Brandschutz für Grünfassaden
Der Autor: Dr.-Ing. Thomas Engel, Gruppenleiter Brandforschung Technische Universität München, TUM School of Engineering and Design, Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion
Unter dem Oberbegriff der Fassadenbegrünungen sind unterschiedliche konstruktive Ausführungen zusammengefasst (Bild 2). Prinzipiell zu unterscheiden sind eine direkte bodengebundene Begrünung an der Außenwand durch Kletterpflanzen, eine indirekte bodengebundene Begrünung durch von der Außenwand abgesetzte Kletterhilfen und begrünte Wandsysteme mit Bepflanzung in Gefäßen oder an flächigen vertikalen Vegetationsflächen (Living Wall). Auch Mischformen sind möglich [3], [4], [5].

Für bodengebundene Begrünungen an Kletterhilfen haben sich je nach Dickenwuchs (Wüchsigkeit) Wandabstände von 50 bis 200 Millimeter zur Kletterhilfe etabliert [4], [5]. Ein ausreichender Abstand ist neben der Wüchsigkeit der Pflanze auch aufgrund der sonst möglichen Überhitzung der Gerüstkletterpflanze durch die Außenwand notwendig [5].
Wandgebundene Begrünungssysteme (ohne Bodenanschluss) zeichnen sich durch integrierte Bewässerungssysteme, beliebige Begrünungsgrößen und einfache Austauschbarkeit der Pflanzen aus. Sie ermöglichen eine vorkultivierte Begrünung der Fassade ab Fertigstellung des Gebäudes durch Modul- oder Regalsysteme [3], [5]. Eine wandgebundene Begrünung in Form einer „Living Wall“ ist ein komplettes, vorgehängtes, hinterlüftetes Fassadensystem. Es besteht aus Hinterlüftung, Unterkonstruktion, Tragstruktur, Trägerplatten, Dämmung, Substrat, Vlies, Bewässerungssystem und der Pflanze selbst. Die Systeme unterscheiden sich von Hersteller zu Hersteller erheblich. Das Bild 1 zeigt ein Beispiel für realisierte Grünfassaden.
Brandverhalten der Pflanzen
Im Rahmen des Forschungsvorhabens FireSafeGreen [10] wurde in einem ersten Teil das Brandverhalten von begrünten Fassaden untersucht. Im Fokus stand hierbei die Entflammbarkeit begrünter Fassaden, die im Rahmen von 43 kalorimetrischen Brandversuchen im mittleren Maßstab mit der Prüfmethode Single Burning Item (SBI) [11] bewertet wurde. Schwerpunkt der Untersuchung waren insgesamt 25 Kletterpflanzenarten. Der Haupteinflussfaktor auf das Brandverhalten von Pflanzen ist der Feuchtigkeitsgehalt der Pflanze [7]. Ein Vergleich der Wärmefreisetzungsrate von vitalen Pflanzen (normaler Feuchtigkeitsgehalt) zeigt ein ähnliches Verhalten (Bild 3).

Im Verlauf der Beanspruchung kommt es zu kurzen Spitzen der Wärmefreisetzungsrate. Diese Spitzen sind die aus vorherigen Untersuchungen bekannten so genannten „Strohfeuer“. Sie entstehen, wenn Teile der Pflanzen durch die Brandeinwirkung austrocknen und sich dann schlagartig entzünden. Die Pflanzenart selbst hat keinen signifikanten Einfluss auf das Brandverhalten. Bei allen Versuchen trat mit vitalen, gepflegten Pflanzen eine horizontale Brandausbreitung in nur sehr geringem Umfang und nach Abschalten des Brenners ein Selbstverlöschen auf. Auch ein direkter Vergleich zwischen jungen und alten Pflanzen sowie der Vergleich des jahreszeitlichen Einflusses zwischen Sommer und Winter ergab keinen signifikanten Unterschied bei vitalen, gepflegten Pflanzen [7].
Ein entscheidender Unterschied zeigte sich bei getrockneten Pflanzen. Hier ließ sich zu Beginn eine abrupte Wärmefreisetzung beobachten. Abgestorbene Pflanzen sowie ungepflegte Pflanzen mit einem hohen Anteil an Totholz stellen folglich den kritischsten Fall dar. Bild 4 stellt die Wärmefreisetzungsrate eines 42 Tage getrockneten, eines vitalen jungen und eines vitalen alten Efeus (Hedera helix) im Vergleich zu einer neun Millimeter Spanplatte und einer 13 Millimeter dicken Sperrholzplatte dar [7].

Pflege und Wartung einer begrünten Fassade sind daher der wichtigste Faktor für die Aufrechterhaltung der Brandsicherheit. Totholz in Form von abgestorbenem Laub, Ästen oder Vogelnestern ist regelmäßig zu entfernen. Außerdem ist stetig zu prüfen, ob die Pflanzen noch vital sind und einen normalen Feuchtigkeitsgehalt aufweisen. Zusätzlich sind die Pflanzen regelmäßig zurückzuschneiden. Unkontrolliertes Wachstum kann zu viel Totholz führen – vor allem bei lichtfliehenden Pflanzen [7].
Abschließende Großbrandversuche
Die abschließenden Großbrandversuche dienen zum Beleg der innerhalb des Forschungsvorhabens FireSafeGreen [10] gewonnenen Erkenntnisse und als Grundlage zum Nachweis der brandschutztechnischen Schutzziele.
Der Schwerpunkt der Untersuchung lag auf der Bewertung der Brandausbreitung über die Fassadenbegrünung unter einer repräsentativen Brandeinwirkung. Darüber hinaus wurde untersucht, welchen Einfluss ein kurzzeitiger Wärmestrom auf die Außenwand, Fenster, Balkone, Dachüberstände und die dahinterliegenden Bereiche hat und welches Risiko damit verbunden ist.
Besonderes Augenmerk lag auf dem Einfluss von lebenden und abgestorbenen (trockenen) Pflanzen auf die Brandausbreitung und das Brandverhalten an der Fassade. Eine konkrete Frage ist zum Beispiel, ob der Wärmestrom einer trockenen grünen Fassade (worst case) ausreicht, um bei offenstehendem Fenster, die Einrichtung direkt an der Öffnung innerhalb der Nutzungseinheit zu entzünden. Darüber hinaus soll insbesondere die vertikale Brandausbreitung genauer bewertet werden.

Für die Versuche wurden insgesamt acht Brandversuche in drei unterschiedlichen Versuchsreihen durchgeführt. Diese drei Versuchsreihen umfassten eine flächige Anordnung vor einer Außenwand, eine Anordnung mit Balkonen mit flächiger zentraler Brandeinwirkung sowie eine Anordnung mit Balkonen und einer Brandeinwirkung im Inneneck. Für jede Versuchsreihe wurde ein Referenzversuch ohne Begrünung (Pflanzen) durchgeführt, um den Einfluss der Begrünung genauer zu quantifizieren und die Ergebnisse zu validieren. In den Versuchsreihen wurde zusätzlich jeweils ein Versuch mit vitaler und einer mit getrockneter (toter) Begrünung durchgeführt, vergleiche Bild 6 und Tabelle.

Als Begrünungen wurden am Rankgitter des Versuchsaufbaus Hedera helix mit einer Pflanzendichte (vital) von etwa 1,85 Kilogramm pro Quadratmeter (Bild 6 links) und Euonymus fortunei mit einer Pflanzendichte (vital) von etwa 2,55 Kilogramm pro Quadratmeter (Bild 6 rechts) angeordnet.
Bild 6 zeigt den flächigen Versuch mit vitaler Begrünung (V1), den flächigen Versuch mit getrockneter (toter) Begrünung (V2) und den Balkonversuch mit Brandeinwirkung in der Ecke mit vitaler Begrünung (V4).
Bei den Brandversuchen mit Pflanzen, unabhängig von der Pflanzenart (Hedera helix beziehungsweise Euonymus fortunei) und deren Feuchtegehalt, kam es zu einer vertikalen Brandausbreitung in Form von „Strohfeuern“. Dabei beeinflusste der Feuchtegehalt deren Intensität wesentlich. Die Beobachtungen von [7] konnten somit auch im großmaßstäblichen Versuch bestätigt werden.

Bei vitaler Begrünung direkt vor einer Außenwand konnte ein Abbrand der begrünten Fassade im Verhältnis des etwa 2,5-fachen der eigentlichen Primärflamme (Holzkrippen) festgestellt werden. Bei einer offenen Anordnung vor einem Balkon (Außenwand weiter entfernt) betrug der Faktor etwa 1,5. Generell konnte ein Selbstverlöschen der Begrünung beobachtet werden. Die detaillierte Versuchsauswertung ist zum aktuellen Zeitpunkt noch in Bearbeitung und kann im Anschluss [16] entnommen werden.
Zusammenfassung und Ausblick
Für die brandschutztechnische Bewertung von begrünten Fassaden gibt es aktuell nur wenige Bewertungsgrundlagen. Mittelmaßstäbliche Brandversuche im Rahmen des Forschungsvorhabens FireSafeGreen [10] zeigten: Haupteinflussfaktor auf das Brandverhalten von Pflanzen ist der Feuchtigkeitsgehalt. Die Pflanzenart selbst spielt eine untergeordnete Rolle in Bezug auf das Brandverhalten und ist nach diesen Erkenntnissen – zumindest für die untersuchten Varianten – zu vernachlässigen. Auch der direkte Vergleich von jungen und alten Pflanzen sowie der Vergleich eines jahreszeitlichen Einflusses von Sommer und Winter zeigte keinen signifikanten Unterschied bei vitalen, gepflegten Pflanzen. Im Verlauf von Bränden an begrünten Fassaden kommt es zu kurzen Wärmefreisetzungsspitzen. Diese Spitzen werden als „Strohfeuer“ bezeichnet. Sie entstehen, wenn Teile der Pflanzen durch die Brandeinwirkung austrocknen und sich dann schlagartig entzünden. Bei vitalen, gepflegten Pflanzen tritt eine horizontale Brandausbreitung nur in sehr geringem Umfang auf. Weiter verhalten sich vitale begrünte Fassaden nach Ende der Primärbrandeinwirkung selbstverlöschend [6], [7], [12].
Für eine Kombination aus Holz- und begrünter Fassade lässt sich festhalten, dass ein Abbrand der Begrünung nicht zu einer Entzündung der dahinterliegenden Holzfassade führt. Vorrausetzung ist ein Mindestabstand von 110 Millimetern zwischen Rankgitter und Holzschalung und eine regelmäßige Pflege der Begrünung [6].
Im nächsten Schritt gilt es, die Definition der angemessenen Pflege und Wartung für brandsichere begrünte Fassade tiefergehend auszuarbeiten. Zu klären ist, welche Intervalle notwendig und wann die unterschiedlichen Pflegemaßnahmen erforderlich sind. ⟵
Förderhinweis:
Dieses Projekt wird gefördert vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Auftrag des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen aus Mitteln der Zukunft Bau Forschungsförderung.
Literaturhinweise
[1] Alexandri, E.; Jones, P. (2008): Temperature decreases in an urban canyon due to green walls and green roofs in diverse climates. In: Building and Environment 43:480–493. https://doi.org/10.1016/j.buildenv.2006.10.055
[2] Perini, K.; Ottelé, M.; et al. (2011): Vertical greening systems and the effect on air flow and temperature on the building envelope. In: Building and Environment 46:2287–2294. https://doi.org/10.1016/j.buildenv.2011.05.009
[3] Köhler, M.; Ansel, W. (2012): Handbuch Bauwerksbegrünung. Planung - Konstruktion – Ausführung. Köln: Rudolf Müller
[4] Mahabadi, M.; Althaus, C.; et al. (2018): Fassadenbegrünungsrichtlinien - Richtlinien für die Planung, Bau und Instandhaltung von Fassadenbegrünungen. Hg. v. Forschungsgesellschaft Landschaftsentwicklung Landschaftsbau e. V. - FLL
[5] Pfoser, N. (2018): Vertikale Begrünung. Bauweisen und Planungsgrundlagen zur Begrünung von Wänden und Fassaden mit oder ohne natürlichen Boden-/Bodenwasseranschluss. Stuttgart (Hohenheim): Ulmer (Fachbibliothek grün)
[6] Engel, T. (2023): Brandschutz für biogene Fassaden, Dissertation, TU München https://mediatum.ub.tum.de/?id=1715368
[7] Engel, T.; Werther, N. (2024): Fire Safety for Green Façades: Part 1: Basics, State-of-the-Art Research and Experimental Investigation of Plant Flammability. Fire Technology https://doi.org/10.1007/s10694-024-01566-0
[8] ÖNORM B 3800-5:2013: Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen - Teil 5: Brandverhalten von Fassaden
[9] DIN 4102-20:2017-10: Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen - Teil 20: Ergänzender Nachweis für die Beurteilung des Brandverhaltens von Außenwandbekleidungen
[10] Forschungsvorhaben FireSafeGreen, Homepage http://www.firesafegreen.de
[11] EN 13823:2020-09: Prüfungen zum Brandverhalten von Bauprodukten – Thermische Beanspruchung durch einen einzelnen brennenden Gegenstand für Bauprodukte mit Ausnahme von Bodenbelägen
[12] Engel, T. (2023): Brandverhalten von Grünfassaden. OIB aktuell – Das Fachmagazin für Baurecht und Technik, Heft 2.2023 – Herausgeber: Österreichisches Institut für Bautechnik, S. 14-18
[13] MHolzBauRL, vom Oktober 2020 (21. 06. 2021): Muster-Richtlinie über brandschutztechnische Anforderungen an Bauteile und Außenwandbekleidungen in Holzbauweise
[14 ] Engel, T., Werther, N. (2023): Structural Means for Fire-Safe Wooden Façade Design. Fire Technology 59:117–151. https://doi.org/10.1007/s10694-021-01174-2
[15] Kahler, J. (2024): Untersuchung der brandschutztechnischen Anwendbarkeit von begrünten Fassaden an mehrgeschossigen Gebäuden bis zur Hochhausgrenze
[16] Engel, T. (2024): Fire Safety for Green Façades: Part 2: Full-Scale Façade Fire Tests and Means for Fire-Safe Green Façade Design for Climbing Plants on Trellises. Fire Technology [Manuscript in preparation]
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