Wasserqualität an Sicherheitsnotduschen
Einen kurzen Moment nicht aufgepasst, weil das Handy klingelt, oder ein Eintreten unglücklicher Umstände und die Säure ergießt sich aus dem geöffneten Behälter über den Unterarm: Gut, wenn in einem solchen Notfall eine Notdusche erreichbar ist. Gefahrenbereiche, in denen Unfälle durch Feuer oder den Kontakt mit Säuren, Laugen und Lösemitteln sowie anderen Chemikalien drohen, finden sich häufig in Laboren und Produktionsstätten. Weitere sind z. B.auch in Schulen oder Universitäten, in Großküchen und auf Schiffen sowie an Arbeitsplätzen anzutreffen, an denen Holz oder Metalle geschliffen, zerspant und lackiert werden oder wo Stäube auftreten können. Hier sind besonders die Augen gefährdet.
Übliche Sicherheitskonzepte gehen davon aus, dass Gefährdungen in Arbeitsstätten bereits durch angemessene bauliche Maßnahmen, die Betriebseinrichtung, die Qualifikation des Personals sowie die Beschaffenheit der Geräte und Apparate weitgehend vermieden werden.
Weil aber in keinem Labor, einer Schule oder an Arbeitsplätzen unvorhergesehene Ereignisse völlig ausgeschlossen werden können und weil es Menschen sind, die hier arbeiten, muss die Gefährdungsbeurteilung immer auch den möglichen Schadenfall bedenken /17/. Hier kommt den technischen Maßnahmen zur Schadensbegrenzung und zur Situationsbeherrschung bei Unfällen eine große Bedeutung zu.
Ein Arbeitgeber ist gesetzlich zur präventiven Schadenabwehr verpflichtet (§ 618BGB) /2/. Auch gemäß Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG § 4) hat der Arbeitgeber die Arbeit jederzeit so zu gestalten, dass eine Gesundheitsgefährdung möglichst vermieden wird /5/. Zu diesem Zweck hat er gemäß den Vorgaben der Arbeitsstätten- und Betriebssicherheitsverordnung sämtliche Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften grundsätzlich so einzurichten und zu unterhalten, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit wie möglich geschützt ist /6, 7/.
Doch auch die beste Technik kann mal versagen, d. h.eine hundertprozentige Ausfallsicherheit von Maschinen und Geräten gibt es nicht. Unfälle mit Verletzungen der Haut oder der Augen geschehen aber oft auch durch Unachtsamkeit und weil Menschen Risiken unterschiedlich wahrnehmen und einschätzen. So werden bekannte Risiken oft als geringere Gefährdung wahrgenommen als spontane oder unfreiwillige.
Als Nothilfeeinrichtungen bei Verbrennungen, Verätzungen oder Verletzungen der Augen werden zum Schutz der Nutzer Körpernot- und Augenduschen vorgesehen. Bei Augenverletzungen kann ausgiebiges Spülen von mindestens 15 Minuten Dauer oft Schlimmeres verhindern. Für eine sofortige Erste Hilfe müssen daher geeignete und funktionstüchtige Sicherheitsnotduschen schnell erreichbar sein. In bestimmten Arbeits- und Betriebsstätten besteht sogar eine Notduschenpflicht, damit sie überhaupt betrieben werden dürfen.
Wenn mit dem Wasser aus einer Sicherheitsnotdusche offene Wunden, geschädigtes Gewebe oder Augen gespült werden sollen, muss das Wasser selbstverständlich eine hohe hygienische Qualität haben. Daher bestehen für Sicherheitsnotduschen mit Anschluss an die Trinkwasserinstallation erhöhte Anforderungen hinsichtlich des benötigten Wasservolumens, der erforderlichen Wasserqualität und der Wassertemperatur – ebenso wie für die Installation, die Positionierung und die Armaturen selbst.
Einsatz und Anwendung von Notduschen
Sicherheitsnotduschen als Nothilfeeinrichtung zum Schutz der Gesundheit sind speziell dazu konstruiert, sofort Wasser zum Löschen von Flammen auf Kleidung und Haut zu liefern. Sie sollen Fremdkörper aus Augen ausspülen oder gefährliche Kontaminationen der Haut oder des Körpers unverzüglich ausreichend abwaschen bzw. verdünnen, um Gesundheitsschäden zu vermeiden oder mindestens zu verringern.
Hinsichtlich der notwendigen Versorgung mit Wasser in ausreichender Menge und Qualität können zwei Arten von Sicherheitsnotduschen unterschieden werden:
- Sicherheitsnotduschen, die über einen Speichertank verfügen und aus der Trinkwasserinstallation oder mit keimarmem Wasser befüllt werden und
- Sicherheitsnotduschen, die fest an die Trinkwasserinstallation angeschlossen sind.
Der Begriff „Trinkwasserinstallation“ meint dabei i.S.v. § 2TrinkwV sämtliche Trinkwasserleitungen, Trinkwasserspeicher, Apparate und Armaturen, die sich zwischen der Übergabestelle (meist der Hausanschluss) und den Entnahmestellen von Trinkwasser befinden /4/. Sofern leitungsgebundene Körpernot- oder Augenduschen zur dauerhaften Versorgung mit der Trinkwasserinstallation verbunden sind, muss es sich hier zwingend um Trinkwasserentnahmestellen handeln. An der Notdusche müssen also mindestens alle Qualitätsanforderungen an Trinkwasser gemäß TrinkwV ständig eingehalten sein (Stelle der Einhaltung gemäß § 10TrinkwV).
Fest an die Trinkwasserinstallation angeschlossene Sicherheitsnotduschen als Nothilfeeinrichtungen sind damit integraler Bestandteil der Gebäudewasserversorgungsanlage und unterliegen entsprechend auch sämtlichen formalen und öffentlich-rechtlichen Anforderungen der Trinkwasserverordnung.
Anforderungen an die Wasserqualität
Das Bundesamt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA) verlangt, dass eine Gefährdung der menschlichen Gesundheit durch die Übertragung von Krankheitserregern durch die Verwendung von hygienisch einwandfreiem Wasser gemäß den Anforderungen der Trinkwasserverordnung auszuschließen ist. Für die Körperhygiene in Arbeitsstätten muss also Wasser mit Trinkwasserqualität verwendet werden und alle Entnahmestellen müssen zudem regelmäßig genutzt werden, um Keimbildung in der Wasserleitung zu vermeiden /20/.
Nicht nur der Arbeitsschutz legt damit Anforderungen an die Wasserqualität fest. Wasser für den menschlichen Gebrauch muss auch bei der Verwendung in Nothilfeeinrichtungen (Duschen von Körper oder Augen) nach § 37 Infektionsschutzgesetz (IfSG) generell so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen ist /3/. Die Besorgnis einer Gesundheitsgefährdung liegt nur dann nicht vor, wenn in der gesamten Prozesskette von der Quelle, über den Wasserversorger, die Trinkwasserinstallation bis zur Entnahmestelle mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T.) eingehalten werden /4/.
Eine Schädigung der menschlichen Gesundheit ist nach diesem Grundsatz nur dann nicht zu besorgen, wenn dafür nach menschlicher Erfahrung keine, auch noch so geringe Wahrscheinlichkeit besteht. Durch diesen Präventionsgedanken soll gerade auch abstrakten Gefahren vorgebeugt werden, die vielleicht nicht üblich, aber dennoch denkbar wären. Vorsorgliche Maßnahmen, um eine nachteilige Veränderung der Trinkwasserqualität zu vermeiden, sind deshalb auch kontinuierlich oder schon in einem sehr frühen Verdachtsstadium zu ergreifen (bestimmungsgemäßer Betrieb mit Probenahme und Instandhaltung).
Besonders wenn im Havariefall ein Körper oder Körperteil bei einem Brand, nach dem Kontakt mit gesundheitsgefährlichen Substanzen oder nach Verbrennungen abgeduscht werden muss, ist es unabdingbar, dass dies auch bei sofort anschließender medizinischer Versorgung mit einwandfreier Trinkwasserqualität erfolgen kann. Andernfalls kann geschädigtes Gewebe als primär-steriler Bereich ansonsten von pathogenen Bakterien aus dem verunreinigten Wasser kolonisiert werden. Das kann wiederum zusätzlich zu den eigentlichen Unfallschäden schwere Infektionen nach sich ziehen. Zur Kühlung von Verbrennungswunden verwendet man daher in der medizinischen Versorgung keimarmes Wasser.
Infektionen durch kontaminiertes Wasser
Eine invasive Infektion tritt auf, sobald die Bakterien in funktionsfähiges Gewebe eindringen und dieses besiedeln. Schwere Brandverletzungen verursachen zudem einen Zustand der Immunsuppression, der die angeborenen und erworbenen Immunantworten beeinflusst. Insbesondere im Wundmanagement ist Pseudomonas aeruginosa in diesem Zusammenhang als Gesundheitsgefährdung erkannt worden.
Nach der TRGS 526 „Laboratorien“ wird daher gefordert, dass in Laboratorien mit Wasser von Trinkwasserqualität gespeiste Augennotduschen so installiert sein müssen, dass diese von jedem Arbeitsplatz aus erreichbar sind /10/. Technische Richtlinien für Gefahrstoffe (TRGS) werden vom Ausschuss für Gefahrstoffe (AGS) aufgestellt und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bekannt gegeben. Körpernotduschen mit Wasseranschluss sind für die Installation nahe bei potenziell gefährlichen Arbeitsbereichen vorgesehen, damit bei einem Unfall der Körper sofort geduscht werden kann.
Für Trinkwasser gibt nichts „Ähnliches“
Öffentlich-rechtlich ist nach TrinkwV die Definition von „Trinkwasser“ aber auch grundsätzlich zweckgebunden. Abweichend von informativen und unverbindlichen Angaben zu Qualitätsanforderungen an Wasser aus Nothilfeeinrichtungen in Hersteller- oder Produktnormen ist Trinkwasser gem. § 2TrinkwV grundsätzlich u. a.alles Wasser, das zur Körperpflege und Reinigung sowie zu sonstigen in Bezug auf die menschliche Gesundheit relevanten Zwecken bestimmt ist /4/.
Damit sind automatisch auch die Qualitätsanforderungen an Wasser in Nothilfeeinrichtungen klar geregelt, denn welche Anwendung könnte noch größere Relevanz für die menschliche Gesundheit haben!? Das informative Beiblatt 1 zur Produktnorm DIN EN 15154, in dem ausgesagt wird, dass „Wasser von ähnlicher Qualität“ ausreichend wäre /14/, generiert dagegen keine normativen Anforderungen und besitzt weder Relevanz noch Verbindlichkeit im Sinne von allgemein anerkannten Regeln der Technik.
Konstruktive Anforderungen an Sicherheitsnotduschen
Nach §§ 5, 13 Trinkwasserverordnung sind Wasserversorgungsanlagen – auch in Schulen, Laboren und Produktionsstätten – in ihrer Gesamtheit so zu planen und zu errichten, dass sie jederzeit mindestens den a.a.R.d.T. entsprechen. Die erforderliche Wasserqualität darf von Werkstoffen für Notduschen nicht beeinflusst werden. Nach § 13TrinkwV ist der Betreiber dafür verantwortlich und hat sicherzustellen, dass bei Errichtung und Instandhaltung seiner Installation nur geeignete Produkte oder Bauteile aus Werkstoffen bzw. Materialien verwendet werden, die den allgemeinen Anforderungen und ggf. den Bewertungsgrundlagen des Umweltbundesamts entsprechen /4/.
Die verwendeten Werkstoffe und Materialien von Bauteilen und Produkten
- dürfen den vorgesehenen Schutz der menschlichen Gesundheit nicht mindern,
- dürfen die Färbung, den Geruch oder den Geschmack des Wassers nicht beeinträchtigen,
- dürfen keine Vermehrung von Mikroorganismen fördern oder
- Stoffe in größeren Mengen in das Wasser abgeben, als nach den a.a.R.d.T. unvermeidbar ist /4/.
Für Funktion und Leistung von leitungsgebundenen Sicherheitsnotduschen als Einrichtungen zum Gesundheitsschutz gelten ebenfalls besonders hohe Anforderungen: Es kommen nur spezielle Einrichtungen in Frage, die insgesamt die konstruktiven Mindestanforderungen der DIN EN 15154 erfüllen. Handelsübliche Duschen für Bad und WC, Handbrausen oder Entnahmearmaturen sind als Nothilfeeinrichtungen genauso wenig geeignet, wie selbst konstruierte Lösungen, bei denen nur einzelne Komponenten den Anforderungen der Produktnorm angepasst wurden /16/.
Vorhandene Sicherheitsnotduschen sollten zudem regelmäßig inspiziert und insbesondere gereinigt werden. Die Austrittsöffnungen müssen dazu vor Luftverunreinigungen geschützt sein, dieser Schutz muss aber im Bedarfsfall schnell zu entfernen sein /10/. Zudem sollten Handbrausen aus hygienischen Gründen auch nie an einen Brauseschlauch mit einer Länge montiert werden, die das Ablegen der Brause auf dem Boden und damit auch Verunreinigungen zulässt.
Einregulierung von Notduschen
Körpernotduschen sollen alle Körperzonen sofort mit ausreichenden Wassermengen überfluten können. Hierfür sind z. B.in Laboratorien nach TRGS 526 mindestens 30 l/min (0,5 l/s) für mindestens 15 min erforderlich. Augenduschen sollen beide Augen sofort mit ausreichenden Wassermengen spülen können. An jeder Auslassöffnung der Augendusche müssen min. 6 l/min austreten. Die Fließgeschwindigkeit muss jedoch niedrig sein, damit die Person nicht verletzt wird. Besonders wichtig ist, dass der Spülstrahl konstant und unabhängig vom Leitungsdruck fließt und erst in einer Höhe von 10 bis 30 cm umkippt, damit die Augen optimal abgespült werden können /10/.
Kommt es zu Druckverlusten im System, etwa durch große Entnahmen, sinkt auch der Fließdruck an der Sicherheitsnotdusche. Damit besteht die Gefahr, dass die Strahlhöhe oder der Volumenstrom an Notfalleinrichtungen im Havariefall nicht ausreicht. Kommt es andererseits während der Nutzung insbesondere von Augenduschen zu Druckschlägen im System, z. B.durch schnell schließende Magnetventile oder schlagartiges Schließen von Kugelhähnen und Einhebelmischern, würde der Sprühstrahl kurzfristig mit hohem Druck aus der Augendusche austreten und damit eventuell sogar zu weiteren Schädigungen des verletzten Auges führen.
Geeignete Druckminderer in der Zuleitung zur Sicherheitsnotdusche, die den Ausgangsdruck an der Dusch konstant halten und Druckschläge kompensieren können, sollten daher entsprechend dem Strahlbild und der benötigten Wassermenge eingestellt werden.
Kugelhähne, die zur manuellen Drosselung teilweise geschlossen werden, sind hierfür nicht geeignet, da eine Überschreitung des vorgesehenen Drucks nicht kompensiert werden kann. Eine solche „Voreinstellung“ über zweckentfremdete Absperrorgane führt bei dynamischen Druckänderungen im hydraulischen System (Druckschwankungen) dazu, dass auch der verfügbare Druck bzw. die Wassermenge und die Strahlhöhe an der Notfalleinrichtung variiert.
An die Trinkwasserinstallation angebundene Sicherheitsnotduschen müssen auch in Stresssituationen, wie im Havarie- und Verletzungsfall, durch den Verletzten ohne Nachdenken bedient werden können. Die Konstruktion von Notduschen in einem Gebäude sollte daher in Anzahl und Position von Bedienhebeln nicht variieren, so dass eine intuitive Bedienung durch die Beschäftigten gewährleistet ist.
Ist eine zweifelsfreie, spontane Bedienung nicht sichergestellt, die Möglichkeit der Verwechslung von Stellventilen zur Aktivierung von Augen-, Körper- oder Handbrausen gegeben oder eine Erreichbarkeit nicht sicher gewährleistet, kann die Notfalleinrichtung ihre Funktion ggf. nicht oder nicht ausreichend schnell erfüllen. Vermeidbare Verletzungsfolgen beim Betroffenen durch eine verzögerte Auslösung der Duschen können dann nicht ausgeschlossen werden.
An allen Sicherheitsnotduschen muss das Stellteil des schnell öffnenden Ventils also leicht erreichbar und verwechslungssicher angebracht sein. Die Öffnungsrichtung muss eindeutig erkennbar sein und das Ventil darf, einmal geöffnet, nicht selbsttätig schließen.
Nutzung von Trinkwasserentnahmestellen als Nothilfeeinrichtungen
Von einer Trinkwasserinstallation darf gemäß VDI 6023 Blatt 3 keine denkbare Gefährdung ausgehen (Besorgnisgrundsatz i.S.v. § 37IfSG). Die Installation insgesamt muss dazu funktionsfähig sein (Transportfunktion, Druck, Volumenstrom, Dichtheit und Temperaturhaltung bei dauerhafter Einhaltung der Hygiene-Anforderungen) bzw. jede Entnahmestelle muss die ihr zugedachte Funktion sicher erfüllen können /12/. Damit dürfen von Entnahmestellen auch keine unzulässigen mikrobiologischen, chemischen oder organoleptischen Belastungen ausgehen, was speziell für Notfalleinrichtungen von besonderer Bedeutung ist.
Der Arbeitgeber hat nach TRGS 526 dafür zu sorgen, dass Körper- und Augennotduschen mindestens einmal monatlich durch eine von ihm beauftragte Person auf Funktionsfähigkeit geprüft werden /10/. Hier handelt es sich jedoch zunächst um eine rein funktionale Prüfung der Sicherheit aus dem Arbeitsschutz. Die ausreichende Nutzung im Rahmen des bestimmungsgemäßen Betriebs der Trinkwasserinstallation, einschließlich des vollständigen Wasseraustauschs durch Entnahme (bis zum Erreichen der Temperaturkonstanz) an jeder Zapfstelle spätestens alle 72 Stunden und kontinuierlicher Instandhaltung, bleibt davon unberührt. Diese regelmäßige Nutzung ist trotzdem eine grundlegende Betreiberpflicht mit dem Zweck, nachteilige Veränderungen der Trinkwasserqualität und damit Gefährdungen für die Nutzer auszuschließen.
Werden Entnahmestellen nicht oder nicht wie bei der Planung zu Grunde gelegt betrieben, kann es zur Stagnation in der Zuleitung kommen (mit z. B. Temperaturangleichung, Wachstum von Mikroorganismen, Bildung von Ablagerungen, Schwermetallaufnahme, Korrosionsvorgänge, …), sowohl in der nicht genutzten Einzelanschlussleitung als auch in einer entsprechend unzureichend durchströmten Steig- oder Verteilleitung.
Die Technischen Regeln für Arbeitsstätten (ASR) V3 definieren u. a. auch Legionellen in Trinkwasserinstallationen bei Aerosolbildung, z. B.an (Not-)Duschen, als biologische Arbeitsstoffe /8/. Pseudomonas aeruginosa und Legionella spec. (insbesondere Legionella pneumophila und Legionella anisa) werden nach den technischen Richtlinien für biologische Arbeitsstoffe TRBA 466 in die Risikogruppe 2 eingestuft. Das heißt, sie können eine Krankheit beim Menschen hervorrufen und stellen eine erhebliche Gefährdung für Beschäftige dar, die in der Gefährdungsbeurteilung einer Arbeitsstätte berücksichtigt werden muss /9/.
Ein Arbeitgeber hat die Arbeitsstätte schließlich auch gem. § 4ArbStättV instand zu halten und dafür zu sorgen, dass festgestellte Mängel unverzüglich beseitigt werden. Insbesondere an sicherheitstechnischen Einrichtungen dürfen keine Mängel vorhanden sein. Können Mängel, mit denen eine unmittelbare Gefährdung verbunden ist (z. B.Legionellenkontamination durch Erwärmung des Kaltwassers und Stagnation), nicht sofort beseitigt werden, hat er dafür zu sorgen, dass die gefährdeten Beschäftigten alle Tätigkeiten, bei denen hierdurch ein Risiko entsteht, unverzüglich einstellen /6/. Eine Legionellenkontamination aufgrund von unzureichender Nutzung wäre also so eine unmittelbare Gefährdung für die Mitarbeitenden.
Wenn aber der Gebrauch von Sicherheitsnotduschen bei einer festgestellten Legionellenkontamination nicht mehr möglich ist, weil vielleicht bei einem Betrieb mit endständigen Filtern der erforderliche Volumenstrom reduziert wird, kann das für den Weiterbetrieb der Arbeitsstätte schwerwiegende Folgen haben, insbesondere, wenn z. B.eine Notduschenpflicht nach TRGS 526 besteht.
Eine Temperierung des Wassers auf Werte oberhalb der Raumtemperatur ist wegen der Gefahr der Verkeimung auch generell nicht geeignet; Temperaturen über 37 °C haben sich sogar als schädlich für die Augen erwiesen /18/. Bei der Installation von Notduschen ist daher darauf zu achten, dass Wasser nach Möglichkeit nicht längere Zeit in den Einzelanschlussleitungen stagniert und sich auch nicht durch Wärmeeinwirkung von außen über Raumtemperatur erwärmen kann.
Normgerechte Auslegung von Trinkwasserinstallationen
Trinkwasserinstallationen müssen nach VDI 6023 Blatt 1 ohnehin so geplant und gebaut werden, dass sie von Wärmequellen thermisch entkoppelt sind. Wärmeübergänge auf das Kaltwasser sind durch die Rohrleitungsführung zu minimieren. Dazu dienen beispielsweise getrennte Schächte „kalt“ und „warm“, eine ausreichende Dämmung gegen Wärmeaufnahme, die Installation von „warmen“ Leitungen oberhalb von „kalten“ usw. /11/. Wenn sich Kaltwasser durch Umgebungstemperatur oder durch danebenliegende, warmgehende Leitungen (PWH, Heizung) erwärmt, besteht auch in Zuleitungen zu Notduschen das Risiko einer Vermehrung von pathogenen Keimen, wie Legionellen oder Pseudomonaden.
Eine Trinkwasserinstallation ist zur Vermeidung von Stagnation bzw. aus hygienischen Gründen gem. VDI 6023 Blatt 1 grundsätzlich so klein wie möglich und nur so groß wie nötig zu dimensionieren /11/. Insbesondere in oft großvolumigen Leitungen zur Versorgung von Körpernot- und Augenduschen ist aufgrund fehlender regelmäßiger Nutzung mit Stagnationsbedingungen und damit einhergehend mit Korrosion, Ablagerungen und weiteren nachteiligen Veränderungen der Trinkwasserqualität zu rechnen. Es empfiehlt sich daher, die Zuleitung zu Notduschen auf dem Weg zu häufig genutzten Entnahmestellen einzuschleifen, ähnlich wie es auch für Außenzapfstellen mittlerweile gängige Praxis ist.
Die Zuleitungen zu Sicherheitsnotduschen sollten zur Vermeidung von Stagnation aus hygienischen Gründen (unabhängig von einer monatlichen Funktionsprüfung) im Optimalfall täglich, mindestens aber alle 72 Stunden bzw. unter hygienisch einwandfreien Bedingungen wöchentlich gespült werden. Kommt es in den Zuleitungen zu Sicherheitsnotduschen aufgrund von äußeren Wärmelasten und/oder Stagnationsbedingungen zu einer Erwärmung des Trinkwassers, ist eine mikrobiologische Verkeimung des Wassers in den Leitungen zu besorgen. Mikrobiologisch belastetes Wasser kann im Verletzungsfall bei Eindringen in offene Wunden oder auf geschädigte Haut zu erheblichen Verletzungsfolgen führen.
Keine Trennung der Installation
Trinkwasser ist nach der Information 213-850 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) auch in Fließrichtung hinter einer Sicherungseinrichtung zur Speisung von Notduschen zulässig, da eine geeignete Sicherungsarmatur an sich die Trinkwasserqualität noch nicht verändert /13/. DGUV-Informationen sind jedoch nicht rechtsverbindlich /19/.
Um die teils erheblichen, jedoch unabdingbaren Anforderungen und, insbesondere bei Instandhaltungen bestehender Anlagen, oft wesentlichen Aufwendungen für eine ordnungsgemäße Umrüstung und technische Ertüchtigung von Anschlüssen für Notduschen zu umgehen, trennen manche Betreiber die Leitungen für Sicherheitsnotduschen z. B.über System- oder Rohrtrenner von der Trinkwasserinstallation ab. Auf diese Art vorzugehen, allein um wesentliche bauliche oder organisatorische Anforderungen an die Trinkwasserqualität nicht erfüllen zu müssen, steht im direkten Widerspruch zu den gesetzlichen Anforderungen zum Schutz der Gesundheit der Nutzenden nach ArbSchG mit ArbStättV und IfSG mit TrinkwV.
Die TrinkwV gilt nicht mehr für so genannte Nichttrinkwasseranlagen, also für Wasser, das sich in Fließrichtung hinter einer notwendigen Sicherungseinrichtung befindet /4/. Die Qualitätsanforderungen an Wasser aus Notduschen nach z. B.TRGS 526 werden hierdurch jedoch keinesfalls herabgesetzt und eine Sicherungseinrichtung ist bei Einhaltung der erforderlichen Wasserqualität auch nicht notwendig.
Wenn eine gemeinsame Sicherung (Sammelsicherung) für mehrere Entnahmestellen und Apparate in einer Trinkwasserinstallation geplant ist, so sind nach DIN EN 1717 die Sicherungsmaßnahmen gegen das jeweils höchste vorkommende Risiko in der ungünstigsten Flüssigkeitskategorie für alle angeschlossenen Installationsteile anzusetzen /15/. Im Falle einer Sammelsicherung mittels Rohr- oder Systemtrenner besteht die Gefahr, dass das Trinkwasser hinter der Sammelsicherung durch hydraulische Vermischung aus anderen angeschlossenen Apparaten verunreinigt sein könnte. Hinter einer Sammelsicherung ist daher die erforderliche Trinkwasserqualität nicht mehr garantiert.
Wenn eine Sicherungseinrichtung zum Schutz des Trinkwassers notwendig und verwendet wird, muss sich also aus dem angeschlossenen System eine Gefährdung oder zumindest eine nachteilige Veränderung der Trinkwasserqualität ergeben. Wasser oder Flüssigkeiten, die durch Stagnation, ungeeignete Werkstoffe oder unzulässige Erwärmung zu einer nachteiligen (chemischen oder mikrobiologischen) Veränderung der Trinkwasserqualität führen können, wären aber auch für die Verwendung in Nothilfeeinrichtungen grundsätzlich nicht geeignet.
Fazit
Hauptzweck von Notduschen mit Anschluss an die Trinkwasserinstallation ist es, sofort eine ausreichende Menge Trinkwasser zu liefern, so dass ein Körper bei einem Brand oder nach dem Kontakt mit gesundheitsgefährdenden Substanzen oder nach Verbrennungen geduscht werden kann. Körpernot- und Augenduschen sind damit als Entnahmestellen für Trinkwasser nach § 10TrinkwV unverzichtbare Nothilfeeinrichtungen und unterliegen sämtlichen hygienischen Anforderungen. Verunreinigtes oder kontaminiertes Wasser kann auch bei zeitnaher medizinischer Versorgung zu schweren Infektionen führen.
Planern und Installateuren im SHK-Bereich kommt hier eine besondere Verantwortung zu, da sie die wesentlichen rechtlichen und hygienischen Anforderungen kennen und beachten müssen, damit im Notfall aus Sicherheitsnotduschen auch jederzeit einwandfreie Wasserqualität entnommen werden kann.
Aussagen der europäischen Produktnorm DIN EN 15154, dass an der Entnahmestelle „Wasser mit ähnlicher Qualität“ wie Trinkwasser ausreichend wäre /14/, dienen dagegen nicht dem Gesundheitsschutz der Nutzer und sind aus rechtlicher Sicht nicht haltbar. Nutzern wäre es auch nur schwer verständlich zu machen, dass an einem T-Stück nach rechts einwandfreies Trinkwasser zur Kaffeeküche fließt, nach links aber nur „Wasser ähnlicher Qualität“ zur Versorgung wesentlicher Nothilfeeinrichtungen, die bei einem Unfall sofortigen Gesundheitsschutz gewährleisten sollen.
In einem an die Trinkwasserinstallation angeschlossenen System, das nach den a.a.R.d.T. nicht Teil der Trinkwasserinstallation ist und das als Nichttrinkwasseranlage mit einer geeigneten Sicherungseinrichtung versehen werden muss, kann auch die erforderliche Wasserqualität zum Betrieb von Sicherheitsnotduschen nicht gewährleistet werden.
Sicherheitsnotduschen und deren Leitungssysteme sind also als Teil der Trinkwasserinstallation mindestens nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik zu planen, zu installieren und insbesondere auch zu betreiben, da nach Art. 2 GG jeder Mensch das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit hat /1/. Insbesondere bei Planung, Installation und Betrieb von Sicherheitsnotduschen, sollte sich also niemand „die Finger verbrennen“.
Eine Information des DVQST e. V., Höpfingen
Literaturhinweise
/1/ Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 19. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2478) geändert worden ist
/2/ Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Juni 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 212) geändert worden ist
/3/ Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 8v des Gesetzes vom 12. Dezember 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 359) geändert worden ist
/4/ Trinkwasserverordnung vom 20. Juni 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 159, S. 2)
/5/ Arbeitsschutzgesetz vom 7. August 1996 (BGBl. I S. 1246), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 31. Mai 2023 (BGBl. 2023 I Nr. 140) geändert worden ist
/6/ Betriebssicherheitsverordnung vom 3. Februar 2015 (BGBl. I S. 49), die zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 27. Juli 2021 (BGBl. I S. 3146) geändert worden ist
/7/ Arbeitsstättenverordnung vom 12. August 2004 (BGBl. I S. 2179), die zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 27. März 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 109) geändert worden ist
/8/ ASR V3 – Technische Regeln für Arbeitsstätten Gefährdungsbeurteilung; 07-2017
/9/ TRBA 466 – Technische Regeln für Biologische Arbeitsstoffe, Einstufung von Prokaryonten (Bacteria und Archaea) in Risikogruppen; Ausgabe 2015 GMBl. 2015, Nr. 46-50 vom 25. 8. 2015, Stand 9. Änderung vom 21. 12. 2020, GMBl. Nr. 51
/10/ TRGS 526 – Technische Regeln für Gefahrstoffe, Laboratorien; 02-2008
/11/ VDI 6023 Blatt 1: Hygiene in Trinkwasserinstallationen, Anforderungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung
/12/ VDI 3810 Blatt 2/VDI 6023 Blatt 3: Hygiene in Trinkwasserinstallationen, Betrieb und Instandhaltung; 05-2020
/13/ DGUV Information 213-850 – Sicheres Arbeiten in Laboratorien, Grundlagen und Handlungshilfen; 05-2020
/14/ Reihe DIN EN 15154 Sicherheitsnotduschen, Teile 1-6
/15/ DIN EN 1717 Schutz des Trinkwassers vor Verunreinigungen in Trinkwasser-Installationen und allgemeine Anforderungen an Sicherungseinrichtungen zur Verhütung von Trinkwasserverunreinigungen durch Rückfließen; Deutsche Fassung EN 1717:2000; Technische Regel des DVGW; 08-2011
/16/ https://www.sifa-sibe.de/fachbeitraege/archiv-sb/schnelle-hilfe/
/17/ https://www.laborpraxis.vogel.de/sicherheitsnotduschen-in-laboren-was-sie-wissen-sollten-a-784534/
/19/ https://www.sifa-sibe.de/recht/dguv-vorschriften-regeln-informationen-grundsaetze/
/20/ https://www.baua.de/DE/Themen/Arbeitsgestaltung/Arbeitsstaetten/FAQ/FAQ-14.html
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