Energieeffizienz vom Bedarf her digital planen, installieren und betreiben
Mit dem Neubau des interaktiven Weiterbildungszentrums Viega World in Attendorn-Ennest realisierte Viega ein Leuchtturmprojekt des digitalen und nachhaltigen Bauens. Für die ökologische, ökonomische und soziokulturelle Qualität wurde das Gebäude zudem von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) mit „Platin“ zertifiziert. Die Punktzahl von 89,1 % ist der höchste Wert, mit dem bislang ein Bildungsbau bewertet wurde. Möglich wurde dieses Ergebnis u. a. durch den über alle Leistungsphasen hinweg digitalisierten Planungsansatz der Arbeitsgemeinschaft, die den Neubau realisierte.
Planung und Bau der Viega World wurden im Rahmen des Forschungsprojektes Energie.Digital wissenschaftlich durch das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE und den Lehrstuhl für Energieeffizientes Bauen E3D der RWTH Aachen University begleitet. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK).
Ergebnisse des Forschungsprojekts
Energie.Digital zeigte am Beispiel der Viega World, wie Gebäude über den gesamten Lebenszyklus hinweg deutlich energieeffizienter und damit nachhaltiger als bisher entwickelt werden können. So kommt die Energie für die Viega World von einer 2.100-kWp-PV-Anlage, Wärmepumpen und dem Wärmeverbund mit einer benachbarten Viega Produktionsanlage. Ziel ist es, mehr Energie zu gewinnen als rechnerisch für Heizung, Kühlung, Lüftung, Trinkwassererwärmung und Beleuchtung benötigt wird. Das ist nur möglich, weil auf der Verbrauchsseite insbesondere die Bedarfe für Raumwärme und Warmwasserbereitung einem dezidierten Monitoring unterliegen. So können Defizite und Optimierungspotenziale frühzeitig und systematisch erkannt und Anpassungen vorgenommen werden.
Zentral war dafür die Integrale Planung mit BIM, an deren Anfang eine sehr weitgehende Bedarfsbeschreibung durch Viega als Investor, Bauherr und Betreiber des Weiterbildungszentrums stand. Aus dieser so genannten Planungsphase 0 leitete sich ein ganzheitliches Lastenheft ab. Damit wurde bereits in der Konzeptphase die Technische Gebäudeausrüstung mit den dahinterstehenden Nutzungsprozessen, Trassen- und Energiekonzepten als wichtigster Strukturgeber für den gesamten Neubau identifiziert. Zudem verdeutlichte diese Planung grundlegende Abhängigkeiten zwischen Versorgungsbereichen, Technikzentralen und Schächten im Gebäude.

Ein typisches Beispiel ist der Anwendungsfall Trinkwasser, für den bereits während der Zielfindungsphase die zu erwartenden Nutzungsprozesse beschrieben und als erste Raumbuchinformationen festgehalten wurden. Diese Bedarfsbeschreibung strahlte in der Folge über die Integrale Planung mit BIM direkt auf die Prozesse der Leistungsphasen 1 bis 4 (Planung) ab und setzte sich unmittelbar fort in die Phasen 5 bis 9 (Bau- und Betrieb). Die Übernahme der BIM-Informationen erfolgte damit bei der Ausführung der Trinkwasserinstallation oder der Vorwandkonstruktionen, der Parametrierung/Inbetriebnahme oder des Monitorings, der Wartung und der Instandhaltung.
TGA-Planungspraxis
Dieses Beispiel ist für die tägliche Arbeit der TGA-Fachplanung interessant, da es die Möglichkeit eröffnet, digitales Planen und Bauen auch ohne ein so umfassendes Projekt wie den Neubau der Viega World in die Praxis zu bringen:
- Die entscheidenden Weichen für eine digitale Planung werden bereits in der Phase der Bedarfsplanung gestellt. So sind etwa die Fragen zu beantworten, welche Anforderungen eine Trinkwasserinstallation oder auch die Anlagentechnik zur Wärmebereitstellung- und -verteilung im Rahmen der vorgesehenen Nutzung erfüllen muss. Was ist nötig, um diese Prozesse später zu überwachen und auszuwerten? Ausgangspunkt ist also das Zielbild.
- Es geht bei der digitalen Planung nicht (immer) um nur das eine BIM-Modell. Stattdessen fügen sich einzelne Fachmodelle oder Anwendungsfälle zu einem umfassenden Koordinationsmodell zusammen. Ein übergeordnetes Raum- bzw. Segment-Modell kann z.B. grundliegende Informationen für die weitere Planung enthalten, aber auch als strukturelle Vorgabe genutzt werden. Ein Fachmodell wiederum – hier exemplarisch Sanitär – beinhaltet beispielsweise Objekte und Informationen der Sanitärplanung. Der Informationsgehalt dieses Fachmodells kann dann für Anwendungsfälle innerhalb des Gewerks definiert und genutzt werden. Die Nutzung der übergeordneten Informationen hängt dabei vom Grad der Kollaboration ab.

Herausfordernd war an dieser Stelle die Aufgabe, die hinter diesen Informationen stehenden Objekte von Anfang an eindeutig über ein Kennzeichnungssystem zu identifizieren. Nur so konnten sie in der Folge exakt den Anwendungsbereichen und Modellen zugeordnet und die Daten aus den verschiedenen Quellen heraus z. B. für das Monitoring oder Prozesse der Instandhaltung zusammengeführt werden. Die Zusammenführung, Koordination und Auswertung der Informationen erfolgten schließlich in einer entsprechenden Datenbank.
Die Daten für die digitale Planung, die im Forschungsprojekt Energie.Digital dargestellt wurden, stehen über Sensoren zur Temperatur- oder Volumenstrommessung hinreichend zur Verfügung. Vor Ort ist dies etwa das AquaVip-Zirkulationsregulierventil elektronisch („AquaVip Zirk-e“) zum automatischen hydraulischen Abgleich einer Trinkwasserzirkulation.

Das digitale Bauen und Betreiben eines energieeffizienten Objektes kann so schrittweise in die Praxis gebracht werden. Wesentliche Aufgabe während des Gebäudebetriebs ist es, Systeme und Zusammenhänge intelligent zu vernetzen und zu betrachten. Sind alle Systeme zusammengeführt, ist die Basis für eine entsprechende Auswertung der Daten – beispielsweise zur Optimierung des Energiebedarfs – gelegt.
Fazit
Mit digital vernetzten Prozessen lassen sich Gebäude deutlich energieeffizienter betreiben. Sie können die Energiewende auch im Bestand signifikant vorantreiben, zum Beispiel durch den dann möglichen bedarfsorientierten Einsatz von Wärmepumpen. Die Integrale Planung mit BIM ist ein probater Ansatz, um ausgehend von einer möglichst genauen Bedarfsbeschreibung innerhalb des BIM-Prozesses in sich geschlossene Anwendungsfälle zu definieren und mit modularisierten Produkten zu hinterlegen. Vernetzt unterstützen sie beim Anlagenbetrieb entscheidende Nachhaltigkeitsaspekte wie Ressourcenschonung, Wirtschaftlichkeit und Gesundheit. Das wird besonders am Beispiel einer digital vernetzten und optimiert betriebenen Trinkwasserinstallation deutlich.
Nicolas Pauen

B. Eng. Maximilian Zbocna

Dipl.-Ing. Nicolas Réhault

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