Metastudie

Schadet oder nützt die Digitalisierung der Umwelt?

Im Bereich Gebäudeautomation kann die Digitalisierung die Umwelt entlasten. Anderswo ist die Wissenschaft nicht so klar.

Einer aktuellen Metastudie des IÖW zufolge kann die Digitalisierung im Bereich Gebäudeautomation Umweltbelastungen von Gebäuden reduzieren. Bild: IÖW
Einer aktuellen Metastudie des IÖW zufolge kann die Digitalisierung im Bereich Gebäudeautomation Umweltbelastungen von Gebäuden reduzieren. Bild: IÖW

Smarte Geräte und Rechenzentren verbrauchen viel Ressourcen und Energie. Einige digitale Technologien können sich jedoch positiv auf die Umwelt auswirken, etwa wenn mit ihrer Hilfe Strom und Heizung in Gebäuden automatisch gesteuert werden.

An anderen Stellen ist die Wissenschaft zur Frage, wie sich negative und positive Umwelteffekte der Digitalisierung zueinander verhalten, weniger klar, wie eine Analyse von 200 Studien durch das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und Technopolis Deutschland im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zeigt. In den meisten Bereichen braucht es mehr belastbare Zahlen. 

Die Metastudie „Nachhaltigkeitseffekte der Digitalisierung“ wertete in acht Themenbereichen aus, bei welchen digitalen Innovationen sich nach aktuellen Erkenntnissen ein positives Potenzial für Klimaschutz und Umweltentlastung zeigt. 

Klare Vorteile im Gebäude- und Energiesektor zu erwarten 

Smarte Mess- und Steuerungstechnik und eine darauf aufbauende Gebäudeautomation bieten die Chance, den Wärme- und Stromverbrauch zu senken. Nützlich sind zudem „virtuelle Kraftwerke“ und Smart Charging, wobei Dienstleister etwa Batteriespeicher in Haushalten und Elektroautos zusammenschalten und gezielt steuern. So verschmelzen Energie- und Mobilitätssysteme miteinander: Das digital gesteuerte Aufladen der vielen Millionen Speicher und Elektroautos kann helfen, Stromnachfrage und -angebot ins Gleichgewicht zu bringen und Emissionen aus fossilen Kraftwerken zu reduzieren.

Mobilität: Mehr ÖPNV ist besser als autonom fahrende PKW

Studien zeigen, dass Straßen effizienter genutzt werden und Energieverbräuche von Fahrzeugen sinken, wenn Routen, Kolonnen oder Ampelschaltungen mithilfe Künstlicher Intelligenz optimiert werden. „Doch die Umwelteffekte beim autonomen Fahren hängen davon ab, ob die neue Technik auch insgesamt die Zahl der Pkw und der gefahrenen Kilometer reduziert“, warnt Christian Lautermann.

Künftige Forschung sollte daher verstärkt Carsharing, Güter- und Busverkehr betrachten: Die Potenziale digitaler Technologien für einen umweltfreundlichen Nahverkehr sind bisher deutlich weniger erforscht als beim Individualverkehr.

Ressourcenverbrauch der Digitalisierung 

Den Effizienz- und Einsparpotenzialen von digitalen Tools stehen Energie- und Ressourcenverbräuche in der Lieferkette und bei der Anwendung gegenüber. Bis zu 4% der weltweiten Treibhausgasemissionen entstehen durch Herstellung und Betrieb digitaler Geräte. Eine Stunde Surfen auf Plattformen wie Social Media oder Streaming-Diensten kann je nach Berechnungsmethode bis zu 280 g COverbrauchen. Bei einem KI-Trainingsdurchlauf entstehen, je nach Berechnungsmethode und Strommix, sogar bis zu 942 t Treibhausgase – so viel wie etwa 90 Bundesbürger*innen aktuell im Jahr verursachen.

Umweltwirkung ganzheitlich erforschen, Rebound-Effekte berücksichtigen

„Studien zeigen, dass der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) zu einer Reduktion der nationalen Treibhausgasbilanz beitragen kann“, erklärt Jan Stede von Technopolis Deutschland, der das Projekt leitet.

„Dieser positive Effekt ist jedoch ambivalent zu bewerten: Die klimaintensive Produktion von digitalen Technologien findet oft in anderen Ländern statt. Zukünftige Forschung zur Klimawirkung von Digitalisierung sollte daher verstärkt die Verlagerung der Emissionen in der Produktion, aber auch Rebound-Effekte in den Blick nehmen.“

Rebound-Effekte gibt es etwa in der Industrie: Zwar können Produktionsprozesse durch eine digitale Vernetzung energiesparender ablaufen. Wenn die Automatisierung jedoch zu einer höheren Produktion führt, kann dies einen Teil der Einsparungen wieder zunichtemachen. Solche Effekte sollten bei einer Bilanzierung der Gesamtauswirkungen der Digitalisierung zumindest näherungsweise eingerechnet werden.

Hinzu kommt, dass die meisten Studien nur CO2-Effekte quantifizieren. Eine umfassende Lebenszyklusanalyse würde hingegen auch andere direkte und indirekte Folgen betrachten – von Umweltverschmutzung bis zu Auswirkungen auf die Biodiversität. 

Mario Brandenburg, Parlamentarischer Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung, beurteilt die Ergebnisse dennoch positiv: „Wir wollen die Potenziale der Digitalisierung zur Verwirklichung von Nachhaltigkeit nutzen. Die Metastudie zeigt auf, wo dafür die größten Hebel liegen und wo wir noch Forschungsbedarf haben. Mit unserer Forschungsförderung an der Schnittstelle zwischen Digitalisierung und Nachhaltigkeit tragen wir dazu bei, eine breitere Datengrundlage und digitale Nachhaltigkeitsinnovationen zu schaffen. Die Ergebnisse und Empfehlungen der Studie bestärken uns darin, dass wir mit einem systemischen Förderansatz auf dem richtigen Weg sind.“

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