Neue Möglichkeiten für Lüftungsanlagen
Es ist wichtig, die verschiedenen Interessengruppen zu berücksichtigen, die am Prozess der Planung, Umsetzung und Überwachung eines gut funktionierenden Lüftungssystems beteiligt sind. Die überarbeiteten und konsistenten Vorschriften sind zusammen mit der interdisziplinären Zusammenarbeit, neuen Technologien und dem Nutzerverhalten wichtige Faktoren bei der Schaffung energieeffizienter Gebäude und gesunder Innenräume, die sowohl in der Theorie als auch in der Praxis funktionieren.
Best-Case-Leistung für Worst-Case-Gebäude
Der Gebäudebetrieb, einschließlich Heizung, Kühlung und Elektrizität, ist für 27 % aller weltweiten energiebedingten CO2-Emissionen verantwortlich.2 Seine Optimierung trägt wesentlich zur Reduzierung von Emissionen, Senkung des Energieverbrauchs und Verringerung der Preisanfälligkeit in Europa bei.3 Es sollte die Aufgabe aller Beteiligten sein, das Ziel klimaneutraler Gebäude bis 2050 zu erreichen, ohne dabei auf ein gutes Raumklima zu verzichten.4
Zudem zeigten insbesondere die Einschränkungen durch die Covid-19-Pandemie die Bedeutung einer ausreichenden Belüftung von Gebäuden für die Gesundheit.
Moderne Regelungsverfahren optimieren den Energiebedarf auf der Grundlage des Nutzerverhaltens. So kann ein gutes Raumklima mit der niedrigsten Energieleistung kombiniert werden. Studien haben gezeigt, dass moderne Regelungsverfahren in Lüftungsanlagen, insbesondere bedarfsgesteuerte Lüftungsanlagen (DCV/demand-controlled ventilation systems), den Energieverbrauch des Gebäudes senken und zugleich Luftqualität und Raumklima insgesamt verbessern können. Der Einsatz solcher Regelungsmethoden für die Lüftung ist eine Notwendigkeit für die Energieeffizienz in neuen Gebäuden, sollte aber auch bei energieeffizienten Renovierungen und Sanierungen in Betracht gezogen werden.
Eine vom Lindab Innovation Hub in den Jahren 2020–2021 durchgeführte Fallstudie zeigte, wie durch die Änderung eines bestehenden Lüftungssystems und den Einbau eines drahtlosen DCV-Systems auf Raumebene in einem Bürogebäude in Hamburg, Deutschland, nach der Installation bis zu 68 % Energie eingespart wurde.
Das System besteht aus Volumenstromregler mit Ultraschallmesstechnik, Bluetooth-Raumsensoren für CO2- und Anwesenheitserkennung sowie Smartphone-Apps, die den Zugang für die Inbetriebnahme, aber auch für die Raumnutzer zur Systemsteuerung und Überwachung der Raumluftqualität ermöglichen.
Die Amortisationszeit für die Aufrüstung wurde mit 4,5 Jahren berechnet. Diese Zahl würde bei Zugrundelegen heutiger Energiekosten noch deutlich sinken. Bis zu 100 Mio. Erwachsene und Kinder leben, lernen und arbeiten in Europa in ungesunden Häusern.5 Etwa 75 % des Gebäudebestands in der EU gelten als nicht energieeffizient.6 Die Änderung der bestehenden Belüftung in Gebäuden mit ungünstigen Bedingungen durch intelligente Systeme kann zu massiven Verbesserungen führen.

Das zweischneidige Schwert der Kontrollsysteme in der Lüftung
Um das akzeptierte Innenraumklima in Bezug auf die Energieleistung zu verstehen, führte Lindab Innovation Hub mehrere Langzeituntersuchungen in bestehenden Gebäuden mit verschiedenen kontrollierten Lüftungssystemen durch. Die Ergebnisse zeigten bei fast allen Projekten, dass die Systeme Störungen, falsche Einstellungen, fehlende Abgleiche oder Warnmeldungen des Gebäudemanagementsystems aufwiesen, die von den Verantwortlichen ignoriert oder nicht gesehen wurden.
Die Schlussfolgerung ist, dass ohne eine präzise Installation, gut funktionierende Sensoren und Steuerung ein hohes Risiko besteht, die geplante Energieleistung eines Systems nicht zu erreichen. Im schlimmsten Fall wird ein Energiesparsystem zu einem hohen Energieverbraucher, der kein ausreichend gutes Raumklima garantieren kann.
Seit 1991 ist in Schweden eine regelmäßige Kontrolle der Lüftungsanlagen vorgeschrieben, die von einem zertifizierten Prüfer durchgeführt werden muss.7 Damit wird untersucht, ob das Innenraumklima gut ist und die Lüftungsanlage so funktioniert, wie sie sollte. Nach Angaben des schwedischen Zentralamts für Wohnungswesen, Bauwesen und Raumordnung muss der Inspektor oder die Inspektorin Vorschläge machen, wie der Energieverbrauch für die Belüftung gesenkt werden kann, ohne dass dies zu einer Verschlechterung des Raumklimas führt.
Bei intelligenten Lüftungssystemen muss berücksichtigt werden, wie das System als Ganzes im Alltag funktionieren soll. DCV-Systeme basieren auf der Anwesenheit von Menschen, um Energieeffizienz und gesunde Innenraumluft zu gewährleisten. Bei der Übergabe an das Gebäudemanagement und bei künftigen Kontrollen und Inspektionen sollte der Energieverbrauch des Systems über einen definierten Zeitraum berücksichtigt werden.
In der Fallstudie des Lindab Innovation Hub aus einem Bürogebäude in Zürich, Schweiz, war ein Facility Manager eines DCV-Systems der Meinung, dass es nicht gut funktionierte und die Energiekosten zu hoch waren. Die Untersuchung umfasste eine Prüfung der Systemzeichnung, Neuberechnungen des System- und Gebäudeenergiebedarfs sowie eine Langzeitbeobachtung verschiedener Faktoren, die das System beeinflussen könnten. Die Analyse der Ergebnisse ergab, dass bei der praktischen Handhabung der Lüftungsanlage in den vergangenen Jahren Fehler unbemerkt geblieben waren. Nach Korrekturen konnte der Energiebedarf der Lüftungsanlage bei gleichbleibend guter Raumluftqualität
um 71 % gesenkt werden.

Dies macht deutlich, wie wichtig eine regelmäßige und geregelte Inspektion und Überwachung von Lüftungsanlagen ist, aber auch, dass es notwendig ist, Informationen zugänglich zu machen, die Folgen von Fehlern und Warnsignalen zu verstehen und einen Aktionsplan für die Korrektur zu erstellen. Des Weiteren ist es wichtig, die Inspektionen mit der ursprünglichen und beabsichtigten Leistung des Lüftungskonzepts zu vergleichen und alle Konfigurationen und Änderungsvorschläge für künftige Referenzen und im Dialog mit dem Facility Manager, dem Auftraggeber und dem Systemdesigner zu dokumentieren.
Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Einbeziehung der Endnutzer
Die Ausrichtung auf Gebäuderenovierungen und Inspektionen von Lüftungsanlagen in der vorgeschlagenen Überarbeitung der EPBD ist ein wichtiger Schritt, um die anhaltenden Herausforderungen des Energieverbrauchs und der Kohlenstoffemissionen in der Immobilienbranche zu bewältigen.
Der Handlungsbedarf ist klar, aber die Zeit zum Handeln wird knapp. Ein neuer Bericht über den Global Retrofit Index (2022) stellt fest, dass weniger als 1 % der Bestandsgebäude in den großen Volkswirtschaften die notwendige Nachrüstung erhalten haben. Um das 1,5-Grad-Szenario des IPCC zu erfüllen, sollte die durchschnittliche jährliche Nachrüstungsrate bis 2030 2,5 % betragen, während der Energieverbrauch um 45 % gesenkt werden sollte.

Abgesehen von den nationalen Vorschriften muss die Bauindustrie mit intelligenten Systemen und einer interdisziplinären Zusammenarbeit aller Beteiligten in Einklang gebracht werden, um die laufenden Bauanforderungen und Umweltziele zu erfüllen. Immobilieneigentümer müssen beraten werden, um die Konsequenzen ihrer Entscheidungen zu verstehen, damit das Raumklima und der notwendige Energiebedarf ihren Erwartungen entsprechen. Wartung und Instandhaltung müssen von Organisationen durchgeführt werden, die die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Betrieb übernehmen. Die Planerinnen und Planer sollten die Möglichkeit haben, dafür zu sorgen, dass alle technischen Anlagen zusammenpassen und entsprechend der Leistung und dem Design optimal funktionieren. Die Einweisung des Auftragnehmers ist ebenfalls wichtig, damit ein System wie geplant installiert wird und wie vorgesehen funktioniert.
Unsere Erfahrungen sowohl in Hamburg in Deutschland als auch in Zürich in der Schweiz zeigen, wie wichtig eine klare Dokumentation, intelligente Lösungen und einfach zu bedienende Produkte und Systeme sind, die die Endnutzer stärker einbeziehen. Sie führt uns zu neuen technologischen Möglichkeiten mit einer besseren Kommunikation zwischen dem Systemdesigner, dem Lüftungssystem, den Sensoren und den Endnutzern.
Die Entwicklung digitaler Lösungen für ein konstantes und langfristiges Monitoring trägt dazu bei, die Auswirkungen einer gesunden Innenraumluft und des Energieverbrauchs eines Gebäudes besser zu verstehen und die Gesamteffizienz zu verbessern. Die nutzerfreundliche Darstellung von Daten ermutigt die Endnutzer, sich mit der Leistung und den Auswirkungen eines Lüftungssystems auf das Raumklima und den Energieverbrauch eines Gebäudes zu befassen.
Fußnoten
1 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Neufassung), Europäische Kommission, 2021. EUR-Lex – 52021PC0802 – EN – EUR-Lex (europa.eu) (abgerufen am 26.10.2022)
2 Robert Kilgour, Joshua Deru, Laura Watson und Michael Lord: Global Retrofit Index, 3Keel in Zusammenarbeit mit Kingspan, 2022. https://www.3keel.com/wp-content/uploads/2022/10/Global_Retrofix_Index.pdf (abgerufen am 01.11.2022)
3 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden (Neufassung), Europäische Kommission, 2021. EUR-Lex – 52021PC0802 – EN – EUR-Lex (europa.eu) (abgerufen am 26.10.2022)
4 Europäische Kommission, European Green Deal: Kommission schlägt vor, die Renovierung und Dekarbonisierung von Gebäuden zu fördern, Europäische Kommission, 2021. Renovation and decarbonisation of buildings (europa.eu) (abgerufen am 26.10.2022)
5 Velux, Barometer für gesundes Wohnen, Velux 2019. HHB_Main-report_2019.indd (azureedge.net) (abgerufen am 26.10.2022)
6 Europäische Kommission, Steigerung der Energieeffizienz im europäischen Gebäudebestand: Neue Empfehlung zur Modernisierung von Gebäuden, Europäische Kommission, 2019. Driving energy efficiency in the European building stock: New recommendations on the modernisation of buildings | European Commission (europa.eu) (abgerufen am 26.10.2022)
7 Boverket, OVK – obligatorische Belüftungssteuerung, Boverket 2021. OVK – obligatorisk ventilationskontroll – Boverket (abgerufen am 26.10.2022, eigene Übersetzung)
Jan Behrens

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