Praxis

Wärmeversorung aus Fernwärmenetz mit regenerativen Energien

Zur Reduzierung der CO2-Emissionen hat die Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) in Grub, Poing bei München, ein neues Wärmenetz aufgebaut, das eine Wärmeversorgung über nahezu ausschließlich regenerative Energieträger ermöglicht. Ein neues Biomasse-Heizwerk erzeugt mit Hackschnitzeln aus eigenem Anbau Wärme für den gesamten Standort. Eine bereits bestehende Biogasanlage sowie mehrere Heizölkessel mussten integriert und der Heizölverbrauch massiv gesenkt werden.

Standortausschnitt mit Biogasanlage, Fahrsilos, Güllegruben und Bullenstall. Quelle: Bayerische Staatsgüter
Standortausschnitt mit Biogasanlage, Fahrsilos, Güllegruben und Bullenstall. Quelle: Bayerische Staatsgüter

Von Nicki Teumer, Redakteur beim ABOPR Pressedienst, München

Für die Beheizung der Liegenschaft Grub werden jährlich circa 300.000 l Heizöl benötigt“, berichtet Philipp Purucker, Koordinator Energiewirtschaft und Energiekonzepte bei den Bayerischen Staatsgütern. „Im Rahmen der Energiewende wollen wir jedoch einen möglichst großen Anteil der Wärmeversorgung über regenerative Energieträger bereitstellen. Mit der Errichtung einer Biogasanlage, deren Abwärme teilweise zur Beheizung der nahegelegenen Gebäude verwendet wird, haben wir bereits vor einigen Jahren einen ersten Schritt getan.“ Der wesentliche Teil der Wärme konnte allerdings aufgrund fehlender Fernwärmeleitungen nicht genutzt werden und wurde deshalb über einen Notkühler entsorgt.

Deshalb entschied sich die Landesanstalt in Zusammenarbeit mit dem Staatlichen Bauamt Rosenheim mit ersten Vorüberlegungen beginnend im Jahr 2015 dazu, die überschüssige Wärme der Biogasanlage stattdessen komplett für die Liegenschaft nutzbar zu machen und den restlichen Wärmebedarf ebenfalls über regenerative Energieträger zu erzeugen. Dazu musste aber ein modernes Heizwerk gebaut, die bestehenden Wärmequellen effizienter gemacht und alle Bestandsanlagen in ein neues Fernwärmenetz integriert werden. Als Hauptwärmelieferant wurde ein Hackschnitzel-Heizwerk gebaut, das Hackgut aus eigenen, nahegelegenen Kurzumtriebsplantagen (KUP) zur Wärmeproduktion nutzt. Dieses Holz kann nun in einem speziell ausgelegten Bunker gelagert werden, um einen durchgehend effizienten Betrieb des Heizwerks sicherzustellen. Die bereits vorhandenen Heizkessel dienen künftig nur noch als Spitzenlast- beziehungsweise Redundanzkessel und die Abwärme aus der Biogasanlage wird vorrangig ebenfalls über das neue Wärmenetz verwertet. Hierzu wurde eine sternförmige Leitungsstruktur angelegt, über die die bestehenden Anlagen und Liegenschaften am Standort miteinander verbunden sind. Das neue Heizwerk soll zudem genutzt werden, um Landwirte im Umgang mit Hackschnitzelanlagen als regenerativer Heizquelle zu schulen.

Mit der ingenieurtechnischen Umsetzung wurde schließlich nach Wettbewerb durch öffentliches VOF-Verfahren die Gammel Engineering GmbH beauftragt, die bereits zahlreiche ähnliche Projekte realisiert hatte. Die finanzielle Förderung des klimafreundlichen Projekts erfolgte zu 45 % über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE).

Heizwerk mit großen Wärmespeichern

Da die LfL bereits über Energiewälder und Plantagen mit schnellwachsenden Baumarten für Forschungszwecke verfügt, war die nachhaltige Ressourcengrundlage zum Betrieb einer Hackschnitzelheizanlage gegeben. Für das neue Heizwerk steht immer ausreichend Brennmaterial zur Abdeckung der Grund- und Mittellast zur Verfügung. „In einem ersten Schritt wurde basierend auf dem Heizölbedarf der letzten Jahre die Heizlast des Standorts ermittelt, um daraus ein sinnvolles Konzept im Hinblick auf die erforderliche Kesselgröße des Heizwerks ermitteln zu können, sowie den Wärmeverbund aus alten und neuen Anlagen zu entwickeln“, erklärt Florian Prantl, Projektleiter bei Gammel. „Letztendlich zeigte sich, dass eine Variante aus zwei Hackschnitzelkesseln und zwei großen Wärmespeichern die bestmögliche Lösung ist.“ Um die erforderliche Nennleistung von 600 kW zur Abdeckung des Wärmebedarfs zu erreichen, planten die Ingenieure einen Kessel mit 400 kW und einen mit 200 kW. Durch die Aufteilung ist es möglich, die bei der Berechnung im Vorfeld ermittelte Jahresdauerlinie abfahren zu können. „Ein einzelner, großer Kessel hätte aufgrund der vergleichsweise flachen Jahresdauerlinie und des geringeren Wärmebedarfs im Sommer ohne Zuheizen nicht betrieben werden können“, erläutert Prantl.

Neben den beiden Heizkesseln verfügt das Heizwerk über eine moderne Rauchgasreinigungsanlage mit elektrostatischen Filtern sowie die für den multivalenten Betrieb notwendigen hydraulischen Anschlüsse. Die Schaltanlage, in der alle Leitungen zusammenlaufen, wurde in einem separaten Raum untergebracht. Zudem besitzt die Anlage zwei Wärmespeicher mit jeweils 30 m³, da auch die Abwärme der nahegelegenen BHKWs der Biogasanlage für das neue Wärmenetz genutzt wird, anstatt diese zu entsorgen. Dank der Speicher können die verschiedenen Wärmeerzeuger im Bestpunkt betrieben und zudem Schwankungen im Wärmenetz ausgeglichen werden. „Zur Abdeckung von Lastspitzen sowie als Ausfallreserve ist es notwendig, kurzfristig verfügbare Wärmeerzeuger in den Wärmeverbund zu integrieren“, erklärt Prantl. „Deshalb haben wir die bereits vorhandenen Heizölkessel eingegliedert, anstatt sie auszutauschen, da sie noch in sehr gutem Zustand und geeignet waren.“ Die Kessel wurden so eingebunden, dass sie primärseitig in das Wärmenetz einspeisen. Dazu wurde die Anlagentechnik angepasst, Pumpen und Armaturen erneuert und regelungstechnisch in die Kesselfolgeschaltung integriert, sodass eine sinnvolle Ansteuerung möglich wird.

Hackschnitzel aus Wald liefern ausreichend Brennstoff

Damit die neue Heizanlage unabhängig betrieben werden kann, wird der erforderliche Brennstoff unter anderem aus eigenen Energiewäldern genutzt. Deshalb sah Gammel einen speziellen Tagesbunker mit Schub- und Zugboden vor, der zu einer Seite offen und befahrbar ist, sodass bei Bedarf Hackschnitzel auch direkt abgekippt werden können. Hier lässt sich ein Brennstoffvorrat für circa fünf Tage vorhalten. Zusätzlich wurde eine Lagerhalle gebaut, in der der Großteil des benötigten Brennstoffbedarfs vorgehalten werden kann. „In Abstimmung mit den Betreibern haben wir das Lager so ausgelegt, dass es lediglich zweimal im Jahr befüllt werden muss“, bestätigt Prantl. Zudem wurde das Lager mit Zwischenwänden versehen, sodass verschiedene Brennstofffraktionen getrennt voneinander deponiert werden können. „So lassen sich je nach jahreszeitlichem Anfall Waldrestholz und Holz von schnellwachsenden Arten separat vorhalten, wodurch sich auch eine langfristige Planungssicherheit für den Betrieb und die Ernte der Kurzumtriebsplantagen ergibt“, bestätigt Purucker.

In einem finalen Schritt mussten alle alten und neuen Wärmequellen sowie die Gebäude der Liegenschaft durch ein neues Wärmenetz miteinander verbunden werden. Bei dessen Planung sollte neben der anvisierten Effizienz auch der geringstmöglichen baulichen Aufwand erreicht werden. Daher entschieden sich die Ingenieure von Gammel nicht für eine Ringleitung sondern eine sternförmige Auslegung. Damit musste die Straße beim Bau weniger oft gequert werden und die Spitzenlasterzeuger ließen sich dezentral in das Netz einbinden. Durch die neue Anlagenkonstellation und Leitungsanordnung, in der die Heizölkessel lediglich als Ausgleichsquellen dienen, lässt sich mehr Heizöl substituieren und somit erheblich CO2 einsparen. Dabei sieht die Energieverteilung nun vor, dass 37 % der Wärmeleistung als Grundlast von den BHKWs und 57 % als Mittellast über die Hackschnitzelanlage gedeckt werden. Die Bestand-Ölkessel liefern die restlichen 6 % Spitzenlast.

Neben dem Heizwerk, der Biogasanlage und den Heizölkesseln sind in das Netz nun unter anderem das Verwaltungsgebäude, eine Werkstatt in der Schlepperhalle, die Futterhalle mit den angebundenen Kälber- und Kuhställen, Laborgebäude, ein Komplex mit vier Gebäuden, in dem Seminarräume, Büros, die Kantine und ein Internat untergebracht sind, sowie die Baulehrschau II eingebunden. Zwar wurde das gesamte Areal mittlerweile aufgeteilt in die Bayerischen Staatsgüter und die Landesanstalt für Landwirtschaft. Dies stellt allerdings kein Problem dar, da die erzeugten und verbrauchten Wärmemengen erfasst und gegenseitig verrechnet werden. Aktuell wird zudem überprüft, inwieweit andere Liegenschaften der Bayerischen Staatsgüter über regenerative Energiequellen mit Wärme versorgt werden können. Das erfolgreich von Gammel umgesetzte Konzept in Grub dient dabei als Grundlage für die praxisnahe Entwicklung ähnlicher Projekte.

www.gammel.de | www.baysg.bayern.de | www.lfl.bayern.de

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