen. In den Wärmetauschern begegnen sich beide Kreisläufe, wobei das klare Wasser des Nahwärmenetzes in einer Vielzahl dünner Edelstahlrohre fließt. Die Rohre liegen als „Batterie“ parallel angeordnet im trüben Abwasserstrom und übertragen die Wärme sehr gut, solange sich kein Belag aus gelösten organischen Feinstoffen des Abwassers auf ihnen bildet. Um das zu vermeiden, fährt ein Reinigungsschlitten innerhalb der beiden Wärmetauscher ein- bis zweimal pro Tag für 200 s automatisch über die Rohroberflächen.

Wärmepumpen als einzige Wärmequelle im Haus

Decken Wärmepumpen wie bei diesem Projekt den Wärmebedarf vollständig, sind die Investitionskosten niedrig. Eine solche „monovalente“ Betriebsweise mit nur einem System für Grund- und Spitzenlast kommt mit wenig Technik im Heizungskeller aus. Bei Wärmepumpen ergeben sich weitere Vorteile dadurch, dass Brennstofflager und Schornstein entfallen. Vergleichbar mit Wärme aus Grundwasser (8 bis 15 °C) werden bei einem Kalten Nahwärmenetz Wasser/Wasser-Wärmepumpen verwendet. Da die Energie in beiden Fällen bereits auf einem relativ hohen Temperaturniveau liegt, sind die Betriebskosten der Wärmepumpen niedrig. Die Steuerung des Kalten Nahwärmenetzes schaltet den Primärkreislauf und damit auch die Wärmetauscher zeitweise ab, wenn die Wärmepumpen in den Gebäuden keinen Bedarf haben. „Oder wenn das Abwasser im Sommer zu viel Energie liefert, denn handelsübliche Wasser/Wasser-Wärmepumpen funktionieren nur bis ca. 20 °C Quelltemperatur störungsfrei“, erklärt Stefan Schlachter, Projektleiter der Energiedienst AG, die das Kalte Nahwärmenetz realisiert und betreibt. „Da nicht nur Heizung, sondern auch Warmwasserbereitung über die Wärmepumpen erfolgt, sinkt die Netztemperatur allmählich so weit ab, bis der Normalbetrieb mit Abwasserwärme automatisch wieder anläuft.“

Brennstoffersatz elektrischer Strom

Es ist kein Geheimnis, dass die Wirtschaftlichkeit von Wärmepumpen vom Verhältnis der investierten elektrischen Energie zur gewonnenen thermischen Energie abhängt. Die Energiedienst AG ist Contractor für die Wärmelieferung inklusive Hausanschluss für das Gebiet Weiermatten, das Quartier neue Ortsmitte, die Gruppe der Plusenergiehäuser und das neue Rathaus. Wer die Wärmepumpen betreibt und woher der dazu erforderliche Strom kommt, ist unterschiedlich. Die Bewohner einiger Gebäude beziehen die elektrische Energie aus eigenen Photovoltaikanlagen. Zusätzlich oder alternativ bietet Energiedienst den Wärmenutzern den zu 100 % regenerativ erzeugten Strom aus eigenen Wasserkraftwerken am Hochrhein an. Die Gemeinde Schallstadt, Eigentümerin des Rathauses, nahm für dieses Gebäude das Komplettangebot von Energiedienst (Lieferung von Wärme und Betrieb der Wärmepumpe) an.

Anlageneffizienz

Mit einer errechneten Jahresarbeitszahl (JAZ) von 5,56 läuft die Wärmepumpe im Rathaus sehr effizient. Das bedeutet, im Vergleich zur abgegebenen Wärmeenergie beträgt die Aufnahme an elektrischer Energie nur rund 18 %. Der Strom für die Wärmepumpe stammt bei Energiedienst aus erneuerbarer Ressource und entspricht damit den Kriterien des Klimaschutzes. Dazu kommen, wie immer bei der Verwendung einheimischer regenerativer Energien, volkswirtschaftliche Vorteile: Kapital für Energieimport fließt nicht aus Deutschland ab, neue Arbeitsplätze entstehen, zusätzliche Steuereinnahmen stärken die beteiligten Kommunen. Das mit einem Pufferspeicher kombinierte Kalte Nahwärmenetz in Schallstadt mit Wärme aus Abwasser der Umgebung und Strom aus Wasserkraft der Region ist ein gelungenes Beispiel dafür.

Dipl.-Ing. Klaus König

Dipl.-Ing. Klaus König
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· Artikel im Heft ·

Wärmepumpen im Nahwärmenetz
Seite 17 bis 19
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