Projekt LIFE Hamburg

Ein Erfahrungsbericht aus Sicht eines beteiligten TGA-Planers

IPA. Ein Wort mit drei Buchstaben, das für „Integrierte Projekt-Abwicklung“ steht. Was sich dahinter verbirgt, ist eine zumindest in Deutschland noch recht neue Art des Bauens, bei der eine partnerschaftliche Zusammenarbeit kultiviert wird. Für das Planungsteam von ZWP Ingenieure lässt sich die Essenz wie folgt zusammenfassen: „Endlich zusammen mit den ausführenden Firmen an einem Projekt arbeiten und die Knackpunkte auf dem Plan und nicht auf der Baustelle lösen!“

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Mit LIFE Hamburg soll ein Campus für lebenslanges Lernen und generationsübergreifendes Miteinander entstehen, der Menschen dazu befähigt, sich in ihren individuellen Stärken zu entwickeln, um so die eigene und unsere gemeinsame Zukunft bestmöglich zu gestalten. Die Eröffnung ist für 2026 geplant. Bild: Behnisch https://behnisch.com/
Mit LIFE Hamburg soll ein Campus für lebenslanges Lernen und generationsübergreifendes Miteinander entstehen, der Menschen dazu befähigt, sich in ihren individuellen Stärken zu entwickeln, um so die eigene und unsere gemeinsame Zukunft bestmöglich zu gestalten. Die Eröffnung ist für 2026 geplant. Bild: Behnisch https://behnisch.com/

Als TGA-Planer kennt man sich mit dreibuchstabigen Abkürzungen, die für Anlagengruppen, Systeme oder Bauteile stehen, ziemlich gut aus. Die Fülle an Abkürzungen, die im Kontakt mit IPA verwendet werden, hat mich dennoch erstmal umgehauen. Hinter den Abkürzungen eines IPA-Projektes stehen Prozesse, Methoden und Werkzeuge, die es zu lernen gilt. Aber eins nach dem anderen:

Der Bewerbungsprozess

Ende 2020 wurde die ZWP Ingenieur-AG gefragt, ob das Planungsbüro während eines Assessmenttages das Projekt LIFE Hamburg, den Bauherrn, die Methodik der IPA und das mögliche Team der Projektbeteiligten kennenlernen wolle. Mit LIFE Hamburg soll im Stadtteil Bramfeld auf ca.15.000 m² ein Campus für lebenslanges Lernen und generationsübergreifendes Miteinander entstehen, der Menschen dazu befähigt, sich in ihren individuellen Stärken zu entwickeln, um so die eigene und unsere gemeinsame Zukunft bestmöglich zu gestalten. Baulich und gestalterisch kommen ökologisch und sozial nachhaltige Kriterien zum Tragen.

2020 war das erste Coronajahr und es herrschte große Unsicherheit, wie die Baubranche davon beeinflusst werden sollte. Nachdem in der Coronazeit die meisten Vergabeverfahren in die Online-Welt verlegt worden waren, bedeutete eine Präsenzveranstaltung über einen ganzen Tag mit zwei weiteren Kollegen einen hohen Aufwand für eine Projektakquise, zugleich stellte das eine willkommene Abwechslung dar.

Wer die klassischen Verfahren nach Vergabeverordnung kennt, weiß, dass es dabei üblich ist, in maximal 30 Minuten sein Büro, das Planungsteam und seine Kompetenzen vorzustellen, die spezifische Herangehensweise und Strategie zu erläutern und dabei sympathisch und professionell zu wirken. Bei der Teamfindung für Mehrparteienverträge, die in der Integrierten Projektabwicklung angewendet werden, läuft das anders.

Die ZWP-Niederlassung in Hamburg ist bereits beim IPA-Projekt ECE-Kongresshotel HafenCity 2018 in Deutschland mit an den Start gegangen und hat wertvolle Erfahrungen mit dem partnerschaftlichen Planen und Bauen sammeln können. Das Potenzial und die Zukunftsfähigkeit der Integrierten Projektabwicklung hatten unsere Hamburger Kolleginnen und Kollegen bereits mehrfach bei internen Präsentationen darlegen können.

Alle Planungspartner über zwei Tage kennenzulernen und einander sozusagen auf die Probe zu stellen, verdeutlichte beim neuen Projekt LIFE Hamburg einmal mehr, wie wichtig die Teamzusammensetzung ist. Die Baubranche ist im Grunde ein Personengeschäft und oft kleiner als gedacht. Ein funktionierendes Team und eine gute „Chemie“ zwischen den Beteiligten sind wichtige Zutaten für ein erfolgreiches Projekt. Ein sehr gut vorbereiteter Auswahlprozess und die Wertschätzung seitens des Bauherrn gegenüber den zukünftigen potenziellen Partnern waren für mich persönlich zunächst ungewohnt, jedoch sehr beeindruckend und wohltuend. Der Prozess sollte sich gelohnt haben, denn das Team von ZWP Ingenieure AG wurde am Ende dazu eingeladen, mit auf die IPA-Reise zu gehen.

Co-Location online

Das Projekt LIFE Hamburg hat drei Schwerpunkte. Der erste liegt in Hamburg, da hier das Projekt realisiert wird, der Bauherr sitzt und der Projektsteuerer ECE zuhause ist. Der zweite liegt im Süden Deutschlands, hier sind sowohl die ausführenden Firmen (Lindner –Ausbau und TGA-Ausführung; Wiehag – Holz- und Rohbau) als auch Planer (Behnisch–Architekten, ZWP – TGA-Planung und Bauphysik) angesiedelt. Der dritte liegt im digitalen Bereich.

Aufgrund mehrerer Corona-Wellen und der geografischen Distanzen wurde entschieden, keine Co-Location zu mieten, sondern das Projekt größtenteils online zu bearbeiten. Als positiver Nebeneffekt ergab sich damit auch eine sehr geringe CO2-Bilanz.

Wir haben als Projektteam gelernt, dass sehr viel online möglich ist, diese Treffen jedoch das persönliche Miteinander und den direkten Austausch nicht ersetzen können. Die Meetings von Projektmanagementteam (PMT) und Seniormanagementteam (SMT) wurden sowohl online als auch regelmäßig in Persona durchgeführt. Ein Hauch von Co-Location wurde mit regelmäßigen „Tours de Partner“ erreicht, das heißt, mit Zusammenkünften an wechselnden Orten. Die Vor-Ort-Treffen wurden für essenzielle und konstruktive Planungsschritte genutzt. Die Co-Location in Hamburg wird zweiwöchentlich von allen Teammitgliedern genutzt.

Das Projektteam mit allen beteiligten Partnern Bild: https⁣://⁣www⁣.lindner-group⁣.com/de_DE/

IPA-Kickoff

Neben den üblichen Herausforderungen wie Planung, Terminen und Kosten gab es für mich viele neue Arbeitsmethoden, Gremien und Prozessabläufe kennen und anwenden zu lernen. In zahlreichen Workshops und Schulungen wurde das ganze Team in die IPA-Welt eingeführt und mit den Methoden und Werkzeugen vertraut gemacht.

Um nicht in klassischen Mustern oder in Bürodenken zu verharren oder in sie zurückzufallen, wurde das Projektteam regelmäßig durch die IPA-Coaches der Yukon Projects GmbH geschult und gecoacht. Am Anfang war das Coaching sehr intensiv und eng getaktet. Im Laufe der Zeit wurden die Abstände größer. Insgesamt erwiesen sich hier ein bis zwei Monate fortlaufender Termine als ausreichend und sehr wertvoll.

Schwierigkeiten und „lessons learned“ Holzbau

Die Integrierte Projektabwicklung wird oft bei komplizierten und sehr großen Bauvorhaben eingesetzt – nicht zuletzt, um Risiken früh zu entdecken und möglichst zu minimieren. Die Herausforderungen für das neue Projekt in Hamburg liegen im komplexen Holzbau und kniffligen Details, die ohne die ausführenden Firmen von Anfang an dabei zu haben, gar nicht gelöst werden könnten. Erst mit deren Knowhow am Tisch können Lösungen und Details fertiggenau geplant und Kosten scharf ermittelt werden.

Andernfalls meist notwendige Umplanungen können sonst gleich zu Beginn der Baustelle zu Behinderungen führen und eine Baustelle gerät in Verzug, bevor der Bau überhaupt angefangen hat.

Entscheidungen treffen

Aller Anfang ist schwer, sagt ein Spruch, und es ist wirklich etwas dran. Ohne klassischen Projektsteuerer oder Projektleiter muss der notwendige Handlungsdruck aus der persönlichen Motivation bzw. aus dem Projektteam selbst kommen. Dringlichkeiten müssen erzeugt und Deadlines definiert werden. Wichtige Entscheidungen erfordern die Erarbeitung von Entscheidungsvorlagen auf Grundlage der COS (Conditions of Satisfaction – Bedingungen für Zufriedenheit).

Unsere Erfahrung zeigt, dass die sorgfältige Erstellung der Entscheidungsvorlage einschließlich der Gewichtung einzelner COS-Unterpunkte wie Bauherrnbudget, Nachhaltigkeit oder Einfluss auf Fertigstellungstermin zu einem der wichtigsten Tools des Planungsprozesses geworden ist. Die Bewertung jeder Entscheidung aus Sicht des „Best for Project“, das heißt, was ist das Beste und am meisten Zielführende für das Projekt, macht jede Entscheidung sehr transparent und unabhängig von möglichen Partikularinteressen der beteiligten Partner.

Lernen von den Partnern

Durch gemeinsame Zeit mit allen Beteiligten und Vor-Ort-Besuche der Büros und Produktionsstätten konnten wir viel voneinander lernen. So war es etwa spannend zu sehen, wie die Architekten Nutzer- und Bauherrnanforderungen in Pläne gossen.

Die tagtäglich gelebten Lean-Construction-Methoden in den Produktionshallen der ausführenden Firmen zeigten mir, dass die ausführenden Firmen bei der Umsetzung von Lean-Methoden einen großen Vorsprung gegenüber den planenden Büros haben. Auf der Planungsseite kann ein falsch interpretiertes Lean-Verständnis zu destruktivem „project hopping“ führen, d.h. zur Parallelbearbeitung unzähliger Projekte mit unaufhörlichem Einplanen von Änderungswünschen.

In der Anwendung und richtigen Durchführung von Lean-Methoden sehe ich ein hohes Potenzial für eine qualitativ bessere Planung aber auch schnellere Planungsprozesse. Die Implementierung von Lean in die Prozesse und das stetige Lernen aus Fehlern im Alltag konnte ich live in Aktion bei der Produktion erfahren. Kasten einsetzen

Eckdaten zur TGA

Das Gebäude wird gemäß Anforderungen für den EH 40-Standard geplant und nach den Kriterien der DGNB-Zertifizierung bewertet. Als Teil eines nachhaltigen Energiekonzeptes sind voraussichtlich 34 Geothermie-Sondenbohrungen mit nachgeschalteter Wärmepumpe und einer Luft-Wasser-Wärmepumpe geplant. Das Lüftungskonzept sieht für den Großteil der Gebäude einschließlich der Klassenräume eine natürliche Belüftung (manuell, über die Fenster) vor; CO2-Sensoren unterstützen das Erkennen des Erfordernisses zur Öffnung der Fenster.1 Die Agora wird natürlich belüftet. Den Strom für das Gebäude und dessen Technik wird eine Photovoltaikanlage auf dem Dach liefern. Diese besteht aus PV-Schindeln und Flachdachkollektoren mit einer Gesamtleistung von 290 kWpeak. Der aufzustellende Bauzeitenplan, der ein wichtiger Taktgeber für die zukünftige Ausführung auf der Baustelle ist, soll eine Winterbaubeheizung überflüssig machen. Teil der Planung sind zudem zwei Rückhaltezisternen, sowie die Regenwassernutzung für die Toilettenspülung und Bewässerung von Außenanlagen und extensiv begrünten Gründächern.

 

Fußnote

1 Eine mechanische Lüftung mit Wärmerückgewinnung wurde vom TGA-Planer technisch und energetisch untersucht und nachgewiesen, das Projektteam entschied sich jedoch aus diversen Gründen für die manuelle Lüftung. Kostenerwägungen hatten keinen Anteil an dieser Entscheidung.

Motivation für das interne Team bei ZWP

Die TGA-Branche leidet wie viele Ingenieursbranchen unter Fachkräftemangel, d.h. angehende TGA-Ingenieurinnen und Ingenieure können sich ihre Jobs aussuchen. Bei Bewerbungsgesprächen wird oft nach aktuellen Projekten gefragt. Ein IPA-Projekt sollte dabei nicht fehlen, denn das Interesse an partnerschaftlichem Umgang im beruflichen Alltag ist groß und ein potenzieller Arbeitgeber sammelt Punkte, wenn er solche Projekte im Portfolio hat. Die Dynamik eines IPA-Projektes überträgt sich auf das interne Team und ist ansteckend. In unserem Büro ist das Projekt zum Lieblingsprojekt avanciert und andere ZWP-Teams beneiden das IPA-Team um diese Erfahrung. Unser internes Ziel bei ZWP ist es, möglichst viele Niederlassungen mit IPA-Kenntnissen und -Erfahrungen zu erreichen. So zeigen auch die beeindruckenden Projektstarts der IPA-Projekte der Deutschen Bahn das Potenzial für die IPA-Methode.

Die Schaffung eines Teamgeists im MPV-Team (MPV = Mehrparteienvertrag) ist uns trotz Corona und unzähligen Stunden in virtuellen Team-Meetings gelungen. Das anfängliche Team-Building, intensive Workshops und manches Abendevent haben einen Teamgeist geformt, der sich auf die gesamte Firma ausgebreitet hat, einem Teamgeist mit dem Motto „Best for Project“.

IPA – Die größten Vorteile

Fokus auf Problemlösung: Das IPA-Gerüst und Vertragsmodell versetzt alle Projektpartner in die Lage, die auftauchenden Probleme im Sinne des Projektes anzugehen. Die Erzeugung von Behinderungen oder Bedenkenschriftstücken wird vermieden und auch die Zeit und Mühe gespart, sie zu lesen und zu beantworten. Die Arbeitszeit wird dem eigentlichen Problem und seiner Lösung gewidmet.

Leistungsergänzungen: Im Laufe des Projektes können Erkenntnisse zu zusätzlich benötigten Leistungen führen. Gemäß dem Motto „wer es am besten kann, macht es“ wird im Partnerkreis die beste Partei für die Leistung gesucht und in der Regel auch gefunden.

Um Herstellungskosten zu sparen, können Umplanungen erforderlich werden. Da alle gleichermaßen von Einsparungen profitieren, gibt es keine klassischen Nachtragsdiskussionen, geschweige denn -verhandlungen. Leistungen und Änderungen können direkt ausgeführt werden. Das Team kann sich auf das eigentliche Projekt und dessen Planung konzentrieren.

Perspektive und Strahlkraft: Mit der Wärmewende vor der Tür und dem immer wichtigeren Anspruch auf klimafreundliches Bauen und Planen bietet uns das Projekt eine Chance, neue Maßstäbe zu setzen und ein Bauprojekt von der Errichtung bis zum Betrieb in Bezug auf seine CO2-Bilanz zu optimieren. Nachwuchskräfte wollen kreativ sein und sich der Klimaherausforderung stellen. Attraktive und grüne Projekte bieten gute Argumente, solche notwendigen Nachwuchskräfte für das Planungsbüro zu gewinnen.

Ausblick

Ich hoffe, dass künftig zahlreiche weitere deutsche IPA-Projekte an den Start gehen und die hiesige Bau- und Planungsbranche ihre kraftvolle Dynamik entfalten kann. Aktuell ist sie leider oft durch Formalismus, Verträge, Grabenkämpfe und gegenseitiges Behindern gehemmt.

Der Bauantrag für das Projekt ist eingereicht. Zum Schuljahresbeginn 2026 werden sich die Türen für alle Generationen für ein „Lebenslanges Lernen“ öffnen. Was ich bis dahin gelernt haben werde, weiß ich jetzt noch nicht; dass es die richtige Entscheidungwar, die IPA-Reise anzutreten, hingegen schon.

Tobias Czarnecki

Tobias Czarnecki
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Seite 14 bis 17
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