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Ein grüner Gebäudesektor braucht Gebäudeautomatisierung

Ein grüner Gebäudesektor mit möglichst niedrigem Energieverbrauch, wenig Ressourcenverschwendung und hohem Komfort – das ist das Ziel aktueller Bemühungen vieler Länder sowohl auf nationaler als auch internationaler Ebene. Gebäudeautomatisierung ist dabei ein Thema, das zunehmend weiter in den Fokus rückt. Doch wie viel hat eine intelligente Gebäudesteuerung wirklich mit mehr Energieeffizienz zu tun?

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Raumautomation ist für ein optimales Klima sowie Komfort bei maximaler Energieeffizienz unerlässlich. Wago ermöglicht z. B. mit flexROOM® schon heute eine Interaktion zwischen Beschattung, Licht und Heizen bzw. Kühlen. Bild: Wago
Raumautomation ist für ein optimales Klima sowie Komfort bei maximaler Energieeffizienz unerlässlich. Wago ermöglicht z. B. mit flexROOM® schon heute eine Interaktion zwischen Beschattung, Licht und Heizen bzw. Kühlen. Bild: Wago

Als Green Buildings werden Gebäude bezeichnet, die möglichst nachhaltig gebaut sind und betrieben werden. Ein starkes Augenmerk liegt auf dem Energie- und Ressourceneinsatz, denn der Gebäudesektor ist in Europa eine der energieintensivsten Branchen und damit ein wichtiger Faktor für die Energiewende. Während die Weiterentwicklung und der Ausbau erneuerbarer Energien wichtige Schritte sind, muss sich die Branche vor allem mit der Frage beschäftigen, wie zugleich der Energieverbrauch von Gebäuden gesenkt werden kann. Laut dena-Gebäudereport beanspruchen Nichtwohngebäude aktuell etwa 3.507 km2 beheizte Nettogrundfläche in Deutschland. Das entspricht beinahe der Größe Mallorcas. Mit 236 TWh entfällt der größte Teil der genutzten Endenergie auf Raumwärme, gefolgt von Beleuchtung mit 55 TWh, Klimakälte mit 24 TWh und Warmwasser mit 15 TWh. „Das lässt noch viel Spielraum für Optimierungen“, sagt Dirk Dronia, Industry Manager Building Automation bei Wago.

Neuer Standard: hohe Energieeffizienz bei Neubauten

„Die Standards beim Bauen sind heute schon hoch“, so Dronia. „Die meisten neu errichteten Gebäude sind in ihrer Isolierung schon fast wie eine Thermoskanne.“ Auch die Beleuchtung wird dank LED-Technik immer effizienter. Allerdings bleibt auch in Neubauten mit effizienter Bauweise und Niedrigenergietechniken der Energieaufwand für die Raumtemperierung einer der größten Energieposten im Bereich der Nichtwohngebäude – auch deshalb, weil ein angenehmes Raumklima den Komfort und die Produktivität der Nutzer beeinflusst. An dieser Stelle bedarf es also weiterer Effizienzoptimierung. Diese Aufgabe kann die Raumautomation übernehmen.

„Die Raumautomation – also die Kombination aus Klima- und Beleuchtungsreglung sowie Beschattung – spielt auch in gut gedämmten Neubauten eine wesentliche Rolle und ist für ein optimales Klima sowie Komfort bei maximaler Energieeffizienz unerlässlich. Bevor Räume im Sommer gekühlt werden, verhindert die geschlossene Beschattung eine Sonneneinstrahlung und damit ein Aufheizen. Im Winter kann durch Öffnen der Beschattung der Raum gewollt erwärmt werden, um die Heizung zu unterstützen bzw. um die warme Raumluft über die Abluft der Wärmerückgewinnung zuzuführen“, so Dronia. „Verfügt die Beschattung über eine Trennung zwischen Blendschutz und Lichtumlenkung, kann trotz Blendschutz Sonnenlicht in den Raum gelenkt werden, bevor die elektrische Beleuchtung in Betrieb geht.“ So sorgt ein ausgeklügeltes Raumautomationssystem besser für optimale Raumbedingungen und einen effizienten Energieeinsatz, als es manuelle Eingriffe durch Nutzer und Nutzerinnen bewirken könnten. Bei vielen Neubauprojekten ist dies State of the Art, trotzdem bereitet der Gebäudesektor vielen Politikern und Klimaexperten Bauchschmerzen.

Dirk Dronia ist Industry Manager Building Automation bei WAGO und beschäftigt sich seit 30 Jahren mit dem Gebäudeautomationsmarkt, seinen Herausforderungen, Entwicklungen und Chancen. Bild: Wago

Im Gegensatz zu sich schnell wandelnden Branchen wie dem Automobil- oder IT-Sektor sind Gebäude auf eine deutlich längere Nutzungsdauer ausgelegt. Veränderungen setzen sich langsam durch. Für neue Gebäude kann die verfügbare Technik für einen energieeffizienten Betrieb von vornherein geplant und umgesetzt werden. Soll der Gebäudesektor aber als Ganzes grüner werden, muss vor allem der große Teil an Bestandsgebäuden energieeffizient saniert werden. Sanierungen sind deshalb längst auch auf europäischer Ebene in Diskussion und wurden mit der „Renovation Wave“ als konkretes Ziel ins Auge gefasst.

Die Renovation Wave: Sanierungsrate muss steigen

Der Aktionsplan der europäischen Kommission im Rahmen des European Green Deals umfasst mehrere Maßnahmen zur Förderung der Gebäuderenovierung. Die Energieperformance von Gebäuden soll verbessert und so ein Beitrag zur Klimaneutralität und der wirtschaftlichen Erholung geleistet werden. Dafür braucht es nicht lediglich einige Vorzeige-Smart Buildings, sondern vor allem deutlich mehr energieeffiziente Sanierungen in der breiten Masse. Aktuell, so die europäische Kommission, liegt die Sanierungsrate jährlich bei gerade einmal 1 % und soll in kürzester Zeit verdoppelt werden. Dabei spielt auch die Nachrüstung von Gebäudeautomatisierung eine wichtige Rolle.

Mit der Renovation Wave werden Maßnahmen beschrieben, um Bestandsgebäude effizienter zu betreiben. Demnach müssen bereits 2030 in einigen Ländern der EU Gebäude die Anforderungen der Klasse A aus der EN 15232 bzw. der aus der EN 15232 hervorgegangenen globalen ISO 52120 erfüllen. „Die besagt, dass es eine Interaktion zwischen Beschattung, Licht und Heizen bzw. Kühlen geben muss“, so Dronia. Neben der Dekarbonisierung des Heizens und Kühlens zielt die Renovierungsstrategie auf die schlechtesten Gebäude und – aufgrund ihrer Vorbildfunktion – auf öffentliche Gebäude ab.

Das größte Energieeffizienzpotenzial von Nichtwohngebäuden liegt im Gebäudebestand

„Die Automatisierung von Gebäuden bietet Nutzern und Betreibern in Bezug auf Energiemonitoring, Energieeffizienz und Komfort nachweislich Vorteile“, betont Dirk Dronia. „Gerade bei Bestandsbauten stellt diese damit einen ganz wesentlichen Punkt dar, um Energie und CO2 einzusparen.“

Die Wichtigkeit der Nachrüstung wird auch in aktuellen Direktiven hervorgehoben: Die neueste Fassung der EU-Richtlinie über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (EPBD) von 2018 sieht vor, dass größere Nichtwohngebäude im Bestand ab dem Jahr 2025 mit den wichtigsten Funktionen der Gebäudeautomation ausgestattet werden müssen. Dies betrifft Nichtwohngebäude mit einer installierten Leistung von 290 kW bei Heizungs- oder Klima- bzw. Lüftungsanlagen, sofern dies technisch und wirtschaftlich machbar ist.

Allerdings wird der Zusatz „wirtschaftlich machbar“ aktuell diskutiert, da das Ziel, CO2 einzusparen, höher bewertet wird als ein rein wirtschaftlicher Nutzen. In jedem Fall bieten alte Bestandsgebäude ohne vernetzte Gebäudeautomation bzw. Raumautomation und Energiemonitoring mitunter die größten Energieeinsparpotenziale in der Branche. In der Sanierung des Bestandsbaus spielt die Automatisierung, die z. B. mit der EPBD als Richtlinie auf europäischer Ebene gefordert wird, daher eine entscheidende Rolle.Kasten mit

Wago I/O System 750

Für eine effiziente Automatisierung braucht es neben der Hardware auch das entsprechende Know-how. Mit dem 750er-System von Wago auf der einen Seite und einer ausgeklügelten Applikation auf der anderen Seite stehen fast alle Optionen offen:

So kann die benötigte Hardware einfach nach Bedarf an die physikalischen Bedingungen angepasst werden, um vorhandene Aktoren und Sensoren weiter zu verwenden. Dies ist im Bereich der Sanierungen besonders wichtig.

Mit einem modularen Automatisierungssystem wie dem Wago I/O System 750 sind Gebäudebetreiber im Hardwareaufbau flexibel. Bild: Wago
Mit einem modularen Automatisierungssystem wie dem Wago I/O System 750 sind Gebäudebetreiber im Hardwareaufbau flexibel. Bild: Wago

„Das wird für Hersteller wie auch Betreiber die nächsten 10–15 Jahre ein Spagat“, sagt Dirk Dronia. „Wir müssen im Bestand höchst flexibel sein, zur Not auch mit alten Feldgeräten und mit Passivsignalen, während wir bei Neubauten bereits im IoT-Bereich unterwegs sind.“ Dazu braucht es smarte Sensoren und ein komplett digitales System. „Das mit einer Produktpalette abzudecken, ist die Aufgabe, die wir heute schon täglich erfüllen.“

Flexible Automatisierung bei Gebäudesanierungen

Mit Gebäudeautomatisierung lassen sich gebäudetechnische Prozesse erfassen, steuern und regeln. Dabei entstehen Synergien, z. B. zwischen Heizung, Lüftung und Klimatisierung wie auch Beleuchtung und Beschattung. Primärenergie kann so bedarfsorientiert eingesetzt werden und Energie wird nur dann verbraucht, wenn sie auch wirklich benötigt wird – wie bei der tageslichtabhängigen Lichtsteuerung oder anwesenheitsabhängigen Klimatisierung.

Die dafür notwendigen Steuerungen sind in den meisten Fällen problemlos nachrüstbar. Plus: Gebäudeautomation macht unmittelbar auf Missstände aufmerksam, ermöglicht so ein schnelles Eingreifen und wirkt so der Verschwendung von Ressourcen entgegen.

Fazit: Gebäudeautomation als Schlüssel zum Green Building?

Smart gesteuerte Gebäude haben viele Vorteile: Sie sind komfortabler, erleichtern Nutzern und Nutzerinnen den Alltag, erlauben eine optimale und effiziente Flächennutzung, fordern nach Bedarf Dienstleistung für die Raumpflege, technische Wartungen und Entstörungseinsätze an. Sie können die Energiebilanz verbessern und so einen wichtigen Beitrag zur Energiewende beisteuern.

Bei Neubauten wird fast schon durchgängig auf entsprechende Automatisierungsmaßnahmen gesetzt – nicht nur aufgrund der Energieeffizienz, sondern auch wegen des Komforts und smarter Services.

Die Einsparpotenziale durch die Gebäudeautomation in Bestandsgebäuden werden aber immer noch nicht flächendeckend und im ausreichenden Maß ausgeschöpft. Doch gerade diese energetischen Sanierungen mit der Nachrüstung von ausgefeilten Automatisierungssystemen braucht es, um langfristig auch im Gebäudesektor Klimaneutralität zu erreichen. Es ist daher notwendig, die Gebäudeautomation auch im Bereich Sanierung in den Fokus zu rücken.

Liza Schlensker

Liza Schlensker
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· Artikel im Heft ·

Ein grüner Gebäudesektor braucht Gebäudeautomatisierung
Seite 46 bis 48
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