Einmal von allem und dann läuft es allein
Das „Haffhus“ ist eine Hotelanlage in der Kleinstadt Ueckermünde. Im Jahr 2017 hatte man sich dort dafür entschieden, den Spa-Bereich zu vergrößern. Von einer Sauna wurde auf vier ausgebaut, ein großer Außenpool kam genauso hinzu wie 17 neue Zimmer, insgesamt sind es seitdem 79. Etwa 500 kWh werden täglich für den Betrieb benötigt. „Da war uns klar, wir müssen uns mit dem Thema Energie beschäftigen“, sagt Dirk Klein, Manager im Haffhus.
Hotelbetriebe sind seit jeher darauf ausgerichtet, ihren Gästen alle möglichen „Wohlfühlwünsche“ zu erfüllen: Moderne Einrichtung, freundlicher Service, gutes Essen und Ausflugspakete. Die Energiekosten sind in aller Regel ein wesentlicher Faktor in der Kalkulation. Selbstverständlich beschäftigen sich die Betriebe damit bei Sanierungsplänen sowie bei Um- oder Ausbauten. Andererseits gehen die Überlegungen meistens nicht viel weiter als bis zur Auswahl neuer Wärmeerzeuger, Maßnahmen zur Dämmung der Gebäudehülle, Installation einer effizienten Beleuchtung oder der Installation einer PV- oder Solaranlage.
All diese Maßnahmen sind wichtig und notwendig und nicht auf jedes Hotel 1:1 zu übertragen. Das Haffhus zeigt aber, was möglich ist, wenn man „groß denkt“.
Grund genug „Off-Grid“ zu gehen
Viele Betriebe zahlen für die Abdeckung der Spitzenlasten teils hohe Summen an die Netzbetreiber. Das Haffhus scheute solche Ausgaben. Zudem hätten die neuen E-Ladesäulen für Betriebsfahrzeuge und Elektroautos der Gäste im Hotel Haffhus sowohl den Stromverbrauch als auch die Spitzenlasten noch einmal kräftig erhöht.
„Wenn wir am Netz geblieben wären, hätten wir unsere Netzanschlusskapazität erhöhen und auch Spitzenlasten bezahlen müssen. Dazu wären Abregelungsgeräte, Zähler und Blindleistungskompensierung gekommen –und die EEG-Umlage für den Eigenverbrauch, bei 300.000 Kilowattstunden immerhin 12.000 Euro pro Jahr. Insgesamt standen alles in allem rund 50.000 Euro Netzanschlusskosten auf unserer Rechnung.“ So entstand die Überlegung, den Netzanschluss stillzulegen.
Sektorenkopplung als Grundidee
Die Basis der Energieversorgung übernimmt der selbst erzeugte Strom aus der 118kWp PV-Anlage. Die soll einerseits wachsen – und sobald genehmigungsfähig – auch noch durch eine Windkraftanlage unterstützt werden.

Ein 500 kWh Batteriespeicher speichert in etwa den Tagesbedarf und stellt zudem das 50-Hertz-Netz für das Hotel. Stromüberschüsse nimmt hauptsächlich die Wärmepumpe auf und liefert bis zu 150 kW, die Hauptleistung im Sommer. Je nach Wettersituation werden vier kleinere BHKWs separat zugeschaltet, die in kürzester Zeit ihre volle Leistung bereitstellen können. Sie werden für lediglich rund 10 % des Jahresenergiebedarfs benötigt. In den kälteren Monaten deckt neben der Wärmepumpe ein Holzgas-BHKW mit 44 kW thermischer und 18 kW elektrischer Leistung den Energiebedarf. Das Holzgas wird über einen Holzvergaser aus regional bezogenen Hackschnitzeln gewonnen.

Power-to-Heat
Bei großzügig dimensionierten PV-Anlagen und leistungsstarken KWK-Anlagen allgemein können sowohl auf der thermischen als auch auf der elektrischen Seite Überschüsse entstehen, die im autarken Netz „irgendwo hin“ müssen. Mit den Elektrofahrzeugen, der Wärmepumpe und dem Batteriespeicher stehen zwar flexible Abnehmer zur Verfügung, aber auch die können nicht unbegrenzt Leistung aufnehmen.
Erreicht der Batteriespeicher die Ladekapazität von 97 %, werden die Wechselrichter in der Leistung begrenzt. Das möchte man vermeiden, deshalb wird über die Gebäudeautomation selbsttätig dafür gesorgt, dass die „richtigen“ Heizstäbe in den sieben Pufferspeichern genügend Leistung abnehmen, maximal 66 kW.In den Appartementhäusern gibt es je einen 800 l Speicher und im Technikhaus steht ein 28.000 l Speicher. Welche die richtigen Heizstäbe sind, entscheidet das System aufgrund der Zimmerbelegung in den Häusern eigenständig.
Die Blockheizkraftwerke produzieren zu etwa zwei Dritteln Wärme, die im Haffhus bei Bedarf auch im neuen 7×18 m großen Außenpool gespeichert werden kann. Hebt man nämlich die Wassertemperatur des Pools um nur 1°C an, ermöglicht das bereits die Aufnahme von rund 200 kWh der überschüssigen Wärme.

Nicht einfach nur Regeltechnik
Wie bringt man nun unzählige Informationen und Schaltzustände aus den genannten Komponenten in ein System und bildet auf dieser Basis einen logischen Ablauf ab, der die gesetzten Rahmenbedingungen und Anforderungen zuverlässig einhält?
Im Haffhus entschied man sich aus Gründen der benötigten Flexibilität hinsichtlich Programmierung, dezentraler Erweiterbarkeit und Schnittstellen für die frei programmierbaren Steuerungen von Technische Alternative (TA) aus Österreich. Diese kümmern sich einerseits um die Anforderung der zum jeweiligen Zeitpunkt idealen Wärmeerzeuger in der benötigten Leistungsstufe. Zum anderen sichern sie die kluge Wärmeverteilung zwischen den Pufferspeichern und dem Pool sowie der Raumbeheizungin der gesamten Hotelanlage. Die dezentrale Bereitstellung des Warmwassers in den Appartementhäusern übernehmen mehrere Frischwasserstationen der TA.

Über die Hotelmanagement-Software fließen auch Informationen zur aktuellen und zukünftigen Buchungslage ein. Auf diese Weise werden Raumtemperaturen zeitgerecht erreicht und auch wieder abgesenkt – je nachdem ob ein Zimmer (noch) benötigt wird. Die Belegung eines Appartementhauses gibt zudem den Ausschlag, ob für den jeweiligen Speicher überhaupt Wärme angefordert werden darf.

Energie sichtbar machen
Für das gesamte Konzept war es wichtig, dass alle Betroffenen – vom Management über die Mitarbeitenden, die Haustechnik und das Housekeeping und nicht zuletzt auch die Gäste – über aktuelle Ertrags- und Verbrauchswerte Bescheid wissen und sie im jeweiligen Rahmen auch beeinflussen können. Auf jedem Zimmer gibt es ein Tablet mit einer Software für die Gäste, über die diverse Zusatzleistungen gebucht und Informationen abgerufen werden können, unter anderem aus dem Spa-Bereich. Wird etwa eine Sauna aufgeheizt, werden über das System auch die anderen Gäste informiert. Im Idealfall wird etwa die Sauna so von mehreren Gästen bewusst gleichzeitig statt zeitversetzt genutzt.

Möglich macht das unter anderem das Control and Monitoring Interface. Das Modul übernimmt das lückenlose Datenlogging über das gesamte Netzwerk hinweg und stellt die relevanten Daten über eine Schnittstelle auch der Hotelsoftware zur Verfügung.
Das Vorzeigeprojekt wurde inzwischen mehrfach ausgezeichnet.
Jürgen Prazak

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