Warum EPD für die TGA-BIM-Planung wichtig werden
Laut Bericht des Umweltbundesamtes verfehlte der Gebäudesektor die Treibhausgasminderungsziele für 2022 um 4,6 Mio. t CO2-Äquivalente. Trotz Green Deal, Klimaschutzgesetz und diverser Förderanreize für klimafreundliche Neubau- sowie Sanierungsprojekte sieht die Bilanz auch im vergangenen Jahr nicht besser aus. Die EU will einen klimaneutralen Gebäudebestand bis 2050 erreichen, Deutschland schon bis 2045.
Klar ist: Alle Lebensbereiche müssen nachhaltiger gestaltet werden. Schon 2020 verabschiedete die EU dazu ihren Aktionsplan „Circular Economy“. Er zielt auf eine effizientere Ressourcennutzung sowie kreislauforientierte Wirtschaft ab. Zur Umsetzung kündigt er Initiativen entlang des gesamten Lebenszyklus von Produkten an. Das hat auch Auswirkungen auf den Bausektor.
Zirkuläres Bauen: Ressourcen und Baumaterialien endlos wiederverwerten
Das zirkuläre Bauen leitet sich vom oben genannten EU-Aktionsplan ab und geht über den bisherigen Grundsatz der durchgängigen BIM-Planung – „Von der Wiege bis zur Bahre“ – hinaus. Jetzt heißt es „Von der Wiege bis zur Wiege“: Rohstoffe für Gebäude sollen so eingeplant und genutzt werden, dass sie im Idealfall endlos wiederverwendet werden können oder vollständig biologisch abbaubar sind. Treiber für diesen Wandel ist in erster Linie die EU-Taxonomie. Als Instrument des Green Deals lenkt sie Investitionen gezielt in ökologisch nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten – wie das Bauen oder Sanieren von Immobilien. Sie gibt Bewertungskriterien zur nachhaltigen Einstufung von Gebäuden vor. Dazu gehören auch Quoten für eingesetzte Baumaterialien: Bei einem Neubau müssen mindestens 50 % der Baustoffe aus recycelten, wiederverwendeten oder nachhaltig bezogenen erneuerbaren Materialien eingesetzt werden. Davon müssen mindestens 15 % recycelt sein, 15 % wiederverwendet und 20 % müssen entweder nachwachsend, wiederverwendet oder recycelt sein. Weitere Vorgaben betreffen unter anderem den Netto-Primärenergiebedarf. In der Folge müssen die Materialien für Baustoffe und -produkte für diese Nachhaltigkeitsbewertungen transparenter werden.
EU-Taxonomie macht Lebenszyklusanalysen notwendig
Als Investoren müssen Banken in diesem Rahmen seit 2022 verpflichtend berichten, ob und inwieweit sie umweltfreundliche Projekte finanzieren. Der Wert eines Gebäudes bemisst sich damit stärker an seinen Umweltauswirkungen über den gesamten Lebenszyklus hinweg – von der Herstellung über den Transport, Bau und Betrieb bis zum Abbruch und Recycling. Deshalb verlangen Investoren bereits früh die ökologische Betrachtung oder Zertifizierung des Gebäudes. Auch Förderprogramme des Bundes verlangen meist eine Nachhaltigkeitsbewertung. Für neue Projekte bedeutet das, dass bereits die Planung so viele Nachhaltigkeitsfaktoren wie möglich berücksichtigt, um eine vorteilhafte Umweltbetrachtung einreichen zu können.
Bedeutung der TGA-Planung für die Ökobilanzierung
Die technische Gebäudeausrüstung wird bisher von der gängigen Ökobilanzierung für Gebäude vernachlässigt. Der Fokus liegt bei der Berechnung von Umweltauswirkungen auf der Errichtung des Gebäudes, also auf der Gebäudehülle und den dafür benötigten Baustoffen. Der CO2-Fußabdruck der sehr kleinteiligen TGA-Systeme wird für die Lebenszyklusanalyse des Bauwerks überschlagen. Das ändert sich durch die EU-Taxonomie. Eine überschlägige TGA-Ökobetrachtung wird von anerkannten „Green Building Label“-Zertifizierungsstellen wie DGNB, BREEAM oder LEED mit hohen Strafwerten beurteilt. Dies kann sich negativ auf die Ökobilanz und damit z. B.auf eine Fördermittel- oder Kreditbewilligung auswirken. Negative Lebenszyklusanalysen (LCA) aufgrund überschlägiger TGA-Ökobilanzierungen werden entsprechend unattraktiv. Mittlerweile weiß man, dass die TGA-Bauteile einen beträchtlichen Anteil am gesamten CO2-Ausstoß über einen Gebäudelebenszyklus hinweg haben. Mit steigendem Technisierungsgrad erhöht sich dieser Anteil.
Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hob für ihr Zertifizierungssystem bereits 2021 den Zuschlag der Anlagentechnik von 10 auf 20 % an. In der Version 2023 gibt es generell eine höhere Gewichtung der ökologischen, ökonomischen sowie der soziokulturellen und funktionalen Qualität von Gebäuden. Bauträger profitieren also bereits jetzt von einer möglichst genauen Lebenszyklusanalyse. Doch für eine präzise Nachhaltigkeitsbetrachtung fehlt es an Umweltproduktdaten (engl.: EPD – Environmental Product Declaration) für die TGA. Zwar gibt es Datenbanken, wie die ÖKOBAUDAT oder die des IBU, aber TGA-Umweltdaten sind auch hier kaum vorhanden. Hersteller dürfen zudem die EPD nicht selbst ausstellen. Sie müssen diese erst von unabhängigen Stellen verifizieren lassen. Das braucht Zeit, denn EPD umfassen wesentlich mehr Informationen als den CO2-Ausstoß. Jedes Bauteil hat mehrseitige EPD, die Informationen zu allen verwendeten Rohstoffen, Gewicht, in welchem Werk es wie gefertigt wird usw. enthalten. Alle diese Informationen wirken sich auf die Nachhaltigkeitsbewertung aus.
TGA-BIM-Planung mit Umweltproduktdaten
Planende stehen wiederum vor dem Problem, die wenigen vorhandenen EPD sehr zeitaufwändig in die eigene Planungssoftware importieren und mit den TGA-Elementen im digitalen Projektmodell referenzieren zu müssen. Lange Excel-Tabellen gehören zur Arbeitsrealität.
Seit Ende 2023 können TGA-Hersteller, die in der BIM-Objektdatenbank MagiCAD Cloud den TGA-Planenden ihre Produkte für die BIM-Planung bereitstellen, die jeweiligen Umweltproduktdeklarationen nicht nur als PDF-Datei hinterlegen. Die Werte zur Berechnung der Umweltauswirkungen von TGA-Produkten sind direkt mit den BIM-Objekten der jeweiligen TGA-Komponenten verfügbar. Bereits bei der Produktauswahl in der Cloud wird der gesamte CO₂-Wert des TGA-Produkts für die Herstellung der Materialien, inklusive Rohstoffgewinnung und Transport zum Hersteller gemäß der Lebenszyklusmodule A1–A3 angezeigt. Zusätzlich werden die GWP-Werte der Module A1–A3, C1–C4 und D übersichtlich als Einzelwerte aufgeführt. So können diese gemeinsam mit dem TGA-BIM-Modell übergeben und zur Ökobilanzrechnung für Gebäude nach DIN EN 15643 verwendet werden.
Bisher gab es keinen TGA-Softwarehersteller, der die Umweltdaten direkt am Produkt bereitstellt, damit sie möglichst barrierefrei in der digitalen TGA-Planung genutzt werden. Nun stellt die MagiCAD Group TGA-Planenden ein Werkzeug mit standardisierten Daten zur Verfügung, mit dem sie eine genaue Lebenszyklusanalyse fahren können. Möglich ist das nur mit BIM.
Die TGA-BIM-Objekte in der MagiCAD Cloud enthalten künftig neben den geometrischen Abmessungen und technischen Eigenschaften auch BIM-fähige Umweltproduktdaten – soweit diese von den TGA-Herstellern zur Verfügung gestellt werden können. Die Werte werden als BIM-Daten ins Projekt übernommen und für die Ökobilanzierung genutzt oder mit dem IFC-Modell weitergegeben. Damit werden zukünftig umfassende LCA-Berechnungen von TGA-Systemen und weitere Energieberechnungen mit BIM-Modellen möglich sein. Zur Umsetzung müssen zuerst die TGA-Hersteller ins Boot geholt werden, indem sie einen Mehrwert in der Bereitstellung erkennen.
Kampmann, Hersteller von Klimasystemen, hat bereits EPD für die BIM-Objekte seiner Unterflurkonvektoren in der MagiCAD Cloud hinterlegt. Imke Klompmaker, Trainee Compliance & Nachhaltigkeit bei Kampmann, begründet diesen Schritt wie folgt: „Anhand von Environmental Product Declarations erleichtern wir unseren Kunden die Zertifizierung von Gebäuden mit Nachhaltigkeitssiegeln, denn TGA-Planer können einfach die EPD des jeweiligen Produkts an den Auditor der Gebäudezertifizierung weiterreichen. Zusätzlich können wir anhand von EPD neue Ansätze zu einer nachhaltigen Optimierung unserer Produkte identifizieren. Aus diesem Grund werden wir zukünftig weitere Produkte unseres Portfolios mit Umweltproduktdaten ausstatten.“
Fazit
Die ökologische Betrachtung von Gebäuden wird insbesondere im Neubau fester verankert und eine kreislauforientierte Bauweise stärker belohnt. Eine genaue Bewertung kann nur durch das Einbeziehen aller Bauteile und Gewerke erfolgen. Der VDI veröffentlichte im März 2023 eine Broschüre zur Ressourceneffizienz durch Building Information Modeling. Darin fordert er die Aufnahme von Lebenszyklusanalysen und Gebäuderessourcenpass sowie die Verwendung von Nachhaltigkeitszertifikaten in die Auftraggeber-Informationsanforderungen. Wird dies Realität, dann kommt die Branche nicht mehr umhin, die benötigten Umweltproduktdaten auch für die TGA bereitzustellen und in die Nachhaltigkeitsberechnungen mit einzubeziehen.
Katharina Duric
Jonas Gesenhues
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