Deutschland könnte so seinen gesamten Wärmebedarf für Temperaturen bis 200 °C aus CO²-freien Quellen decken und Fernwärme und Industrieprozesse betreiben. Die aktuelle Studie „Rollout von Großwärmepumpen in Deutschland: Strategien für den Markthochlauf in Wärmenetzen und Industrie“ des Fraunhofer IEG im Auftrag von Agora Energiewende analysiert umfassend den aktuellen Marktstatus und Entwicklungspotenziale von Großwärmepumpen mit besonderem Fokus auf den Hochlauf von Wärmenetzen.
Für die Studie befragte das Fraunhofer IEG zahlreiche Hersteller und identifizierte Entwicklungspotenziale und Fragen zum Aufbau von Produktionskapazitäten. Der Recherche zufolge waren Anfang 2023 waren in Deutschland mindestens 30 Wärmepumpenanlagen mit jeweils einer thermischen Leistung über 500 kW in Betrieb. Mindestens 30 weitere Projekte mit einer Gesamtleistung von rund 600 MW sind im Bau oder in Planung.
Der Studie zufolge liegt das Angebot von Umwelt- und Abwärme mit rd. 1.500 TWh bei weitem über dem Wärmebedarf für Gebäude und industrielle Prozesswärme bis 200 °C. Wärmepotenziale bieten oberflächennahe und tiefe Geothermie, See- und Flusswasser, industrielle Abwärme, Abwasser, Kohlengruben sowie Rechenzentren. Der jährliche Wärmebedarf für Temperaturen bis 200 °C beträgt insgesamt etwas über 1.000 TWh. Mit Großwärmepumpen werden diese Wärmequellen großflächig für die Fernwärmeversorgung und in der Industrie nutzbar.
Bis 2045 können Großwärmepumpen über 70 % der Fernwärme in Deutschland bereitstellen und dort Erdgas weitestgehend ersetzen – wie aus den Langfristszenarien im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums hervorgeht. Dafür braucht es einen durchschnittlichen Zubau von jährlich vier Gigawatt neuer Großwärmepumpenleistung bis 2045. Die Studie nennt drei Voraussetzungen für einen schnellen Hochlauf von Großwärmepumpen: Es braucht einen klaren Ausbaupfad basierend auf einer verbindlichen kommunalen Wärmeplanung, den Abbau von Preisnachteilen gegenüber fossilen Energieträgern sowie eine strategische Ausweitung des Wärmepumpen-Angebots etwa durch die Standardisierung von Produktionsprozessen.
Deutschland hängt noch hinterher
In den skandinavischen Ländern sind Großwärmepumpen längst auf dem Vormarsch und versorgten Wohngebiete großflächig mit klimaneutraler Wärme. In Deutschland sind Großwärmepumpen noch ein Nischenprodukt. Neben den beiden Vorreitern - Norwegen mit einem Anteil an Großwärmepumpen an der Fernwärmeversorgung von rund 13 % und Schweden mit einem Anteil von über 8 % - liegen auch Finnland, Dänemark und Frankreich über dem europäischen Durchschnitt von 1,2 %. Bis 2045 sollen in Deutschland mehr als ein Viertel der Wohnungen mit grüner Fernwärme heizen können. Das setzt voraus, dass wir in den Kommunen die Wärmewende vorausschauend planen und dass der regulatorische Rahmen für die Fernwärme ein attraktives und günstiges Angebot für Kundinnen und Kunden sicherstellt.
Darüber hinaus müssen Großwärmepumpenprojekte für Fernwärmebetreiber gegenüber fossilen Lösungen attraktiver werden. Aktuell bestehen bei der Förderung noch Nachteile von strombetriebenen Großwärmepumpen gegenüber fossil befeuerten Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Mit einer Reform des Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetzes und einer Aufstockung des Förderprogramms für Wärmenetze lässt sich diese Schieflage beheben und die Wärmewende beschleunigen.
Die Studie „Rollout von Großwärmepumpen in Deutschland: Strategien für den Markthochlauf in Wärmenetzen und Industrie“ hat Fraunhofer IEG im Auftrag von Agora Energiewende erstellt. Sie analysiert umfassend den aktuellen Marktstatus und Entwicklungspotenziale von Großwärmepumpen mit besonderem Fokus auf den Hochlauf von Wärmenetzen. Die Publikation steht zum kostenlosen Download unter www.agora-energiewende.de zur Verfügung.