Habeck fragt Handwerk

Gebäudetechnik ist ein Klimaberuf

Auf seinem Rundflug durch die Berliner Wirtschaft am 12. Februar zwischenlandete Bundesklima- und Wirtschaftsminister Dr. Robert Habeck im Kompetenzzentrum der Berliner SHK Innung in Berlin Wedding.*

Vor Ort traf Minister Habeck den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, und die Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe, Franziska Giffey. Innungs-Geschäftsführer Andreas Koch-Martin (mi.) und Obermeister Andreas Schuh (re.) erläutern die Ziele des Kompetenzzentrums und die Technik der Wärmepumpe. Bild: HUSS MEDIEN
Vor Ort traf Minister Habeck den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner, und die Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe, Franziska Giffey. Innungs-Geschäftsführer Andreas Koch-Martin (mi.) und Obermeister Andreas Schuh (re.) erläutern die Ziele des Kompetenzzentrums und die Technik der Wärmepumpe. Bild: HUSS MEDIEN

Von Silke Schilling, Chefredaktion MGT

Im Mittelpunkt der Gespräche, die Habeck am Montag, dem 12. Februar, führte, würden neben der aktuellen politischen Lage die Themen Start-ups, Transformation der Wirtschaft, Energie, Wärmewende und Klimaschutz stehen, teilte das BMWK vorab mit. Im Mittelpunkt des Besuches der Politik in der Grüntaler Straße im Wedding standen dann definitiv die Heizungstechnik und ihre gewerke- und sektorübergreifenden Anforderungen im Zeitalter erneuerbarer Energien. Besonderen Interesses erfreute sich erwartungsgemäß die Wärmepumpe und - nicht ganz so voraussehbar - der hydraulische Abgleich.

Hydraulischer Abgleich und andere Spezialitäten vom Heizungsmenü

Es ist nicht schwer, das Kompetenzzentrum zu übersehen. Von der Straße aus weist nur ein kleines Schild an der Fassade auf seine Existenz hin. Hat man jedoch den Weg in den typischen Berliner Hinterhof gefunden, wird schnell klar, dass es sich beim Quergebäude im Hintergrund um ein gut sortiertes und besuchtes Ausbildungszentrum handelt.

Andreas Koch-Martin, Geschäftsführer der SHK Innung Berlin und Innungsobermeister Andreas Schuh äußerten im Vorfeld und auch bei der Begegnung selbst ihre große Freude darüber, dass das Kompetenzzentrum als Haltepunkt ausgewählt worden war. Mit Blick auf die Debatten der letzten Monate sei sein sehnlichster Wunsch Planungssicherheit und der Abbau der Bürokratie, eröffnete Andreas Koch-Martin den Rundgang durch die Ausbildungsstätte. Doch dann dreht es sich zunächst um die Einzelheiten der Technik. Für die Wärmepumpe sei man gut gerüstet. Allein im letzten Jahr hätten 600 Menschen an der Wärmepumpen-Schulung teilgenommen. Klar sei jedoch, dass man das Gerät nicht nur anschließen kann und dann erwarten dürfe, dass das System als Ganzes funktioniert. Jedes Bestandsgebäude ist anders, sowohl im Hinblick auf Gebäudesubstanz als auch vorhandene Haustechnik. Deshalb muss auch jedes einzeln betrachtet werden - und die Heizungstechnik gemeinsam mit benachbarten Gewerken.

In diesem Zusammenhang verwies Koch-Martin auf das Verbund-Forschungsprojekt WESPE, bei dem die SHK Innung Berlin mit dem ZVSHK an Bord ist. Es ging im letzten Jahr mit dem Fraunhofer ISE und und dem Fraunhofer IBP an den Start. WESPE steht für „Wärmepumpen-Einbau schneller, produktiver und effizienter – handwerkliche Umrüstprozesse optimieren“. Damit soll die Produktivität bei der Umrüstung der Wärmeerzeuger deutlich gesteigert werden. Das Projekt entwickelt eine Plattform zur Vereinfachung, Entwicklung, Erprobung und praxisnahen Schulung neuer Einbau- und Umrüstprozesse für Wärmepumpen mit dem Handwerk.

Für den Wohnungsbetand sieht Innungsobermeister Andreas Schuh die Wärmepumpe in Kombination mit modernisierten Gasheizungen als Zukunft. Letztere müsse mit hoher Wahrscheinlichkeit nur an maximal 10 % der Tage einer Heizperiode anlaufen. Das heißt, die Wärmepumpe kann auch im Bestand mit Abstand die Hauptlast übernehmen.

Heizlastberechnung ist sinnvolle Bürokratie

Robert Habeck, der vor Ort mit dem Berliner Bürgermeister Kai Wegner und Franziska Giffey, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe zusammentraf, ließ sich Zusammenhänge von Wärmeverteilung, -abnahme und -speicherung im Heizungssystem mit Wärmepumpe, Pufferspeicher und Fußbodenheizung erklären und fragte nach, wenn er technische Einzelheiten und Fachbegriffe nicht verstand.

An der Konstruktionswand im Semiarraum zum Thema Hausheizung ergaben sich zahlreiche Fragen zur Notwendigkeit und Funktionsweise des hydraulischen Abgleichs etwa im typischen Berliner Altbau, in dem man Obermeister Andreas Schuh zufolge die verschiedensten Arten von Heizkörpern - vom Gussheizkörper über Konvektoren bis hin zu Plattenheizkörpern und auch Flächensystemen - gleichzeitig antreffen kann. Was ein automatischer hydraulischer Abgleich leisten und zugleich Zeit und Aufwand für die konventionelle Methode ersparen kann, war durchaus Neuland für die Politik.

Der Minister kniete sich dann buchstäblich in die Frage der Effizienz von Heizungspumpen und die Sinnhaftigkeit, Hochenergieverbraucher bei den Pumpen gegen Hocheffizienzpumpen auszutauschen, auch wenn das alte Gerät noch läuft. Nach Auskunft des Lehrlings an der Demonstrationswand kann eine neue bei Kosten um die 100 Euro sehr schnell die Anschaffungskosten wieder einspielen.

Was kostet der Tausch der energiefressenden alten Heizungspumpe gegen ein Hochleistungsexemplar? Foto: HUSS MEDIEN
Was kostet der Tausch der energiefressenden alten Heizungspumpe gegen ein Hochleistungsexemplar? Foto: HUSS MEDIEN

Der Nachmittag schloss u.a. mit einer Frage an Minister Habeck: Was würde er anders machen beim GEG, ließe sich die Zeit um ein oder zwei Jahre zurückdrehen? Seine Erklärung dazu: Im Koalitionsvertrag von SPD, Bündis 90/Die Grünen und FDP** war vereinbart worden, das GEG einschließlich der 65%-EE-Regel für jede neu eingebaute Heizung erst zum 01.01.2025 anzupassen. Der russische Angriff auf die Ukraine und die daraus folgende Gasmangellage bewegte die Parteien dazu, es um ein Jahr vorzuziehen, um die Energiesicherheit zu unterstützen. Als das GEG dann 2023 vor der Verabschiedung stand, war die Gasmangellage aus dem Bewusstein der Bevölkerung verschwunden und auch faktisch kein Problem mehr. Hier hätte man zum ursprünglich geplanten Ablauf zurückkehren, die Wärmeplanung zuerst verabschieden und dann im Anschluss das GEG finalisieren können.

Foto: HUSS MEDIEN
Foto: HUSS MEDIEN

SHK Innung Berlin: „Klimawende ist auch Bildungswende“

Allein im letzten Jahr sei die Anzahl der Bewerbungen für die Ausbildung als Anlagenmechaniker:in um 20 % gestiegen, sagt Innungsgeschäftsführer Andreas Koch-Martin. Er führt das auf die kontrovers geführte Debatte um das GEG zurück, die unter jungen Leuten offenbar zur durchaus positiv konnotierten Verbreitung dieses (Klima-)Themas beitrug. Klimaschutz ist für sie ein Anreiz, wie auch einer der Lehrlinge erklärt.

Die SHK Innung Berlin engagiert sich u.a. für die Stärkung der "Klimaberufe" und verfügt mit dem Kompetenzzentrum über eine der modernsten Ausbildungsstätten Europas für das SHK-Handwerk. Das Gebäude, das ehemals eine Munitionsfabrik beherbergte, soll wachsen. Gebraucht wird mehr Platz für mehr Azubis aber auch neue Technologien. So sind derzeit in sieben Seminarräumen des Schulungszentrums für die Aus- und Weiterbildung Demonstrations- und Teststrecken für verschiedene Bereiche des SHK-Themenfeldes aufgebaut, an denen sich Probleme anschaulich erklären lassen. In 12 Werkstatträumen lässt sich alles Handwerkliche erlernen.

Trotz des jüngsten Zuwachses ist der Bedarf an Fachkräften in Berlin wie anderswo in Deutschland riesig, u.a. weil sich die Baby-Boomer-Jahrgänge in die Rente verabschieden. Gewinnen lassen sie sich zunehmend aus geflüchteten und anderweitig zugewanderten Bevölkerungssgruppen. "Ohne sie könnten wir den Laden dichtmachen", so Koch-Martin. Und das gilt auch für die ganze Branche in Berlin, in der ihre Zahl eine steigende Tendenz aufweist.

Ihre Ausbildung und Integration fördert und unterstützt das Berliner Zentrum, in dem derzeit schätzungsweise 70 % der Azubis einen migrantischen Hintergrund haben, u.a durch fachspezifische Sprachkurse. Technische Begriffe wie "Überwurfmutter" lerne man nicht in einem normalen Sprachkurs, sagt Koch-Martin. Von Habeck vermutete bürokratische Hürden gebe es in diesem Bereich nicht, zudem arbeite man mit Teilqualifikationen, so dass die Betreffenden ggf. auch für einen Teil der Arbeiten auf einer Baustelle eingesetzt werden könnten.

An Frauen hingegen fehlt es noch relativ weitgehend in der Branche. Ihr Anteil beträgt auch bei den Azubis nur etwa 3-4 %. Hier ist noch viel Arbeit, um auch Schülerinnen für eine solche Berufswahl zu gewinnen.

Klimawerkstatt@Berlin

Außerdem macht sich die Innung stark für die Klimawerkstatt@Berlin, wie Koch-Martin der Politik ans Herz legt. Kern des Projektes ist eine zentrale Bildungsstätte, die alle Gewerke rund um die Gebäudetechnik zusammenbringt und das Haus als System denkt. Dazu gehören nicht nur Sanitär, Heizung und Klima, sondern auch das Elektrohandwerk, die Dachdecker, Schornsteinfeger und - in der neuen Welt der Sektorkopplung - nicht zuletzt auch die Energieversorger.

Das Zentrum für das Klimahandwerk soll die Fachkräftegewinnung, Innovationsförderung sowie Aus- und Weiterbildung voranbringen. Hier sollen junge Menschen (und Eltern) praxisorientiert angesprochen und für Klima- und Nachhaltigkeitsthemen sensibilisiert werden. Unternehmen können sich mit Produktinnovationen zeigen. Das Konzept und eine Machbarkeitsstudie für den sechsgeschossigen Bau mit eigenem Energiekonzept aus PV-Anlage, Kühlung, Wärme- und Stromerzeugung sowie Elektromobilität sind fertig, die Elektro-Innung hat dafür ein unbebautes Grundstück. Nun muss nur noch Geld für die Umsetzung her.

Fußnoten
Mit dem Berlintag am Montag setzte Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, Robert Habeck, seine Besuche aller Bundesländer fort.
** Koalitionsvertrag, S. 90
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