Die Wärmerückgewinnung gehört ins GEG
Sind Sie mit der Politik im Gespräch und wie sehen Sie die Chancen für die Umsetzung Ihrer Vorschläge in dem Papier? Warum soll die Wärmerückgewinnung ins GEG aufgenommen werden?
Lottes: Die Hauptaufgabe des VfW ist es, die Interessen der Wohnungslüftungsbranche gegenüber der Politik zu vertreten. Zum einen liegt der Schwerpunkt dabei auf der Bundespolitik, da GEG und BEG den wesentlichen Rahmen für die Branche setzen. Das GEG beruht zu großen Teilen auf Vorgaben der EU-Gebäuderichtline EPBD.
Zum anderen liegt der Fokus aus energiepolitischen Gründen auf Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung. Dies war 2022 eine bewusste Entscheidung des Vorstandes und hat unsere Positionen und Aktivitäten seitdem bestimmt. Mit der EPBD 2024, die bis Ende Mai 2026 in Deutschland (durch eine GEG-Novelle) umzusetzen ist, rückt nun neben den energie- und klimapolitischen Zielen auch das Thema Gesundheit (des Gebäudes und seiner Nutzer:innen), der ursprüngliche Antrieb für die Lüftung von Wohnungen, wieder in den Fokus. Bei der letzten GEG-Novelle, die in 2023 verabschiedet wurde, wurde dieser Aspekt kaum wahrgenommen.
Dass nun beide Themen bei der nächsten Überarbeitung des Gesetzes maßgeblich beachtet werden müssen, sehen wir als einmalige Chance für gesunde Innenraumluft in Gebäuden (gepaart mit den Vorteilen für die Gebäudeenergieeffizienz) und damit für die Lüftungsbranche. Unsere Kontakte zu den Entscheidungstragenden in den Parteien der Mitte sind gut. Seit 2022 haben wir in vielen Gesprächen im Bundestag großes Bewusstsein und Verständnis für unsere Anliegen geschaffen.
Unsere erste Forderung zum GEG lautet, die technische Ausführung des Referenzgebäudes in Anlage 1 an die energiepolitischen Realitäten anzupassen und statt der bloßen „zentrale[n] Abluftanlage nicht bedarfsgeführt“ eine „zentrale oder dezentrale Zu- und Abluftanlage mit Wärmerückgewinnung “ vorzusehen. Dies bedeutet zum einen, die Marktrealitäten abzubilden und der dezentralen Lüftung einen gleichen Stellenwert einzuräumen. Zum anderen können wir es uns nicht mehr erlauben, die mit Einsatz von Energie und unter Freisetzung von Treibhausgasen (THG) erwärmte Innenraumluft zum Fenster oder zum Schacht hinaus zu lüften, wenn wir unsere Klimaziele im Gebäudesektor annähernd erfüllen wollen.
Eine vom VfW beauftragte Studie des Instituts für Technische Gebäudeausrüstung Dresden (ITG) von 2023 ergab, dass bei Lüftung mit Wärmerückgewinnung gegenüber der Fensterlüftung bis zu 69 % Energie und THG im Neubau gespart werden können und 20 % im Bestand, bei jedoch absolut wesentlich höheren Verbräuchen. Das spricht für sich. Auch, weil wir die Forderung zum Referenzhaus bereits 2022 erhoben haben und seitdem in guten Gesprächen mit den zuständigen Bundesministerien stehen, sehen wir hier eine reelle Chance der Umsetzung.
Eine weitere Forderung, nämlich eine dichte Bauweise und den für die Gesundheit und Beheizung erforderlichen Luftwechsel bei Neubau und Sanierung zu gewährleisten, halten wir für die absolute Mindestanforderung einer Gebäude-, Klima- und Gesundheitspolitik der 2020er Jahre.
Wie gut die Chancen für die umfassende Umsetzung der Anforderungen bzgl. Gesundheit/Innenraumluftqualität und Energieeffizienz bei der EPBD-Umsetzung stehen, kann man auch nach Vorlage des Koalitionsvertrages noch nichteinschätzen. Wir appellieren jedoch an die Politik, die GEG-Novelle dafür beherzt zu nutzen!
Neben dem von Ihnen erwähnten VfW-Positionspapier vom 11. Februar, das wir breit in der Politik verteilt haben, haben wir zum Start der Arbeitsgruppen Klima und Energie sowie Bauen/Wohnen/Infrastruktur von Union und SPD noch einen Einseiter an die Koalitionsverhandelnden versandt, der schlagwortartig und graphisch die Vorteile der Wohnungslüftung mit WRG darstellt. Dies führte dazu, dass das Wort „Wärmerückgewinnung“ als „unterstützende Technologie“ zunächst Eingang in das Abschlusspapier der AG Klima und Energie der Koalitionsverhandlungen und dann in den Koalitionsvertrag fand. Dies werten wir als großen Erfolg unserer Arbeit der letzten drei Jahre!
Der Bundesverband für Wohnungslüftung e. V.
Der VfW, gegründet 1996, repräsentiert Hersteller zentraler und dezentraler Wohnungslüftungsanlagen sowie von Lüftungskomponenten, aber auch Handwerks-, Energieberater-, Sachverständigen- und Planungsbüros oder Handelsunternehmen sowie wissenschaftliche Einrichtungen und Prüfinstitute mit Interesse an Wohnungslüftung.
Die politische Arbeit in Berlin stellt den Schwerpunkt der Verbandsarbeit dar. Gegenüber Bundesregierung und Parlament setzt sich der Bundesverband für Wohnungslüftung e.V. für eine bessere Abbildung der Wohnungslüftung in GEG und BEG ein.
Über die Beauftragung wissenschaftlicher Studien und Artikel in der Fach- und Publikumspresse sorgt er dafür, dass die Wohnungslüftung auch in den Medien thematisiert und ihre Vorteile dabei angemessen dargestellt werden. Daher unterstützt er die Endkundenkampagne „Initiative Gute Luft“ gemeinsam mit BDH, FGK und einem Dutzend Unternehmen der Branche: https://wohnungs-lueftung.de/
Ferner beteiligt sich der VfW an der Normungsarbeit des DIN zur Wohnungslüftung.
Was sagt die EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie EPBD zum Thema Lüftung und Wärmerückgewinnung (WRG)?
Lottes: Zum Thema WRG bisher fast nichts. Sie taucht nur bei der Berechnung der Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden als zu berücksichtigender Aspekt auf (Anhang 1), und als „Technologie […] zur Einsparung von Energie mit sehr kurzen Amortisationszeiträumen,“ die „derzeit nicht ausreichend berücksichtigt“ werde. Dem kann man nur beipflichten!
Lüftung taucht ebenfalls vor allem im Kontext der Berechnung der Gesamtenergieeffizienz auf, ferner, wenn von Wartung und Inspektion die Rede ist. Bestimmungen zu Nichtwohngebäuden lasse ich hier außen vor.
Die EPBD hebt stattdessen die Bedeutung der Raumklimaqualität hervor. Und hier gibt es einige Passagen, die, zumindest für den Neubau, Hoffnung machen. Drei davon möchte ich erwähnen:
So müssen gem. Art. 7 EPBD ab 01.01.2030 alle neuen Gebäude Nullemissionsstandards erfüllen. Dort ist festgelegt, dass die Mitgliedstaaten in Bezug auf neue Gebäude den Aspekt optimale Raumklimaqualität berücksichtigen. Auch in Art. 5 bei der Festlegung von Mindeststandards für die Gesamtenergieeffizienz steht: „Diese Anforderungen tragen der optimalen Raumklimaqualität Rechnung, um mögliche negative Auswirkungen, wie unzureichende Belüftung, zu vermeiden“.
Und last but not least schreibt Art. 13, Abs. 4, Gebäudetechnische Systeme, vor: „Die Mitgliedstaaten legen Anforderungen für die Umsetzung angemessener Standards für die Raumklimaqualität in Gebäuden fest, um ein gesundes Raumklima zu erhalten.“
Weitere Erwähnungen des Begriffs Raumklimaqualität finden sich in den Art. 1 und 3 EPBD. Nimmt man das als deutscher Umsetzungs-Gesetzgeber ernst, sind ausreichend hohe Luftwechselraten erforderlich. Und wenn man diese ohne WRG realisieren will, dürften die Energieeffizienzziele der Richtlinie schwer erreichbar sein. Deswegen Lüftung mit WRG im Neubau!
Für die energetische Sanierung erwarten wir allerdings weniger Impulse durch die EPBD als für den Neubau. So fanden, auch auf Betreiben der deutschen Ampelregierung, die von der EU-Kommission vorgeschlagenen Mindestanforderungen an die Energieeffizienz von Bestandswohngebäuden keine Mehrheit im Ministerrat. Nichtsdestotrotz bleibt die mechanische Lüftung mit WRG für die energetische Sanierung und die Klimaziele eminent wichtig. Beispielsweise ist Lüftung mit WRG obligatorisch, um die Förderung für die EE-Klasse über die BEG-Richtlinie Wohngebäude zu erhalten.
Abschließend eine eher praktische Frage mit Blick auf den Heizungstausch, der im Zuge des klimaneutralen Umbaus der Gebäudewärmeversorgung auf viele Wohnungsnutzer und -eigentümer zukommt: Was ist bezüglich der Raumluft zu beachten, wenn Gasetagenheizungen durch zentrale Heizungsanlagen, Fernwärme oder Wärmepumpen ersetzt werden und warum?
Lottes: Das Zusammenspiel von Heizsystem und Gebäudelüftung ist hier besonders zu beachten und wurde vom ITG Dresden in der o. g. Studie von 2023 genauer beleuchtet: Für den Gebäudebestand sind heute immer noch fossil beheizte Wohnungen typisch, die sehr häufig nicht über Lüftungstechnik verfügen und folglich nur über Fugen bzw. Undichtigkeiten und/oder mit geöffneten Fenstern gelüftet werden. Werden die Heizungsanlagen raumluftabhängig betrieben, was bei Gasetagenheizungen im Mietwohnungsbau der Standard ist, wird die Verbrennungsluft durch den Raumluftverbund der Wohnung zur Verfügung gestellt. Dazu strömt die erforderliche Außenluft durch Undichtigkeiten an der Gebäudehülle nach und sorgt so zusammen mit der meist undichten Gebäudeausführung für die Vermeidung von Feuchteschäden, insbesondere von Schimmel.

Wohnungsgrundriss: Die Gasetagenheizung, hier im Bad installiert, bezieht die für die Verbrennung benötigte Luft über den Raumluftverbund und die undichte Gebäudehülle von draußen. Wird sie durch eine Zentralheizung ersetzt, entfällt diese „automatische“ Be- und Entlüftung (sowie Entfeuchtung) der Räume. In der Folge kann Schimmel entstehen. Bild: VfW e.V.

Zentrale Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung von Wolf, Prinzipschema Gegenstromwärmetauscher Bild: Wolf

Funktionsprinzip des Wärmeaustauschs für die dezentrale Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung Bild: inventer
Wird nun eine in der Wohnung installierte Etagenheizung durch eine gebäudezentrale Wärmeversorgung ersetzt (z. B. bei Einsatz von Wärmepumpen), ist keine Verbrennungsluft in der Wohnung mehr erforderlich. Dadurch entfällt in aller Regel eine Nachströmung durch fehlenden Unterdruck. So ist der nutzerunabhängige erforderliche Mindestluftwechsel zum Feuchteschutz und zur Hygiene in der Wohneinheit nicht mehr sichergestellt und muss durch ein Lüftungssystem hergestellt werden. Dies gilt insbesondere, wenn gleichzeitig die Hülle ertüchtigt wird (z. B. durch Fensteraustausch). Es ist also beim Ersatz von Gasetagenheizungen darauf zu achten, dass das so entstehende „sanierungsbedingte Lüftungsdefizit“ ausgeglichen wird und sich diese Veränderung in einem neuen Lüftungskonzept niederschlägt. Dieser Aspekt ist selbst vielen Expert:innen der Gebäudesanierung nicht geläufig, wie wir immer wieder feststellen.
Nach der Wohnungslüftungsnorm DIN 1946-6 sind dann lüftungstechnische Maßnahmen zwingend erforderlich, um mindestens eine nutzerunabhängige Lüftung zum Feuchteschutz zu gewährleisten.
Herr Lottes, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Literaturhinweise
/1/ Positionen des VfW zur Bundestagswahl 2025 für gesunde Innenraumluft sowie zur Einsparung von Heizkosten und Treibhausgasen durch Unterstützung von Wohnungslüftung (mit Wärmerückgewinnung) https://wohnungslueftung-ev.de/wp-content/uploads/2025/02/2025-02-10-VfW-Positionen-zur-Bundestagswahl-und-Analyse-Wahlprogramme-zu-Wohnungsbau-und-Sanierung.pdf
Fakten zur Wohnungslüftung (mit Wärmerückgewinnung) – Anlage zum VfW-Positionspapier zur Bundestagswahl 2025 https://wohnungslueftung-ev.de/wp-content/uploads/2025/02/2025-02-Fakten-zur-Wohnungslueftung-mit-Waermerueckgewi-nnung-VfW.pdf/2/ Wohnungslüftung mit Wärmerückgewinnung als nachhaltige Schlüsseltechnologie der Wärmewende (ITG Kurzstudie im Auftrag des VfW, 2023) https://wohnungslueftung-ev.de/aktuelles/wohnungslueftung-mit-waermerueckgewinnung-alsnachhaltige-schluesseltechnologie-der-waermewende/
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