Innovative Heiz- und Kühlkonzepte für Bestandsgebäude sind notwendig, um die Klimaziele zu erreichen, die Wärmewende voranzutreiben und die angekündigte Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (Mindestvorgabe 65% Erneuerbare Energien beim Heizungstausch) sozialverträglich umzusetzen.
Am Donnerstag besichtigte eine Delegation rund um die Bundesbauministerin aus Vertretern des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP) e.V. und der Wohnungsbaugenossenschaft Märkische Scholle eG. die Gebäudetechnik eines Wohnquartiers mit insgesamt 18 Mehrfamilienhäusern und mehr als 400 Wohnungen aus den beginnenden 1930er-Jahren in Berlin Lichterfelde-Süd, nahe der Stadtgrenze zum brandenburgischen Teltow.
Wärmepumpen und Erdwärmespeicher in Berlin Lichterfelde
Das Quartier wurde zwischen 2014 und 2020 von der Berliner Wohnungsgenossenschaft Märkische Scholle eG auf KfW EH85 und EH70-Standard modernisiert.
Der Bauherr entschloss sich anhand eines Konzeptes der eZeit Ingenieure aus Berlin, die die gebäudetechnische Planung in der Märkischen Scholle dann maßgeblich mitgestalteten, für eine Komplettsanierung mit Umstellung des Heizsystems von Fernwärme auf regenerative, am Gebäude erzeugte Energie zur Heizung und Warmwasserversorgung.
Das neue Energiesystem der Siedlung (Baujahr 1930 bzw. 1960) baut auf offenen Erdwärmespeichern auf, die als geothermische Quellen für Wärmepumpen dienen. Diese Energiespeicher befinden sich direkt neben jedem der sanierten Gebäude unter der Erdoberfläche. Die Erdspeicher umfassen pro Gebäude ungefähr 400 m3 Erdreich. Der Erdspeicher ist nach unten zum angrenzenden Erdreich offen und wird nach oben und zu den Seiten hin so gedämmt, dass Wärmeverluste verhindert werden. So beträgt die Speicherkapazität inklusive des unterhalb liegenden Erdreichs zwischen 750 und 1450 m3.

Überschüssige Energie von den Solarkollektorflächen auf den Dächern wird im Erdspeicher aufgefangen und dient zusammen mit der natürlichen Wärme im Erdreich jeder Sole-Wasser-Wärmepumpe als Wärmequelle zum Heizen. Zusätzlich wird ein Warmwasserspeicher zur Deckung des Warmwasserbedarfs eingesetzt. Durch die solare Sole-Anhebung erreicht die Wärmepumpe eine Systemjahresarbeitszahl von 4,05. Photovoltaik unterstützt das System stromseitig. Außerdem wird Abluftwärme nutzbar gemacht. Im Mittelpunkt des Systems steht zudem der dynamische Energie Manager (DEM), der alle Komponenten der Anlage intelligent auf den Verbrauch abstimmt.
Die Umsetzung des Projektes erfolgte in den Jahren 2013-2018. „Im Bereich der Modernisierung/ Sanierung von Mehrfamilienhäusern stellt die Märkische Scholle ein zukunftsweisendes übertragbares Konzept dar. Mit derartigen Projekten und vor allem mit dezentralen Nahwärmenetzen müssen wir mittel- und langfristig dafür sorgen, den Gebäudebestand in Stadt und Land klimaneutral zu machen“, sagt eZeit-Geschäftsführer Taco Holthuizen, der u.a. an der Berliner Hochschule für Technik im Masterstudiengang Planung nachhaltiger Gebäude lehrt.
In das Energiekonzept sind neben den in Kaskade geschalteten Wärmepumpen solarthermische Anlagen, Photovoltaik und ein kontrolliertes Lüftungssystem eingebunden. Eine Abluftwärmepumpe gewinnt die Wärme aus dem Lüftungssystem zurück und stellt sie dem Heiz- und Warmwassersystem ganzjährig hocheffizient wieder zur Verfügung. Ein Dynamischer Energie Manager (DEM) steuert alle Energieflüsse. Die Wärmeübertragung funktioniert über Heizkörper, im Dachgeschoss über Fußbodenheizung. Die zum Betrieb der Erdwärmepumpe benötigte Energie wird durch die bis zu 80 m² große PV-Anlage auf dem Dach erzeugt.
„Die Wohnungsbaugenossenschaft macht vor, wie die Modernisierung der Wärmeversorgung in einem ganzen Wohnquartier erfolgreich gelingt. Dafür hat sie auf einen breiten Energie- und Technik-Mix gesetzt, von der Erdwärme über die Wärmepumpe bis zur Solarenergie", sagte Ministerin Geywitz während ihres Besuches. "Die Genossenschaft zeigt auch, dass dies in Quartieren und Gebäuden funktioniert, die bereits älter sind. Sie nutzt moderne Technologien wie die Wärmepumpe, die jetzt in großen Mengen produziert wird. Damit zählt die ‚Märkische Scholle‘ zu den Vorreitern. Von diesen positiven Beispielen brauchen wir mehr."
„Das Beispiel der Märkischen Scholle zeigt, dass mit Wärmepumpen auch Mehrfamilienhäuser aus den 30er Jahren und im urbanen Raum auf erneuerbare Energien umgestellt werden können. Es ist jetzt dringende Aufgabe der Ampelkoalition, die Rahmenbedingungen im Gebäudeenergiegesetz aber auch in der Förderung und beim Strompreis so zu stellen, dass entsprechende Projekte in der Breite des Gebäudebestands angegangen werden. Industrie und Handwerk brauchen Planungssicherheit, um sich konsequent auf die neuen Anforderungen ausrichten zu können. Die existentielle Bedeutung des Themas Klimaschutz sollte die Koalition vereinen. Entschlossenes und mutiges Handeln ist erforderlich“, erklärt Dr. Martin Sabel, Geschäftsführer des Bundesverbands Wärmepumpe (BWP) e.V..
Bericht aus Berlin ansehen in der ARD Mediathek - Das Segment zum Projekt in Lichterfelde startet ab Minute 08:20.
65 % im Mix mit Wärmepumpen
„Die Wärmepumpenbranche verlässt sich auf die bereits im Koalitionsvertrag angekündigte Maßgabe von 65 Prozent Erneuerbare Energien beim Heizungstausch. Auf dieser Basis werden aktuell Produktionskapazitäten ausgebaut, die Industrie steht bereit. Die weiter steigenden Absatzzahlen (für Januar und Februar 2023 jeweils 29.000 Wärmepumpen) zeigen, dass die Wegmarke von 500.000 Wärmepumpen im Jahr 2024 erreicht werden kann“, sagt Dr. Martin Sabel.
„Jede heute noch eingebaute Gasheizung verhindert Klimaneutralität bis 2045 und setzt die Endkunden einem finanziellen Risiko aus. Die Bundesregierung muss daher an ihren Plänen festhalten, um allen Akteuren Planungssicherheit geben“, ergänzt Dr. Hendrik Ehrhardt, Leiter Public Affairs Berlin vom Wärmepumpenhersteller Stiebel Eltron.