AHO Herbsttagung

Eine HOAI, die warten muss und ein Gesetz, das unnötig ist

Im Fokus der AHO-Herbsttagung am 05. Dezember 2024 im Ludwig-Erhard-Haus in Berlin standen die politisch bedingte Verzögerung bei der Novellierung der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) und Kritik vom BGH am Gesetzentwurf zum Gebäudetyp E.

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Die AHO-Herbsttagung 2024 fand erneut im Ludwig-Ehrhard-Haus in Berlin statt. Bild: CC BY-SA 3.0 creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0 via Wikimedia Commons
Die AHO-Herbsttagung 2024 fand erneut im Ludwig-Ehrhard-Haus in Berlin statt. Bild: CC BY-SA 3.0 creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0 via Wikimedia Commons

Hauptthemenfeld des Ausschusses der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e. V., kurz AHO, ist naturgemäß die HOAI. Für die anstehende Novelle, die in dieser Legislaturperiode umgesetzt und im April 2025 abgeschlossen werden sollte, muss nun aufgrund des vorzeitigen Abhandenkommens der Bundesregierung eine Verschiebung in Kauf genommen werden. Die Zeit bis zu den Neuwahlen am 23. Februar sei schlicht nicht ausreichend, um das begonnene und auch sehr weit fortgeschrittene Verfahren abzuschließen, hieß es auf der AHO-Herbsttagung Anfang Dezember, die mit ca. 100 Teilnehmenden in Berlin stattfand.

Dr. Elga Bartsch, Leiterin der Abteilung Wirtschaftspolitik aus dem für die HOAI federführenden Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz betonte jedoch auf der Tagung, dass sowohl mit dem vom Bundesbauministerium vorgelegten Planungsbereichsgutachten als auch mit dem vom BMWK beauftragten Honorargutachten, das kurz vor dem Abschluss steht, beeindruckende wissenschaftliche Grundlagen und ein starkes, solides Fundament für die Weiterentwicklung der HOAI vorliegen, auf die sich auch eine neue Bundesregierung stützen kann. Die fachliche Arbeit an der HOAI-Reform in ihrem Haus werde fortgeführt, so Dr. Bartsch.

In einem umfangreichen Prozess mit zahlreichen Terminen mit engagierten Beteiligten aus Bauministerium, Kammern und Verbänden, von privaten und öffentlichen Auftraggebern seien Themen wie Neubau und Bestand, Nachhaltigkeit und Digitalisierung diskutiert, viele Anpassungen an Leistungsbildern vorgenommen und die Ergebnisse in konkrete Honorare übersetzt worden, berichtet Bartsch. Der Endbericht, der zum Zeitpunkt der Tagung noch nicht formal abgenommen war, sei dann bald online zu lesen.

Der AHO-Vorstandsvorsitzende Dipl.-Ing. Klaus-D. Abraham machte deutlich, dass die Zeit zur Umsetzung der HOAI-Reform sowie die Aktualisierung der Leistungsbilder und Honorartafeln drängt. Angesichts der wirtschaftlichen Randbedingungen und der Situation der überwiegend mittelständisch geprägten Planungsbüros, die mit erheblichen Kostensteigerungen konfrontiert sind, sei eine umgehende Anpassung der seit 2013 unveränderten Honorartafeln besonders für die Stadt- und Flächenplanungen existentiell. Der AHO werde sich gemeinsam mit der Bundesarchitektenkammer und Bundesingenieurkammer und allen Kammern und Verbänden dafür einsetzen, dass der schnellstmögliche Abschluss HOAI-Reform in den Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung aufgenommen werde. Abraham betonte aber auch, dass direkt nach Abschluss der HOAI-Novellierung eine wissenschaftliche Grundsatzuntersuchung zur Struktur, dem Planungsaufwand und den Kosten in Architektur- und Ingenieurbüros notwendig sei, um die HOAI insgesamt auf belastbare Datengrundlagen zu stellen.

Auf der AHO-Herbsttagung drehte es sich um die HOAI-Novelle und das Gebäudetyp-E-Gesetz. Bild: AHO

Fortschreibung mit neuen Leistungsbildern

Einen Überblick über das Sachverständigengutachten zur Überarbeitung der Honorarberechnung der HOAI gab Professor Dr. Christian Stoy, der mit seinem Gutachterteam innerhalb von nur sieben Monaten alle Honorartafeln der HOAI modellierte und fortschrieb. Im Ergebnis sehen die Empfehlungen sowohl für die Flächenplanungen als auch für die Objekt- und Fachplanungen eine deutliche Anhebung der Honorartafeln vor. Sie sei insbesondere auf die deutliche Steigerung der Anforderungen im Rahmen der rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen in den letzten zehn Jahren und der damit verbundenen Steigerung des Planungsaufwandes zurückzuführen, aber auch auf die erheblichen Kostensteigerungen in den Planungsbüros.

Für den Bereich der Flächenplanungen ist die Weiterentwicklung der Berechnungsmodelle hinsichtlich einer „Dynamisierung“ der Honorartafeln zu erwähnen. Darüber hinaus wurde eine Honorartafel für ein neues Leistungsbild Städtebaulicher Entwurf entwickelt. Neben der Fortschreibung der Honorartafeln wurden die Regelungen des zugrundeliegenden Planungsbereichsgutachten überprüft und konkretisiert.

Auch Stoy wies am Beispiel der veränderten Planungszeiten auf die Notwendigkeit einer zukünftigen Grundsatzuntersuchung hin, um in jeder Hinsicht belastbare Datengrundlagen zu ermitteln.

Braucht Deutschland das Gebäudetyp-E-Gesetz?

Die Bundesregierung will den Wohnungsbau vereinfachen und beschleunigen. Auch vor dem Hintergrund massiv gestiegener Baukosten beschloss das Bundeskabinett mit dem Entwurf eines „Gebäudetyp-E-Gesetzes“ Anfang November 2024 Erleichterungen im Bauvertragsrecht. Dem Referentenentwurf zufolge bezeichnet der so genannte Gebäudetyp E „keinen bestimmten, technisch spezifizierten Gebäudetypus, sondern den Wunsch nach flexibleren Planungsmöglichkeiten“.

Der Wunsch könnte hier der Vater des Gedankens gewesen sein, doch der Gedanke hat seine Fehler. Zu einem solchen Schluss kann man zumindest kommen, folgt man der Argumentation von Prof. Dr. jur. Andreas Jurgeleit, Richter am Bundesgerichtshof.

Prof. Dr. jur. Andreas Jurgeleit, Richter am Bundesgerichtshof Bild: Andreas Jurgeleit
Prof. Dr. jur. Andreas Jurgeleit, Richter am Bundesgerichtshof Bild: Andreas Jurgeleit

E für einfach?

In seinem Vortrag mit dem Titel Gebäudetyp E, das Bauvertragsrecht und die Rechtsprechung des BGH stellt Prof. Jurgeleit den Begriff Gebäudetyp E in Frage. Er nennt ihn „irreführend“, denn er suggeriere eine Ähnlichkeit mit Typengenehmigungen, die die Bundesländer erteilen. Er fordert „präzise“ Begriffe. Zudem bemängelt er, dass der vom Bundesjustizministerium vorgelegte Gesetzentwurf, der tiefgreifende Änderungen des Bauvertragsrechts vorsieht, ohne deren Wirkungen vertieft durchdacht zu haben, in einem Schnellverfahren ohne hinreichende fachkundige Begleitung durchgebracht worden sei. Jurgeleit hält das für „politischen Aktivismus“ mit Blick auf die Wahlen, die zu dem Zeitpunkt noch für September 2025 geplant waren, und das verfehlte Ziel von jährlich 400.000 neu zu bauenden Wohnungen. Eine Stellungnahme des Bundesgerichtshofs sei erst in der Sommerpause mit einer kurzen Frist erbeten worden.

Aus der Sicht des Bundesgerichtshofs ist der Gesetzentwurf abzulehnen, weil insbesondere der Begriff des „Mangels“ aus dem Werkvertragsrecht grundlegend verkannt werde, die bei der Errichtung von Wohngebäuden typischerweise gegebene Leistungskette nicht bedacht werde und eine Bindung der Gerichte an sicherheitsrelevante Normungen mit dem Demokratieprinzip nicht zu vereinbaren sei.

Dass in Deutschland zu wenig gebaut werde, sei in erster Linie ein Problem des öffentlichen Baurechts, das vereinfacht und entschlackt werde müsse. Zudem bestünden die Wohnungsprobleme ausschließlich in Ballungsräumen.

Jurgeleit kritisiert zudem die Gleichsetzung von technischen „DIN-Normen“ mit Gesetzen. Diese wolle der Gesetzentwurf zum Gesetz erheben, obwohl es sich um private Empfehlungen handele, die in nicht transparenter Weise zustande kämen. Der Gesetzentwurf befasse sich in der Hauptsache mit den so genannten allgemein anerkannten Regeln der Technik (a. a. R. d. T.), und sage, sie stünden dem einfachen Bauen entgegen.

Der Bundesgerichtshof habe schon 1998 entschieden, dass ein Gebäude grundsätzlich dem Qualitätsstandard genügen muss, der zur Zeit des Vertragsschlusses üblich ist. Das heißt, ein Gebäude, dass 2024 bestellt werde, müsse grundsätzlich den Standard von 2024 aufweisen. Das kann auch ein Mieter im Neubau erwarten. Demgegenüber sind die a. a. R. d. T. nur als Mindeststandard geschuldet.

Soll dagegen aus Kostengründen nach z. B. dem Standard des Jahres 1980 gebaut werden, so bedarf es einer entsprechenden Vereinbarung des Bauherrn mit dem Bauunternehmer bzw. Architekten, so Jurgeleit. Diese Vereinbarung setze voraus, dass der in der Regel nicht fachkundige Bauherr hinreichend über die technischen Konsequenzen und Kostenfolgen aufgeklärt wird. Der Bauherr muss also wissen, worauf er sich einlässt. In der Leistungsphase 1 muss er durch den Architekten zum gesamten Leistungs- und Untersuchungsbedarf aufgeklärt werden, d. h. auch dazu, was genau es heißt, nach dem Baustandard von 1980 zu bauen. Ganz praktisch könne das etwa heißen: „Der Schallschutz ist eingeschränkt und im ersten OG hörst Du Deine Frau im EG niesen.“ Dann kann der Bauherr entscheiden, ob er das will oder nicht. Dabei müsse man ehrlich sein und auch sagen, dass niemand weiß, was der Markt damit macht und welche Mietpreise daraus entstehen.

Prof. Jurgeleit erläutert sein Argument in einem fiktiven Fall: Ein Bauherr will ein viergeschossiges Haus mit 12 WE als Wohneigentum zum Baustandard 1980, soweit öffentlich-rechtlich möglich, bestellen. Es ergibt sich folgende Leistungskette: Bauherr – Planer – GU – NU – Erwerber/Mieter. Der Erwerber ist ein Verbraucher und es entsteht ein Verbraucherbauvertrag. Das heißt, vor Abgabe der Vertragserklärung muss rechtzeitig eine Baubeschreibung in Textform übergeben werden, die verdeutlicht, was eine Gebäudebeschaffenheit nach dem Standard von 1980 impliziert. Entsprechend sollten auch Mieter darüber aufgeklärt werden, dass die Wohnung nicht dem aktuell üblichen Standard, sondern dem des Jahres 1980 entspreche.

„Wenn Sie in dieser Form aufklären“, sagt Jurgeleit, „dann haben Sie zugleich über die Abweichung von den a. a. R. d. T. aufgeklärt.“

Fazit

Der Gesetzentwurf zum Gebäudetyp E löst das Problem nicht.

Die bestehende Gesetzeslage (in Verbindung mit der Rechtsprechung des BGH) stehe einem einfacheren kostengünstigeren Bauen nicht im Wege, sondern schütze die berechtigten Interessen aller an einem Bauvorhaben Beteiligten, fasst Jurgeleit zusammen. Für ein einfaches und kostengünstiges Bauen brauche es kein Gebäudetyp-E-Gesetz, sondern eine angepasste Vertragsgestaltung und eine durchgehende verständliche Aufklärung, die sich nicht hinter technischen Begriffen verstecke. Dazu könne eine standardisierte Aufklärung formulieren werden, wie sie etwa mit dem „Hamburger Standard“ entwickelt werde. Was hingegen nicht funktioniere, ist nach Standard 1980 zu bauen und den Bauherrn unter Verweis auf das Gebäudetyp-E-Gesetz nicht aufzuklären.

In der Diskussion, die dem Vortrag von Prof. Jurgeleit folgte, wurde aus den berichteten Erfahrungen in der Praxis deutlich, dass ein Abweichen von den allgemeinen anerkannten Regeln der Technik auch mit anwaltlicher Unterstützung zu erheblichen Unsicherheiten führt. Unklar bleibt etwa, welche Anforderungen an die Aufklärung des Bauherrn bei Abweichung von den a. a. R. d. T. vonnöten sind und wie diese rechtswirksam vereinbart werden können. Hier wäre es lohnenswert, Hilfestellungen und Textvorschläge für die Aufklärung zu entwickeln. Die wird offenbar zur Zeit im Bundesbauministerium versucht.

Jahresumfrage: Wirtschaftliche Lage der Ingenieur- und Architekturbüros

Die Jahresumfrage zur wirtschaftlichen Lage der Ingenieure und Architekten wird regelmäßig von AHO, dem Verband beratender Ingenieure (VBI) und der Bundesingenieurkammer beim Institut für Freie Berufe (IFB Nürnberg) beauftragt. Für das Jahr 2023 zeigt sich demnach erneut ein überwiegend positives Bild. Ingenieur- und Architekturbüros berichten von stabilen Umsätzen und Renditen, auch wenn diese wegen der teilweise inhomogenen Struktur der beteiligten Planungsbüros unterschiedlich ausfallen. Ungebrochen ist dagegen die Nachfrage nach fest angestellten Ingenieuren und Architekten. Einem leichten Sinken bei den Ingenieuren steht bei 43,55 % der befragten Architekturbüros ein zusätzlicher Bedarf an Architekten entgegen. Um Mitarbeitende zu gewinnen, müssten die Büros tiefer in die Tasche greifen, denn die Erwartungen bezüglich der Bruttojahresgehälter seien in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen, berichtet AHO-Vorstandsvorsitzender Dipl.-Ing. Klaus-D. Abraham.

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Ronny Herholz

Ronny Herholz

MSc, Dipl.-Ing. Silke Schilling

Dipl.-Ing. Silke Schilling
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Eine HOAI, die warten muss und ein Gesetz, das unnötig ist
Seite 40 bis 42
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