German Lean Construction Institute

Zehn Jahre Engagement für Lean in Deutschland

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Die Ruhe vor dem Start: Auf dem GLCI-Kongress im November in Frankfurt beging das Institut u. a. sein 10. Gründungsjubiläum. Bild: GLCI e.V.
Die Ruhe vor dem Start: Auf dem GLCI-Kongress im November in Frankfurt beging das Institut u. a. sein 10. Gründungsjubiläum. Bild: GLCI e.V.

Der 10. Jahreskongress des GLCI in Frankfurt a. M. lieferte zahlreiche Fachvorträge zur Theorie und Praxis des schlanken und kollaborativen Projektmanagements, ­Planens und Bauens, einen Abschied, drei Förderpreise, eine Jubiläumsparty und jede Menge Vernetzungsmöglichkeiten für die mehreren hundert Teilnehmenden.

Lean heißt „schlank“ und beim schlanken Bauen geht es in der Regel darum, aus vorhandenen Mitteln und Ressourcen mit möglichst geringem Aufwand das beste Ergebnis zu erzielen, die Effizienz und die Erträge zu steigern.

Mit wenig viel zu erreichen, ist ein weit verbreiteter­ Wunsch, doch Verständnis und Definitionen von wenig und viel, Effizienz und Effektivität, richtigen Wegen und besten Ergebnissen sind nicht für alle gleich. Die Lean-Methode hat ihre eigenen ausformulierten Prinzipien. Um ihre deutschlandweite Verbreitung kümmert sich beispielsweise das German Lean Construction Institute (GLCI). Es wurde am 15.07.2024 zehn Jahre alt und feierte dies im November in Frankfurt am Main mit 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Gegründet als gemeinnütziger Verein in Stuttgart, zählt es heute 460 Mitglieder, darunter 170 Unternehmen aus der gesamten Wertschöpfungskette des Planens und Bauens. Das GLCI versteht sich als Treiber für die Transformation­ der Bau- und Immobilienwirtschaft hin zu mehr Nutzerzentrierung, Effizienz und Ressourcenschonung bei Planung, Errichtung und Betrieb von Bauwerken, heißt es auf der Homepage. Es bietet Mitgliedern und Lean-Interessierten vielfältige Vernetzungsmöglichkeiten und Qualifizierungsangebote. Dazu gehören drei regelmäßig stattfindende Branchenveranstaltungen: der GLCI-Kongress, die Tagung Lean in der Planung und die IPA-Konferenz.

Der GLCI-Kongress bündelt die Themen in besonderer Weise und der aktuelle Kongress brachte erneut mehr Menschen und Unternehmen zusammen als alle Vorgänger. Dem Jubiläumsanlass angemessen gab es auf den zwei Konferenztagen auch geschichtliche Rückblicke und Bilanzen zur Entwicklung des Instituts und seines Kernthemas, Festreden­ und Grußworte sowie ein Jubiläumsdinner mit Feier bis in die Nacht. Zudem gab der bisherige Vorstands­vorsitzende Prof. Dr.-Ing. Shervin Haghsheno, der neben seiner Geschäftsführungs- und Lehrtätigkeit am Karlsruher Institut für Technologie und vielen weiteren Engagements das GLCI seit seiner Gründung 2014 leitete, seine Abschiedsrede. Zum neuen Vorsitzenden war am 30. September Klaus Hauser, geschäftsführender Gesellschafter der HaCon Business Solutions GmbH, gewählt worden.

​ Der frühere und der neue Vorstandsvorsitzende des GLCI, Prof. Dr. Shervin Haghsheno (li.) und Klaus Hauser im Gespräch mit Thomas Bär, Geschäftsführer des GLCI (re.).Der frühere und der neue Vorstandsvorsitzende des GLCI, Prof. Dr. Shervin Haghsheno (li.) und Klaus Hauser im Gespräch mit Thomas Bär, Geschäftsführer des GLCI (re.). Bild: GLCI e.V. [Zum Verschieben anwählen und ziehen] ​
Der frühere und der neue Vorstandsvorsitzende des GLCI, Prof. Dr. Shervin Haghsheno (li.) und Klaus Hauser im Gespräch mit Thomas Bär, Geschäftsführer des GLCI (re.). Bild: GLCI e.V.

Lean: Effizienz allein führt nicht zum Ziel

Dass beim GLCI das Verständnis der oben genannten Begriffe ein recht ungewöhnliches ist, zeigt sich etwa in der Auswahl von Keynotesprechern für seine Kongresse. Traditionell werden hier Fragen zu Themen aufgeworfen, die nicht immer in erster Linie mit dem effizienten Bauen zu tun zu haben scheinen­, z. B. Philosophie, Kultur und Psychologie.

Philosophie, das heißt, wie eine Gesellschaft die Welt und sich selbst sieht, hat aber sehr wohl damit zu tun, wie, was und für wen dort gebaut wird. Kultur und Denkweisen, Psychologie und persön­liche Prioritäten spielen eine Rolle dabei, wie Menschen und Organisationen ihre Ziele setzen und umsetzen. Bevor es auf dem GLCI-Kongress oder der IPA-Konferenz in die „harten“ Fakten der Lean Praxis­ oder der Integrierten Projektabwicklung geht, erinnern die Eröffnungsvorträge regelmäßig daran, dass Bauen keine vom Rest der Gesellschaft oder der Umwelt isolierte Aktivität ist.

Verschwendung bei sich selbst

So hat man es beim Bauen immer mit Menschen zu tun: Planungsbüros und Bauunternehmen, Produkthersteller, Bauherrn, Kommunen, Behörden oder die Wohnungswirtschaft – all das sind Gruppen aus einzelnen Menschen mit ihren eigenen Persönlichkeiten­.

Die Menschen und die Unternehmenskultur macht Michael Althoff, Gründer und Geschäftsführer von Yellowtools in Deutschland und den USA, zum Mittelpunkt seiner Lean-Aktivitäten im eigenen und anderen interessierten Unternehmen. In seiner Keynote zum diesjährigen Kongress spricht er Unterschiede im Verständnis von Lean und häufig begangene Sackgassen bei der Umsetzung an:

Die weit verbreitete Betrachtung von Lean als reine Strategie, mehr Geld zu verdienen, führe vielleicht kurzfristig zu Höchstergebnissen, aber dann auch schnell zum Burnout.

Die Verwendung des Begriffs „Human Ressources“ für Personalangelegenheiten setze fälschlicherweise Menschen mit Dingen gleich und damit auch herab.

Unternehmen erwarteten oft Perfektion von Mit­arbeitenden, doch dies sei eine fehlerhafte Fehlerkultur. Niemand sei perfekt und 99 % der Fehler lägen gar nicht bei Personen, sondern in Prozessen oder gar der Unternehmensführung, und die verbleibenden 1 % seien sogar notwendig, um ein Unternehmen voranzubringen.

Keynotes rütteln auf, konfrontieren und provozieren. Michael Althoff spricht über Transformation von Menschen und Unternehmen durch Lean – und was dabei schiefgehen kann.
Keynotes rütteln auf, konfrontieren und provozieren. Michael Althoff spricht über Transformation von Menschen und Unternehmen durch Lean – und was dabei schiefgehen kann. Bild: GLCI e.V.

Das Ego sei die „neunte Art der Verschwendung“ (Zur Erläuterung: Das Lean-Konzept charakterisiert acht Verschwendungsarten, darunter etwa ungenutzte Potenziale, Fehler in Prozessen, Wartezeiten usw.). Zielführender als ein großes Ego und der Wunsch, selbst gut auszusehen, sei es, die anderen­ gut aussehen zu lassen.

Lean-Prinzipien seien nicht alles. Wichtig sei zugleich, „im Flow“ zu sein. Das heißt, eine Kultur im Unternehmen zu schaffen und einen Gemüts­zustand zu kultivieren, in dem die Mitarbeitenden und man selbst in der eigenen Arbeit „aufgehen“. Voraussetzung dafür ist neben einer sehr guten Arbeitsvorbereitung, Über- oder Unterforderung, Stress/Angst oder Langeweile auszuschließen und die Menschen auch in ihrem Wachstum zu unterstützen. Können sie ihre Fähigkeiten, Erfahrungen, Fertigkeiten voll einsetzen, können sie sich bedingungslos konzentrieren, und läuft die Arbeit dann quasi fast von allein, verstreicht die Zeit wie im Flug. Dieser Zustand sei mit Flow/Lean/Glück gleichzusetzen, sagt Althoff.

Effizienter ist nicht automatisch besser

Effizienz ist auch kein Selbstzweck. So führte schon in der Vorjahreskeynote der Erfinder des Cradle to Cradle Designkonzepts Prof. Dr. Michael Braungart aus, dass man nicht die falschen Dinge perfekt machen solle, denn dann seien sie nur perfekt falsch. Gerade im Stadtbild von Frankfurt sehe man, dass die Perfektionierung der Effizienz nicht unbedingt zur Verbesserung beitrage. Auch führe effizientes Bauen zu teils hohen Belastungen der Innenraumluft­, weil viele effizient hergestellte Baustoffe Wohnraumgifte freisetzen. Auch Betonzusatzstoffe könnten zwar das Leben einer Stahlbetonbrücke verlängern, verwandelten sie aber unter Umständen in Sondermüll.

Braungart fordert komplett neue Fragen und Denkansätze im Bauen, und damit auch neue Geschäftsmodelle. Die Menschen bräuchten keine Klima­anlage, sondern saubere, gut temperierte Luft. Sie bräuchten keine Solaranlagen, sondern erneuerbare Energie. Die Aufgabe sei nicht, die „umweltfreundliche“ Klima- oder Solaranlage herzustellen, sondern darüber nachzudenken, wie das eigentliche­ Ziel erreicht werden kann. Menschen nähmen immer Einfluss auf die Umwelt, die Aufgabe sei nicht weniger Umwelteinwirkung oder auch Klimaneu­tralität, sondern den menschlichen Einfluss zu einem­ (klima-)positiven zu machen.

Der Architektur- und Designtheoretiker Prof. Dr. Friedrich von Borries (Hochschule für bildende Künste Hamburg), stellte in seiner Keynote 2022 gar die Frage in den Raum, ob Bauen wirklich sein muss oder man Planungsbüros nicht auch bezahlen­ sollte, wenn sie in der Grundlagenuntersuchung zu dem Schluss kommen, dass es in einer bestimmten Situation die effizienteste (oder zielführendste) Lösung für alle Beteiligten wäre, es zu unterlassen.

Theorie und Praxis von Lean und IPA beim Planen und Bauen

Mit solchen Argumenten und Fragen konfrontiert oder auch provoziert, steigt man regelmäßig erfrischt in das sich anschließende Kongressprogramm­ ein. Im November standen 30 Veranstaltungen darauf, in denen es um Lean-Leistungen und -Leistungsverzeichnisse, Software, Prozessmanagement und Taktplanung, Last Planner und KanBo, IPA, Lean und BIM, Kooperation und Konfliktmanagement und viele weitere Themen ging. Neben großen Unterneh­men aus der Baubranche stellten sich Planungs-, Bau- und Beratungsunternehmen mit ihren Ansätzen und Praxisprojekten vor.

Der Vorstand der Wohnungsbaugenossenschaft Neues Berlin e. G. Thomas Fleck beschrieb, wie die Genossenschaft ihren gesamten Betrieb auf Lean und Kooperation umstellte und was das für Ergebnisse für den Unternehmensbetrieb bringt.

Unter der Überschrift „Lean beim Bauen im Bestand“ präsentierten Darius Heller & Prof. Dr. Hans Christian Jünger vom Institut für Baubetriebslehre der Universität Stuttgart das Konzept des „Sanierungssprints“ seines Erfinders Ronald Meyer, dessen Pilotprojekt in Hamburg das Institut wissenschaftlich begleitete: Meyers Firma Renaldo saniert ein Einfamilienhaus inklusive Gebäudehülle und -technik unter Einsatz von Lean-ähnlichen Prinzipien kollaborativer Zusammenarbeit innerhalb von 22 Tagen auf einen klimaneutralen Standard. Die Hochschule will das Konzept im Raum Stuttgart ausrollen und mit definierten Lean-Kriterien und Methoden weiterentwickeln.

Erneut wurden auch Themen aus dem Coaching und der Mediation aufgegriffen, die eine wichtige Grundlage der partnerschaftlichen Zusammenarbeit­ in IPA und Lean bilden.

Learning Day

Dem Kongress geht regelmäßig ein Weiterbildungstag der GLCI Academy voraus, an dem sich Interes­sierte zu den Grundlagen und Prinzipien, Methoden und Werkzeugen des schlanken Bauens informieren und sie per Workshop beispielhaft ausprobieren­ können. Für die 167 Teilnehmenden standen neben Lean Management und Logistik, agiler Bauplanung, Last Planner System und Target Value Design auch Integrierte Projektabwicklung und Baukommunikation auf dem Programm der 13 verschiedenen möglichen Seminare.

GLCI Förderpreise 2024

Im Rahmen des GLCI Kongresses wurden zum neunten Mal heraus­ragende wissenschaftliche Arbeiten, d. h. je eine Dissertation (mit 3.000 €), eine Masterarbeit (mit 2.000 €) und eine Bachelorarbeit (mit 1.000 €) im Fachgebiet Lean Con­struction prämiert. Mit den Preisen will das Institut den wissenschaftlichen Nachwuchs fördern und Lean Construction in Forschung und Lehre verbreiten helfen.

Die Preisträger:

  • Bachelorarbeit, Marius Mussinger: Ansätze für den Umgang mit Verschwendungen bei der Durchführung von Bauprojekten
  • Masterarbeit, Dominic Piller: CO2 als neuer Grenzwert in frühen Planungsphasen – Die Anwendung einer modellbasierten ­Ökobilanzierung als wesentlicher Bestandteil im Target Value Design
  • Dissertation, Dr. Georg Bernat: Entwicklung öffentlicher Immobilien nach Lean-Prinzipien
Preisträger Kategorie: Innovatives Konzept im Bestand Objekttyp: Wohngebäude Renaldo GmbH, Hamburg www.renaldo.de Der „Sanierungssprint“ wurde von...
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MSc, Dipl.-Ing. Silke Schilling

Dipl.-Ing. Silke Schilling
Chefredakteurin

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