Wärme aus Wasser für Rheinland-Pfalz

Fluss- und Abwasserwärme in Kalten Nahwärmenetzen nutzen

In Mainz wird in einem Neubaugebiet Brunnenwasser als Wärmequelle genutzt und in Konz soll künftig die Wärme von Flusswasser zur Wärmeversorgung dienen.

Das Team des Kompetenzzentrums Nahwärme besteht aus (v.l.n.r.) David Hemmer, Gianni Walther, Friedrich Beck, Paul Ngahan (alle Energie- und Klimaschutzagentur RLP) sowie Prof. Thomas Giel (Hochschule Mainz). Mit im Bild: Johannes Kletting (Abteilungsleiter Fachabteilung der Energie- und Klimaschutzagentur). Das Team betreut derzeit landesweit Nahwärmeprojekte in Kommunen. Bild: Energieagentur Rheinland-Pfalz
Das Team des Kompetenzzentrums Nahwärme besteht aus (v.l.n.r.) David Hemmer, Gianni Walther, Friedrich Beck, Paul Ngahan (alle Energie- und Klimaschutzagentur RLP) sowie Prof. Thomas Giel (Hochschule Mainz). Mit im Bild: Johannes Kletting (Abteilungsleiter Fachabteilung der Energie- und Klimaschutzagentur). Das Team betreut derzeit landesweit Nahwärmeprojekte in Kommunen. Bild: Energieagentur Rheinland-Pfalz

Umweltwärme als zentraler Baustein der Wärmewende

„Der Druck, fossile Energien durch erneuerbare zu ersetzen, wird durch den voranschreitenden Klimawandel mit jedem Tag spürbarer. Steigende Energiepreise und internationale Abhängigkeiten in der Energieversorgung zwingen uns zum Umdenken – auch im Wärmesektor. Denn dieser verursacht mehr als die Hälfte des Endenergieverbrauchs und Wärme wird in Rheinland-Pfalz zu über 80 Prozent aus fossilen Energieträgern erzeugt. Kalte Nahwärme ist eine von vielen jetzt schon verfügbaren Lösungen, um Tempo in die Umsetzung der Wärmewende zu bringen und unsere Städte und Gemeinden modern, klimafreundlich, bezahlbar und auch unabhängig mit Wärme zu versorgen“, sagte Klimaschutz- und Energieministerin Katrin Eder beim 3. Tag der kalten Netze in Rheinland-Pfalz in Mainz.

Umweltwärme, wie etwa Wärme aus Oberflächengewässern und Abwasser, ist eine erneuerbare Energiequelle, die sich gut in kalte Nahwärmenetze einbinden lässt. „Die Nahwärmeversorgung der Zukunft entsteht dort, wo Energie schon längst vorhanden ist – direkt vor Ort. Rheinland-Pfalz ist ein Land der Flüsse, Seen und Quellen – vom Rhein bis zur Mosel, von der Nahe bis zur Lahn. Diese Gewässer und der Boden unter unseren Füßen bergen eine unerschöpfliche, saubere und konstante Energiequelle, die uns 365 Tage im Jahr zur Verfügung steht“, sagt Paul Ngahan, Leiter des Kompetenzzentrums Nahwärme der Energie- und Klimaschutzagentur Rheinland-Pfalz.

Wärme aus Flusswasser und Abwasser

Rheinland-Pfalz verfügt über ein flächendeckendes Gewässernetz. Gewässer können vier Mal mehr Wärme aufnehmen und speichern als Luft. Dadurch bergen sie ein beachtliches thermisches Potenzial. Doch nicht jedes Gewässer taugt für die Wärme- oder Kältenutzung. Gewässer mit einer stabilen Durchschnittstemperatur, einer ausreichenden Wassermenge und möglichst wenigen Schutzauflagen eignen sich besser zur Wärmegewinnung als ein Bach in einem Schutzgebiet mit geringer Tiefe und ökologischen Restriktionen. Beim Bau von Flussthermieanlagen müssen bestimmte Auflagen beachtet werden. Nach §8 des Wasserhaushaltsgesetzes ist die thermische Nutzung von Oberflächengewässern eine erlaubnispflichtige Gewässerbenutzung. Daher ist ein genehmigungspflichtiges Konzept erforderlich, das technische, rechtliche und ökologische Anforderungen berücksichtigt. Meist sind neben der Stadt- bzw. Kreisverwaltung weitere Genehmigungsbehörden (SGDen, Landesamt für Umwelt, Naturschutz- und Wasserbehörde) beteiligt. Aus diesem Grund müssen Flussthermieprojekte sorgfältig geplant und Genehmigungen rechtzeitig eingeholt werden.

In Deutschland wurden laut statistischem Bundesamt im Jahr 2022 über 8 Mrd. m³r Abwasser in öffentlichen Kläranlagen behandelt. Dies ist ein enormes Potenzial zur Wärmegewinnung, zumal Abwasser im Vergleich zu Flusswasser eine höhere Restwärme enthält. Wärme aus Abwasser wird durch ein System aus Wärmetauschern und Wärmepumpen gewonnen. Die Wärmetauscher entziehen dem Abwasser Wärme, die anschließend durch dezentrale Wärmepumpen in den Gebäuden auf ein nutzbares Temperaturniveau gebracht wird. Die aufbereitete Wärme kann dann zum Heizen von Gebäuden und zur Warmwasserbereitung genutzt oder in Nah- und Fernwärmenetze eingespeist werden. Im Sommer kann der Prozess auch umgekehrt ablaufen, um Gebäude zu kühlen.

Kalte Nahwärmenetze – ideal für die Nutzung von Umweltwärme

Im Gegensatz zu traditionellen Wärmenetzen, die eine zentrale, meist fossile Wärmeerzeugung nutzen, arbeiten kalte Netze mit sehr viel niedrigeren Temperaturen. Dadurch können verschiedene, auch lokal verfügbare Wärmequellen – wie beispielsweise Umweltwärme – ins Netz eingespeist werden. Die niedrigen Temperaturen der Netze reduzieren die Wärmeverluste erheblich und senken die Investitionskosten, weil keine oder nur eine minimale Isolierung der Rohre notwendig ist. Mithilfe einer Wärmepumpe wird die niedrige Netztemperatur auf ein nutzbares Niveau angehoben. Im Idealfall kann dafür überschüssiger Strom, beispielsweise aus einer Dach-PV-Anlage, genutzt werden (Sektorenkopplung). Durch die Kombination aus niedrigen Betriebstemperaturen und dezentraler Wärmeaufbereitung gelten kalte Nahwärmenetze als sehr effizient. Thomas Giel von der Hochschule in Mainz ist davon überzeugt, dass sie eine Schlüsseltechnologie der Wärmewende sind: „Die Forschung zur kalten Nahwärme erreicht eine neue Dimension. Was einst mit intensiver Grundlagenarbeit begann, entwickelt sich nun zu einer angewandten Zukunftstechnologie. Nach über 17 Jahren beharrlicher Forschung ist der Zeitpunkt gekommen, die gewonnenen Erkenntnisse konsequent in die Praxis zu übertragen.“ Paul Ngahan ergänzt: „Schauen wir uns die Karte von Rheinland-Pfalz an, gibt es kaum noch Regionen in denen kein Wärmenetz steht, oder geplant ist.“

Flusswärme für Konz, Wärme aus Brunnen für Mainz

Seit Januar 2024 gilt in Deutschland die Pflicht zur kommunalen Wärmeplanung. Die Verbandsgemeinde Konz erstellt derzeit einen Wärmeplan. Unabhängig davon beschäftigen sich die Verbandsgemeindewerke Konz bereits seit 2023 mit dem Aufbau eines Wärmenetzes in der Stadt. Mithilfe einer Großwärmepumpe soll dem Flusswasser die benötigte thermische Energie entzogen werden. Die gewonnene Wärme wird dann in ein lokales Wärmenetz eingespeist, das die angeschlossenen Gebäude versorgt. Das abgekühlte Wasser wird in den Fluss zurückgeleitet. Der für die Wärmepumpen benötigte Strom soll dabei aus erneuerbaren Energiequellen kommen. Da das Wärmenetze nur dann realisiert werden kann, wenn sich genügend Anschlussnehmer finden, wollen die Verbandsgemeindewerke bei den Anwohnern proaktiv für einen Anschluss ans Wärmenetz werben. Die Umsetzung des Projekts steht unter dem Vorbehalt der Förderbewilligung. Der Antrag ist gestellt, mit einer Entscheidung wird zu Beginn des kommenden Jahres gerechnet.

Auf dem früheren Gelände der Rheinischen Brauerei in Mainz-Weisenau entsteht ein weitgehend klimaneutrales Neubaugebiet mit 29 Gebäuden und 180 Wohneinheiten. Da sich auf dem Gelände zwei alte Trinkwasserbrunnen befanden, entstand die Idee, das Brunnenwasser als Wärmequelle für ein kaltes Nahwärmenetz zu nutzen. Weil die alten Brunnen marode waren, wurden zwei neue gebohrt. Das Wasser hat eine nahezu gleichbleibende Temperatur und wird über ein Leitungssystem zu einem Wärmetauscher geführt, der dem Wasser die thermische Energie entzieht. Mithilfe von Wärmepumpen wird die Temperatur in den angeschlossenen Gebäuden auf das benötigte Niveau gebracht. Das Gute dabei: Weder die Wasserentnahme noch die Rückführung des Wassers beeinflussen die Wasserqualität der Trinkbrunnen. Die Investitionskosten für die Anlage waren gering, für den Betrieb entstehen so gut wie keine Kosten und das System hat eine sehr lange Nutzungszeit. Im Sommer kann das Grundwasser zur Kühlung genutzt werden.

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