Integrierte TGA für nachhaltige Gebäude effizient und flexibel planen
Der Bauprozess ist im Wandel. Prof. Dr. Preuss/1/ beschreibt Trends und Entwicklungen in der Abwicklung von Großprojekten, die die TGA-Fachplanung wie alle anderen Beteiligten derzeit im Bauprozess erfährt:
- Veränderung entscheidender Parameter von Bauprojekten durch Krisen (Kosten, Zinsen, Lieferketten)
- Zunehmende Kapazitätsprobleme in Planung und Ausführung bei steigender Anzahl Projektbeteiligter
- höhere Projektgeschwindigkeiten und parallele Prozesse bis hin zum baubegleitenden Planen
- komplexere Steuerungs-, Koordinations- und Integrationsaufgaben durch eine stärkere Verknüpfung der TGA mit dem Bauwerk
- erschwerte TGA-Fachplanung durch neue Anforderungen (Energetik, Brandschutz, Nachhaltigkeit).
Diese Entwicklungen erfordern resiliente, also anpassungsfähige Ansätze des Projektmanagements, die insbesondere in der Fachplanung der TGA erfolgversprechend sind. Dieser Artikel beschreibt im Folgenden sechs Ansätze des Projektmanagements, die im Leistungsbild TGA-Fachplanung schnell umgesetzt werden können. Den Abschluss bildet ein Überblick zu agilen Methoden des Projektmanagements, die insbesondere in der TGA-Fachplanung bereits erfolgreich eingesetzt werden und die Resilienz des gesamten Bauprojektes erhöhen. Kasten einsetzen!!!!
Qualifizierte und leistungsfähige Projektleitende der TGA-Fachplanung
PiTA.training zertifiziert Projektleitende der TGA-Fachplanung über ein spezialisiertes Mentoring-Programm. Eine Übersicht der bereits zertifizierten Ingenieurbüros steht auf der Website zur Verfügung. Alle Büros teilen das in diesem Artikel dargestellte Verständnis der agilen Projektleitung in der TGA-Fachplanung, welches zu erfolgreichen Bauprojekten führt.
Ansätze für eine resiliente TGA-Fachplanung
Unter Beachtung dieser gemeinsamen Problemstellung sind für das zielführende Projektmanagement der TGA-Fachplanung folgende zum Teil agile Ansätze erfolgversprechend, die neben den Grundleistungen der HOAI stehen bzw. von diesen unabhängig sind.
Abstimmung der Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung gem. BGB durch TGA-Fachplanung
Das Ideal einer Bedarfsplanung für komplexe Nutzungen nach DIN 18205 wird nur in wenigen Projekten erfüllt. Die weitgehend unbekannte Norm bietet mehrere Checklisten und die Vorlage eines Bedarfsplanes, dessen Anfertigung sich als hoch komplexe besondere Beratungsleistung durch die Leistungsbilder Objekt- und TGA-Fachplanung darstellt.
Das Minimalziel einer Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung vor Planungsbeginn wird seit 2018 in §650p BGB definiert und wird voraussichtlich als Grundleistung in die zu novellierende HOAI übernommen. Die nach wie vor besondere Leistung zeichnet sich im Leistungsbild Fachplanung TA dadurch aus, dass die Planungsgrundlage acht oder mehr Objekte der TGA umfasst. Somit sind mehrere Planungsgrundlagen der TGA mit korrespondierenden Kosteneinschätzungen erforderlich. Tabelle 1 stellt beispielhaft (kursiv) eine Übersicht für die ersten beiden Anlagengruppen her, die sich gut mit dem durch die Projektsteuerung erstellten Kostenrahmen vergleichen lässt.
Differenzierte Rollen in der TGA-Fachplanung
TGA-Fachplanung bedeutet für die Fach- und Systemplanenden durch die genannten acht oder mehr Planungsobjekte ständiges Multiprojektmanagement. Die notwendige Spezialisierung ist für die meisten Kumulativleistungsträger des Leistungsbildes TGA-Fachplanung (so genannte „Generalplaner TGA“) mit einer Vielzahl von gleichzeitig durchzuführenden Bauprojekten verbunden.
Jeder Mitarbeitende innerhalb des Leistungsbildes hat meist schlecht definierte Rollen in multiplen Projekten und ist mit ständigen Rollenwechseln bis hin zum Ausfall eines Kollegen als „Multi-Projekthindernis“ konfrontiert. Hilfreich für alle beteiligten Fach- und Systemplanenden ist eine klare Rollendefinition, die die Verantwortlichkeiten sowohl innerhalb als auch außerhalb des Leistungsbildes abdeckt.
Folgende Rollen und ihre Verantwortlichkeiten sind zu differenzieren:
- Die Projektleitung als Gesamtverantwortliche für Ingenieurvertrag, Termine und Baukosten. Die Übernahme der Kosten- und Terminverantwortung durch einen verfügbaren Projektleitenden beruhigt den Auftraggeber ungemein. Wichtig dafür ist die Abgabe von Verantwortung für das Gebäudemodell und die Funktionalität der Fachgewerke.
- Die Fachplanungskoordination als Gesamtverantwortliche für das integrierte und koordinierte sowie mangelfreie TGA-Gebäudemodell. Eine gute Fachplanungskoordination verhandelt mit der Objekt- und Tragwerksplanung und fühlt sich für jeden Durchbruch und jede erkannte Kollision am Gebäudemodell persönlich verantwortlich.
- Die Fach- und Systemplanung als Verantwortliche für die Funktionalität ihres jeweiligen Fachgewerkes, bis hin zu einer geprüften und „baubaren“ Montageplanung. Enge Abstimmungen mit den Nutzern des Gebäudes in den frühen Planungsphasen erlauben die Entwicklung hochwertiger Lösungen der TGA für wertvolle Gebäude.
- Die Bauüberwachung als Verantwortliche für eine Umsetzung des mangelfreien Gebäudemodells auf Basis einer geprüften Montageplanung in ein mangelfreies Gebäude. Dazu gehört eine gehörige Portion Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den ausführenden Firmen aufgrund von immanenten Zielkonflikten.
Wie differenziere ich diese Rollen erfolgreich als Ingenieurbüro der TGA-Fachplanung? Zentral ist zunächst die Klärung der Erwartungen an die Rolle der Fachplanungskoordination. Diese Rolle ist wesentlich für den Projekterfolg und entlastet sowohl die Projektleitung als auch die Fach- und Systemplanung.
Eine Klärung der Rolle Projektleitung sollte unbedingt im nächsten Schritt erfolgen. Durch die Übergabe der Verantwortung für das Gebäudemodell bleibt Zeit und Muße für die Abfrage und Beachtung der Projektziele des Auftraggebers, die enge Zusammenarbeit mit der Projektsteuerung sowie die fortlaufende Prüfung und Erbringung des Ingenieurvertrages im Sinne des Gesamtprojektes.
Agile Sprint-Planung der TGA-Fachplanung
Neben der Differenzierung von Rollen muss auch die Planung der Planung (in der Bauprojektleitung ein inzwischen feststehender Begriff) im Bauprojekt anpassungsfähiger werden. Eine starre Terminplanung Top-Down ist nicht ausreichend, um den genannten Störungen im Planungsprozess zu begegnen. Sichtbare Zwischenergebnisse (Inkremente) in festen Zyklen (Sprints) sind der Schlüssel zur Entscheidungsfindung und zum zufriedenstellenden Ergebnis. Die meisten TGA-Fachplanenden wenden diese Grundidee bereits in der Vorplanung ansatzweise an – allerdings meist ohne bewusste, klare Struktur.
Diese Struktur besteht im agilen Projektmanagement insbesondere aus festen Zyklen (Sprint mit Retrospektive) in festen Rhythmen, z. B. zwei Wochen. Innerhalb dieser Retrospektiven werden von der TGA-Fachplanung sichtbare Zwischenergebnisse (Inkremente z. B.als Vorabzüge des Gebäudemodells, der Kostenschätzung, des Erläuterungsberichtes) erarbeitet und vorgestellt. Zudem werden Entscheidungen des Auftraggebers vorbereitet und befördert. Die TGA-Fachplanung entscheidet die Reihenfolge und den Umfang der Themen von Sprint zu Sprint projektspezifisch. Eine Sprint-Planung über alle Zyklen im Sinne einer Planung der Planung ist dabei sehr hilfreich.
Erst im letzten Zyklus wird das Ergebnis des Vorentwurfes vollständig vorgestellt. Der Bauherr wurde auf diesem Weg mitgenommen und hat bereits diverse Zwischenergebnisse gesehen und bewertet. Eine sichere Entscheidungsfindung wird durch die wiederholte Präsentation von Vorabzügen bis hin zum allseits verstandenen und akzeptierten Ergebnis vereinfacht.
Scrum in der TGA-Fachplanung für hochinstallierte Bereiche
Eine methodische Verbindung der vorgestellten differenzierten Rollen sowie der agilen Sprint-Planung stellt Scrum dar. Scrum (engl. „Gedränge“) ist ein recht starres Rahmenwerk (Framework), das sich insbesondere in der Softwareentwicklung weitestgehend durchgesetzt hat. Die zertifizierten Rollen „Product Owner“ und „Scrum Master“ sowie das „Scrum Team“ sind insbesondere bei der kundenorientierten Entwicklung von Softwareprodukten zum Standard geworden.
Für die TGA-Fachplanung lassen sich die genannten Rollen nur schwer übertragen. Zentrale Gemeinsamkeit ist allerdings das „Scrum Team“, hier die Fach- und Systemplanenden. Sie fokussieren sich auf qualitativ hochwertige TGA, die sie mit dem Nutzer zusammen erarbeiten. Die Koordination und Integration der TGA in das Gebäude verantwortet die (BIM)-Fachkoordination. Somit verbleibt der Projektleitung der Fokus auf Termine und Kosten sowie das Fördern und Fordern von Entscheidungen durch den Bauherrn.
Zusammen mit der bereits vorgestellten Methode agile Sprint-Planung ergibt sich eine Struktur, in der sich insbesondere in der Vorplanung und im frühen Entwurf integrierte, sichtbare Zwischenergebnisse in zweiwöchigen Retrospektiven erarbeiten lassen. Allerdings widersprechen die Anforderungen des Multi-Projektmanagements der meisten TGA-Fachplanenden einer durchgehenden Anwendung von Scrum über alle Leistungsphasen.
Der wichtigste Anwendungsfall für Scrum sind komplexe, hochinstallierte Bereiche wie Technikzentralen, Deckenschnitte oder Schachtausfädelungen, in denen mehrere Gewerke zu koordinieren und durch die Objektplanung zu integrieren sind.
Stabilisierung des Planungsprozesses über ein Kanban
Speziell für die Leistungsphasen 5–7, aber auch für den Entwurf, eignet sich das Kanban als agile Prozesssteuerung. Wird etwa die vorgenannte Sprint-Planung im Entwurf mit Aufgabenpaketen nach Planungsobjekten aufgestellt, ergibt sich eine anpassungsfähige Darstellung des Arbeitsflusses über alle Objekte der TGA und die notwendigen Vorleistungen. Werden Aufgabenpakete in einem Sprint nicht erledigt, wandern sie in den nächsten – bis zur Überlastung des letzten Sprints, die einen neuen Sprint-Zyklus mit sich bringt. Hier zeigt sich der „ideologische Kern“ des agilen Projektmanagements: Prozesse und Probleme in der Bearbeitung von Aufgaben aufzeigen, um früh Entscheidungen zur Lösung des Problems und damit zur Stabilisierung des Prozesses treffen zu können.
Differenziertes agiles Arbeiten in der TGA-Fachplanung
Die Nutzung der vorgenannten agilen Methoden Sprint-Planung, Scrum und Kanban eignet sich nicht in allen Fällen, insbesondere, wenn herkömmliche Methoden des klassischen „Wasserfall-Projektmanagements“ der HOAI bewährt sind.
Sind Ziele und Anforderungen sowie der Weg zum Ziel klar, macht der Wasserfall durchaus Sinn. Das gilt z. B. für einen standardisierten Erläuterungsbericht, die zugehörige Kostenberechnung oder ein Bautagebuch gemäß Projekthandbuch.
Im Mittelfeld (Weg und Ziel nicht ganz klar) liegen diverse Anwendungsfälle wie der Vorentwurf inkl. Kostenschätzung und Darstellung von Alternativen sowie Trassen- und Technikzentralenkonzepte. Hier eignet sich – für einen begrenzten Zeitraum und ein festes Team – durchaus Scrum als agile Methode.
Ist das Ziel noch klarer, wie z. B. die Prüfung der Montageplanung oder die Abwicklung der gesamten Vergabe, aber der Weg ist z. B. durch viele Vergabeeinheiten etwas undeutlich, eignet sich hervorragend das Kanban zur Visualisierung des Arbeitsflusses.
Komplett konträr sieht es mit der Bedarfsplanung der TGA oder der Grundlagenermittlung aus – hier ist das Ziel noch unklar, der Weg dahin ebenso. Für diese Anwendungsfälle eignen sich beispielsweise Workshops mit Konsent-Moderation.
Fazit und Ausblick
Wie erreichen wir unser Ziel, trotz externen Störungen im Planungs- und Bauprozess funktionierende und integrierte TGA für nachhaltige Gebäude effizient und flexibel zu planen? Folgende größtenteils agile Ansätze erhöhen dazu die Anpassungsfähigkeit (Resilienz) der TGA-Fachplanung:
- Abstimmung der Planungsgrundlage und Kosteneinschätzung vor Planungsbeginn
- Differenzierte Rollen in der TGA-Fachplanung
- Agile Sprint-Planung insbesondere in der Vor- und Entwurfsplanung
- Scrum in der TGA-Fachplanung insbesondere für hochinstallierte Bereiche
- Stabilisierung des Planungsprozesses über ein Kanban
- Differenziertes agiles Arbeiten in der TGA-Fachplanung.
„Die Komplexität hat sich gesteigert, das Projektmanagement muss sehr flexibel sein. Der Erfolg von Projekten hängt aber nach wie vor von den Qualitäten und der Leistungskraft der handelnden Projektleitenden ab.“ /1/
Literaturhinweise
/1/Preuß, N.: Geschichte und Zukunft: Zielführendes Management für gelungene Projekte, Moderne Gebäudetechnik 04/2024
Dipl.-Wirtsch.-Ing. Roman Fritsches-Baguhl
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