Ukraine-Krieg

Verbände-Aufruf: Für Energiesouveränität, gegen Versorgungslücken

Ein Bündnis von über 20 Wirtschafts-, Umwelt- und Verbraucherverbänden fordert einen „Gipfel für Energiesouveränität", um von russischen Energielieferungen schnell unabhängig zu werden und Versorgungskrisen vorzubeugen.

Christian Noll, geschäftsführender Vorstand, Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz: “Energiesparen ist zum Gebot der nationalen Sicherheit geworden. Allein durch Umstellung der Energieversorgung lässt sich die „strategische Gaslücke“ nicht schließen. Wir rufen daher die Bundesregierung auf, Energieeffizienz als stille Reserve nutzen und stehen mit versammelter Expertise zum Gespräch bereit.” Foto: Screenshot DENEFF Pressekonferenz
Christian Noll, geschäftsführender Vorstand, Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz: “Energiesparen ist zum Gebot der nationalen Sicherheit geworden. Allein durch Umstellung der Energieversorgung lässt sich die „strategische Gaslücke“ nicht schließen. Wir rufen daher die Bundesregierung auf, Energieeffizienz als stille Reserve nutzen und stehen mit versammelter Expertise zum Gespräch bereit.” Foto: Screenshot DENEFF Pressekonferenz

Deutschland und Europa brauchen mehr Souveränität in der Energieversorgung. Die Verbände rufen die Bundesregierung auf, wirksame politische und rechtliche Maßnahmen mit dem Ziel zu vereinbaren, Energieeinsparung und den Ausbau der Erneuerbaren Energien „in einem nie dagewesenen Tempo“ zu beschleunigen. Bundeskanzler Olaf Scholz sowie der Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck sollten zu diesem Gipfel zeitnah einladen, fordert die Verbände-Allianz. „Wir sind bereit“, heißt es in ihrem Appell.

In dem Aufruf erklären die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner ihre Bereitschaft, die Bundesregierung dabei zu unterstützen, alle Kräfte und Ressourcen zu aktivieren. Durch öffentliche Appelle zum Energiesparen, zur Nutzung Erneuerbarer Energien und durch gezielte Unterstützung zahlreicher, teils einfacher, technischer Maßnahmen ließe sich schon kurzfristig der Erdgasbedarf deutlich senken. Neben der energetischen Modernisierung von Gebäuden, in denen der größte Teil des importierten Erdgases genutzt wird, spielen auch Unternehmen und öffentliche Infrastruktur eine wichtige Rolle.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine wecke Erinnerungen an die zum Teil ebenfalls mit Kriegen verbundenen Ölkrisen vergangener Jahrzehnte. Seit langem drängende energiepolitische Herausforderungen müssten jetzt entschlossen angegangen werden. Zum Heizen und für Industrieprozesse, in Kraftwerken und Kraftfahrzeugen verbrauche Deutschland aktuell große Mengen fossiler Energie aus Russland. Um eine drohende Versorgungslücke abzuwenden, müsse es jetzt nicht nur darum gehen, Importe zu diversifizieren, sondern die Potenziale für die sparsame und effiziente Energienutzung und für den Ausbau der Erneuerbaren Energien umgehend zu erschließen.

Was getan werden kann

Der Bundesverband Verbraucherzentralen habe bereits einen 10-Punkte-Plan für mehr Energieunabhängigkeit und Klimaschutz vorgestellt, sagt Thomas Engelke (vzbv). Wichtig sei u.a., Öl- und Gasheizungen schneller auszutauschen, den Heizkostenzuschuss aufzustocken auf bis zu 500 Euro und über ein Klimageld die CO2-Bepreisung zurückzuerstatten.

Viele Bundesländer hätten bis heute das GEG nicht umgesetzt, sondern stattdessen auf Freiwilligkeit vertraut, sagt Jürgen Leppig vom GIH. Dies müsse sich ändern. Zudem müsse beim Neubau und Austausch von Heizungsanlagen verstärkt geprüft werden, ob die Anlagen optimal eingestellt sind. Dies könnten u.U. die Schornsteinfeger mit übernehmen, die ohnehin regelmäßig kommen, um die Abgasanlagen zu überprüfen.

„Für energieeffiziente Häuser und Gebäude brauchen wir eine verlässliche und auskömmliche Förderkulisse, die auch diejenigen Standards fördert, die gefordert werden", erklärt der Vorsitzende der Bundesvereinigung Bauwirtschaft, Marcus Nachbauer. "Konkret heißt das: Wenn das EH 55 zum Standard wird, sollte auch dieser gefördert werden. Dieses gilt umso mehr für den EH 40 Standard. Hier muss die Förderkulisse aufrechterhalten werden; ansonsten laufen wir Gefahr, dass potentielle Bauherren nur noch EH 70 bauen. Das kann nicht in unser aller Interesse sein. Ähnliches gilt für die energetische Sanierung: EH 70 bei Sanierungen ist ambitioniert und sollte daher entsprechend gefördert werden. Das gilt auch für den Einbau von Heizungen, die auf regenerativen Energien beruhen, sowie den Einbau von Solaranlagen. Wir benötigen ein Bündel von Maßnahmen, um schnellstmöglich von russischem Öl und Gas unabhängig zu werden.“

Tobias Pforte von Randow vom Deutschen Naturschutzring fordert u.a., die Verantwortung zum Energiesparen nicht auf einzelne Bürgerinnen und Bürger abzuladen, wenn Effizienz und Energiesparen nun in den Mittelpunkt rücken. Zudem müsse nun endlich das Tempolimit auf die Agenda, denn das spare 10-12 % Kraftstoff, autofreie Sonntage müssten gesetzlich verankert werden und die ÖPNV-Preise herunter.

Das vollständige Papier finden Sie hier zum Download.

Unterzeichnet haben die Erklärung der B.A.U.M. e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Bundesverband Wärmepumpe e.V., der Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V., der Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung, der Bundesverband für Betriebs- und Regenwasser e.V., die Bundesvereinigung Bauwirtschaft, der Deutsche Industrieverband Concentrated Solar Power e.V., die Deutsche Umwelthilfe, die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e.V., der DENEFF EDL_Hub, das Deutsche Energieberater-Netzwerk e.V., der Deutsche Naturschutzring, der Energieberaterverband GIH, der Fachverband Einblasdämmung, Germanwatch e.V., der Industrieverband Polyurethan-Hartschaum e.V., die Repräsentanz Transparente Gebäudehülle, der Verband für Energiedienstleistungen, Effizienz und Contracting e.V. (vedec), der Verband Fenster + Fassade (VFF), der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V., der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) sowie der WWF Deutschland.

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