Historische Bausubstanz und Energietechnik des 21. Jahrhunderts
Von Ina Röpcke für E3/DC / Hager Energy
Die Vision für den Umbau eines Bunkers hatte David Wodtke schon als Student in Berlin. Damals war es der Hochbunker in der Friedrichstraße, der ihn auf die Idee brachte. Auch als er 2018 in seine Heimat Nordrhein-Westfalen zurückging, ließ ihn der Gedanke nicht los. Das richtige Objekt fand er dann im Düsseldorfer Stadtteil Gerresheim. Der Hochbunker aus dem Jahr 1942 gegenüber der Arbeitersiedlung “Neustadt“ gehörte zur Gerresheimer Glashütte. Beides sind Überbleibsel des Zweiten Weltkriegs. Da der Abriss des Bunkers zu teuer gewesen wäre, stand der unansehnliche, graue Betonkomplex jahrzehntelang ungenutzt da – sieht man einmal ab von einer Diskothek, einem Wettbüro und einer illegalen Hanf-Plantage in den Gemäuern.
Hier verwirklichte der Architekt nun seinen langjährigen Traum und zeigt, wie man historische Bausubstanz fit für das 21. Jahrhundert macht. Im Frühjahr 2021 war der sanierte Gebäudekomplex mit zwei aufgestockten Etagen und einem neuen Anbau bezugsfertig. Das Energiekonzept mit Photovoltaikanlage, E3/DC-Stromspeichern und Blockheizkraftwerk sorgt dafür, dass 95 % des Strombedarfs unabhängig vom Energieversorger gedeckt werden können. Die privaten und gewerblichen Mieter sparen durch günstigen Mieterstrom und Mieterwärme Energiekosten ein.
Bezahlbaren Wohnraum schaffen
David Wodtke fand, dass man das historische Gebäude besser nutzen könnte und sollte, vor allem, wenn in einem Ballungsraum wie Düsseldorf Wohnungen knapp und teuer sind. „Ich wollte Wohnraum für mich und andere schaffen, nachhaltig bauen und die Energie sollte so weit wie möglich vor Ort erzeugt werden.“ So umreißt er seine Ziele bei dem ambitionierten Bauvorhaben.
Die meisten Bunker in Deutschland gehören dem Bund. Wodtkes Hochbunker war in Privatbesitz, ein halbes Jahr nach seiner Rückkehr kaufte er ihn. Bei den Genehmigungen für das Bauprojekt gab es keine Probleme. „Wir haben ein tolles Bauamt in Düsseldorf“, betont der 38-Jährige. Den Zuständigen seien seine Nutzungspläne inklusive der sozialen Einrichtungen allerdings auch lieber gewesen als eine Disco oder ein Wettbüro. Die erste große Aufgabe war, Licht in den Innenraum zu bringen. Fenster sind in Bunkern nicht vorgesehen, also mussten mit viel Aufwand Löcher in die dicken Wände geschlagen werden.
Vielfältige Nutzung
Während Wodtke selbst den Um- und Neubau plante, entwickelte Matthias Henkel, Geschäftsführer der Firma Congy – Concepts for Energy aus Kevelaer, das Energiekonzept für die Wärme- und Stromversorgung. Die geplante Nutzung war die Basis für das innovative regenerative Energiekonzept. Und so sieht die Verteilung der Flächen heute aus: Im Erdgeschoss befinden sich eine Kindertagesstätte und ein Bio-Imbiss. Der Co-Working-Space steht wegen der Corona-Pandemie zurzeit leer, soll aber baldmöglichst vermietet werden. Die Kita nutzt auch die erste Etage. Im zweiten, dritten und vierten Stock ist Raum für sogenanntes Geschwister-Wohnen. Hier können Kinder und Jugendliche, die aus ihren Familien genommen wurden, gemeinsam wohnen. In diesen Stockwerken gibt es außerdem noch große Wohnungen für Familien. Im fünften und sechsten Stock sind hochpreisigere Wohnungen angesiedelt. Die siebte Etage bewohnt der Bauherr selbst, im achten Stock hat er sein Büro eingerichtet. Die beiden obersten Etagen wurden auf dem alten Bunker aufgestockt.
Im Bunker-Keller hat er einen Indoor-Spielplatz eingerichtet. Auf 300 m2 Fläche können die Jugendlichen aus dem Haus Sport treiben. Zu dem bestehenden Bunker hat Wodtke einen Anbau errichtet. Insgesamt sind es so rund 4.500 m2 beheizte Fläche. 28 Wohneinheiten für etwa 90 Personen sind in der Summe entstanden, dazu kommen die Gewerbeflächen.
Energiekonzept mit Photovoltaik, Speicher und BHKW
Den Strombedarf inklusive Elektromobilität hat der Architekt zusammen mit der Firma Congy mit 155.000 kWh im Jahr berechnet (120.000 kWh Gebäudeverbrauch und 35.000 kWh E-Mobilität). Matthias Henkel riet zu der Kombination von Photovoltaik-Anlage, E3/DC-Hauskraftwerken und einem Blockheizkraftwerk (BHKW) für die Strom- und Wärmeversorgung. Dem Bauherrn gefiel der Vorschlag. „Das ist sozusagen ein haptisches Modell. Wir können unseren Mietern zeigen, wo die Energie produziert wird.“
Das ist schon von außen sichtbar. Auf dem neuen Anbau installierte die Firma Congy Solarstrommodule mit 60 kW Leistung. Die Anlage wird laut Berechnungen rund 60.000 kWh Strom im Jahr produzieren. Henkel hat sie mit zwei E3/DC-Hauskraftwerken aus der PRO-Serie kombiniert. Sie haben eine Gesamtspeicherkapazität von 52 kWh und speichern den Solarstrom zwischen, wenn er gerade nicht direkt verbraucht werden kann.
Nachrüstbare Stromspeicher im Farming-Betrieb
Eine Besonderheit im Energiekonzept ist der Farming-Betrieb der Speichersysteme der PRO-Serie. Das heißt, dass die beiden Speicher zu einer intelligenten „Energiefarm“ parallelgeschaltet sind und nur über einen Anschluss an das öffentliche Stromnetz verfügen. Ein Speicher fungiert als „Master“ oder „Farmmanager“ und ist mit dem Netzregelpunkt verbunden. Er kommuniziert mit dem anderen Speicher, dem „Slave“, über das Netzwerk oder das Internet. Falls die Speicherkapazität beizeiten erweitert werden soll, ist dies bei den E3/DC-Hauskraftwerken problemlos möglich. Wodtke möchte aber zunächst die erste Zwischenbilanz abwarten und dann gegebenenfalls Speicherkapazität nachrüsten.
BHKW erzeugt Wärme und Strom
Das Blockheizkraftwerk mit ca. 40 kW thermischer und 20 kW elektrischer Leistung produziert rund 226.000 kWh Wärme und rund 116.000 kWh Strom im Jahr. Für den Betrieb des BHKW sind etwa 355.000 kWh Erdgas im Jahr nötig. Mit einer deutlich höheren Effizienz als Großkraftwerke erzeugt das Blockheizkraftwerk Wärme und Strom. Wenn der Solarstrom aus der Photovoltaikanlage auf dem Dach nicht ausreicht, wird Strom aus dem BHKW im Gebäude genutzt. Er kann, wie der Solarstrom, in den E3/DC-Hauskraftwerken zwischengespeichert werden. Der Überschuss, sowohl von der PV-Anlage als auch dem BHKW, wird in das öffentliche Netz eingespeist.
Von den etwa 176.000 kWh Strom, die insgesamt auf und in dem Hochbunker erzeugt werden, können laut Simulation 75 % direkt verbraucht werden. Von dem gesamten Stromverbrauch werden 95 % lokal und unabhängig vom Energieversorger gedeckt. Nur etwa 5 % sollen aus dem Netz bezogen werden. Zusätzlich zu diesen Anlagen ist eine Adsorptionskältemaschine installiert. „Sie nutzt im Sommer überschüssige Wärme vom BHKW und wandelt sie zur Kühlung der Büros in Kälte um“, erklärt Henkel.
Ökologische Baumaterialien
Um den Wärmbedarf zu reduzieren, ließ Wodtke eine 160 mm dicke Dämmung aus Mineralwolle auf den Außenwänden anbringen. „Es sind zwar extrem dicke Wände und viel Speichermasse, aber durch die Dämmung können wir sicher sein, dass die Temperatur im Gebäude das Jahr über konstant bleibt“, erklärt er. Den Wärmebedarf im Gebäude hat er mit 50 kWh pro Quadratmeter und Jahr berechnet. Wenn die Wärme aus dem BHKW nicht ausreicht, schaltet sich ein gasbetriebener Spitzenlastkessel ein.
Dem Bauherrn war es wichtig, möglichst ökologisch zu bauen. Deshalb verzichtete er beispielsweise auf Styropor und nutzt in den Trockenbauwänden Holzwolle für die Dämmung. Auf dem Dach musste er Glaswolle verwenden. Wo möglich, wurde mit Lehm verputzt.
Energiekosten sparen mit Mieterstrom
Seinen privaten und gewerblichen Mietern bietet der Architekt Mieterstrom an. Hierfür musste Wodtke eine GmbH gründen. Die technische Abwicklung und Abrechnung übernimmt die Firma Congy. Der Mieterstrompreis liegt einen Cent unter dem Ökostromtarif und ca. 2,6 Cent unter dem normalen Stromtarif des örtlichen Versorgers. Die Mieter können frei entscheiden, ob sie Mieterstrom nutzen oder ob sie Strom von einem anderen Energieversorger beziehen. Der Preisvorteil überzeugte aber alle.
Das gleiche gilt für die Wärmeversorgung. David Wodtke verkauft die Wärme aus dem BHKW an seine Mieter. Der Wärmepreis liegt ca. 5 % unter dem des örtlichen Versorgers, auch dies wieder ein überzeugendes Argument. Die Elektromobilität ist ebenfalls Teil des Energiekonzeptes. 12 Wallboxen von E3/DC sind aktuell in der Tiefgarage installiert. Vielleicht kommen noch öffentliche Ladestationen im Außenbereich dazu.
Das Bauvorhaben hat schon zum Baustart Anfang 2019 für Schlagzeilen gesorgt. Und so waren die Wohnungen begehrt. „Innerhalb einer Woche waren sie vermietet“, erzählt David Wodtke. Nur zwei Wohnungen hat er inseriert. Neben dem Aufsehen erregenden Bauvorhaben - ein historischer Bunker im modernen Gewand - und der heute äußerst ansprechenden Optik ist auch der Mietpreis reizvoll. Wodtke nimmt durchschnittlich 14 €/m2 Wohnfläche. Das sind vier bis fünf Euro weniger als in der Nachbarschaft im Stadtteil Gerresheim, der am Rande von Düsseldorf liegt. Durch den Verkauf von Strom und Wärme hat er zusätzliche Gewinne. „Das haben die erneuerbaren Energien ermöglicht“, sagt er zufrieden. „Wir zeigen, dass man alte Gebäude mit uralter Substanz ins 21. Jahrhundert holen kann. Es ist ein neues Kapitel für große alte Gebäude aufgeschlagen.“