IHK Townhall

Geothermie & Co. für die Wärmewende in Berliner Quartieren

Am 15. Januar lud die IHK Berlin zum Kick-Off ihres Netzwerks CO2zero und des Berliner Landes-Tiefengeothermie-Projektes RENEWAC. Diskutiert wurden Pläne und Visionen für erneuerbare Wärme in Berlin.

v.l.n.r.: Jörg Lorenz, Vorstandsvorsitzender CO2zero Berlin-Brandenburg e.V., Prof. Dr. Dieter Flämig, stellvertretender Vorsitzender und Geschäftsführer von INFRANEU e.V., Manja Schreiner, Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, Prof. Dr. Ingo Sasse, Sektionsleiter Geoenergie, Deutsches GeoForschungsZentrum und Henrik Vagt, Geschäftsführer Wirtschaft & Politik, IHK Berlin. Foto: HUSS MEDIEN GmbH
v.l.n.r.: Jörg Lorenz, Vorstandsvorsitzender CO2zero Berlin-Brandenburg e.V., Prof. Dr. Dieter Flämig, stellvertretender Vorsitzender und Geschäftsführer von INFRANEU e.V., Manja Schreiner, Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, Prof. Dr. Ingo Sasse, Sektionsleiter Geoenergie, Deutsches GeoForschungsZentrum und Henrik Vagt, Geschäftsführer Wirtschaft & Politik, IHK Berlin. Foto: HUSS MEDIEN GmbH

Von Silke Schilling, Chefredaktion MGT

Das Treffen, an dem Vertreter:innen aus der Berliner Stadt- und den Bezirksverwaltungen, Architektur- und Ingenieurbüros sowie dem Handwerk teilnahmen, drehte sich darum, wie sich der Klimaschutz im Berliner Gebäudesektor umsetzen lässt.

Der Sektor habe in den letzten Jahren wiederholt die Klimaziele gerissen, sagt Manja Schreiner, Berlins Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt (CDU), in ihrer Keynote. Sie denke aber, dass sich das in den kommenden Jahren aufholen lasse. Einen großen Anteil an der Dekarbonisierung der Berliner Gebäude werde die geplante Umstellung der Wärmenetze von derzeit Kohle, Öl und Gas auf erneuerbare Energien haben, so Schreiner. Ihre Verwaltung erstelle zudem ein Wärmekataster, in dem bis Ende 2025 alle Gebäude mit ihren Daten erfasst sein sollen.

Tiefe Geothermie in Berlin

Die Tiefe Geothermie in Berlin werde künftig eine zentrale Rolle spielen, ist sich Manja Schreiner sicher. In ihrer Keynote betonte sie ihre Begeisterung für das Thema und ihre Freude darüber, dass ihr Haus eine große Abteilung dafür hat.

Berlin hat im Sommer 2023 eine Roadmap für Tiefe Geothermie in Berlin aufgelegt. In diesem Zuge werden zahlreiche Tiefbohrungen und 3D-seismische Messungen durchgeführt. Damit trage das Land das Fündigkeitsrisiko, d.h. das Risiko, dass Menge oder Temperatur des geförderten Thermalwassers am jeweiligen Standort möglicherweise nicht ausreichend für einen wirtschaftlichen Betrieb seien. Berlin könne sich schon mal auf die Rüttelgeräusche einstellen, die mit den Erkundungen in jedem Bezirk einhergehen. Die Stadt strebe zudem eine Änderung des Bergrechts an.

Die Fernwärmenetze der Stadt befinden sich in den Händen mehrerer Eigentümer. Berlin kauft zum Frühjahr 2024 das 1999 privatisierte Vattenfall-Netz für die Summe von voraussichtlich 1,6 Mrd. Euro zurück./1/Frau Schreiner, die nach ihren Worten keine Freundin vom „Staat als Unternehmer“ ist, macht an dieser Stelle eine Ausnahme. Berlin habe damit die Dekarbonisierung des Netzes selbst in der Hand.

Forschungsstandort Buch

Konkret umgesetzt werden soll die Nutzung der Geothermie u.a. am Campus Berlin Buch. Unter dem Namen RENEWAC werden hier - neben den Standorten Flughafen Berlin-Tegel und dem Fernheizwerk Neukölln AG - die Potenziale der Tiefen Geothermie als „valider Teil der klimaneutralen Wärmeversorgung Berlin 2035“ untersucht. Nutznießer ist neben dem Klinik- und Forschungsstandort Buch die Wohnungs- und Gewerbeimmobilienwirtschaft vor Ort und letztlich ganz Berlin.

Dr. Christina Quensel, Geschäftsführerin, Campus Berlin-Buch GmbH. Foto: HUSS MEDIEN GmbH
Dr. Christina Quensel, Geschäftsführerin am Campus Berlin-Buch GmbH. Foto: HUSS MEDIEN GmbH

Die geologischen Bedingungen und die geothermischen Potenziale Berlins und des aktuellen Projektes stellte Prof. Ingo Sass, Sektionsleiter Geoenergie vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ vor, das an allen Berliner Projekten beteiligt ist. Sass ist auch Leiter des Kompetenzfeldes Geothermie beim CO2zero e.V.. Den Standort und seine energetische Zukunft erläuterte Dr. Christina Quensel, Geschäftsführerin des Campus Berlin-Buch GmbH. Weitere Informationen dazu unter untenstehendem Link.

Schrittweise wachsende Nullemissions-Quartiere

Ideen und weitreichende Visionen insbesondere für die Dekarbonisierung des Berliner Gebäudebestandes formulierte Taco Holthuizen, Geschäftsführer der eZeit Ingenieure GmbH und Leiter des Kompetenzfeldes Integrale Konzepte und Transformationsstrategien beim CO2zero e.V.. Mit seinen Büros hat er viele davon auch bereits umgesetzt, u.a. in einer Wohnanlage der der Wohnungsbaugenossenschaft Märkische Scholle aus den 30er und 60er Jahren in Berlin Lichterfelde.

Das Förderprogramm der KfW zur energetischen Sanierung hält er für nicht hilfreich, denn es belohne unnötige Maßnahmen. In Lichterfelde habe man zwei KfW-Standards, nämlich 70 und 85 umgesetzt. Dabei habe sich gezeigt, dass übermäßige Dämmdicken nicht zu effizienteren Gebäuden führen.

Für die Sanierung des Bestandes müssten nicht alle Gebäudeeigner sofort die „Voll-Lösung“ einsetzen. Holthuizen schlägt vielmehr ein Vorgehen in mehreren Schritten vor, das gering-investive Maßnahmen einschließt und Kosten über längere Zeiträume verteilt. Das könnte etwa wie folgt aussehen:

  • Dachboden- und Kellerdämmung
  • vernetzte Raumregelung
  • zentrale Abluft-WRG und Wärmepumpe
  • Solarenergie nutzen
  • und schließlich Geothermienutzung, die aber in der Innenstadt ein Platzproblem habe.

Fernwärme und lokale Wärmenetze könnten dabei eine unterstützende Funktion erfüllen.

5GDHC-Umweltwärmenetz

Zu den Visionen seines Kollegen Michael Viernickel, Projektkoordinator bei eZeit Ingenieure, gehört der Aufbau eines Netzes für die saisonale Wärmespeicherung: Passive Wärme, die insbesondere im Sommer reichlich zur Verfügung steht, könne gesammelt und in den unteren Grundwasserschichten gespeichert werden. Im Winter holt man sie dann herauf und speist sie ins Netz ein. Dieses so genannte 5GDHC-Umweltwärmenetz könnte zudem im Sommer kühlen, was mit fortschreitendem Klimawandel immer wichtiger werde.

Mittel zum Zweck könnten Horizontal-Zirkulationsbrunnen mit 30 m Zieltiefe sein, bei denen es sich um keine neue Erfindung handelt. Mit seitlichen Brunnenfiltern - in zwei Etagen zur Herstellung eines Wasser/Wärmekreislaufs - ergibt sich jeweils ein Saisonalspeicher mit 200 m Durchmesser. Als Niedertemperaturquellen für einen solchen Speicher passiver Wärmegewinne seien überheizte U-Bahntunnel und Straßenschluchten, Klimaanlagen für die Gebäude- wie auch die Serverkühlung von Rechenzentren, Flusswasser aus Spree und Havel, Abwasserleitungen und weitere denkbar. Das Spreewasser sei etwa heute schon viel zu warm und so könnten gleich zwei Übel beseitigt werden.

Die Umsetzung steht derzeit noch in den Sternen. Vorstellbar wäre eine solches System aber zum Beispiel am Kottbuser Tor in Berlin Kreuzberg in einem Bestandsobjekt der Berliner Wohnungsbaugesellschaft Howoge.

Townhall-Format soll ausgebaut werden

Das Treffen schloss mit Präsentationen und Pitches von KMU und Start-ups, die im Bereich Kommunale Wärmeplanung unterwegs sind:

  • Modellieren, Optimieren, Analysieren, Entscheiden: Visualisierung energetischer Komponenten in der Region, Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik e. V.
  • Digitale Zwillinge im Quartier zum "Selbermachen" und gesetzeskonforme Nachweise im CSR/ESG Bericht, urban energy GmbH  
  • Anlagencontrolling im Quartier und Energie-Managementsysteme, Elmatic GmbH
  • Innovative Wärmenetze auf Solarthermie-Basis, AKOTEC Produktionsgesellschaft MbH

Die IHK Berlin und das Netzwerk CO2zero wollen das Format fortsetzen und künftig den Townhall-Charakter, d.h. den direkten Dialog zwischen Teilnehmenden und der Politik, vertiefen.

Fußnote
/1/ Das schwedische Energieversorgungsunternehmen Vattenfall will bis 2040 klimaneutral sein. Neben Dekarbonisierungsmaßnahmen an unternehmenseigenen Anlagen wird dabei auch auf die Veräußerung CO2-intensiver Sparten gesetzt. So verkaufte das Unternehmen bereits 2016 seine Braunkohlesparte in der Lausitz an den tschechischen Konzern EPH. EPH führt gemeinsam mit dem Finanzpartner PPF das Geschäft unter dem Namen Lausitz Energie Kraftwerke AG (LEAG) weiter. Die LEAG verursachen nicht nur weiterhin Emissionen, sondern Recherchen des Netzwerks correctiv zufolge auch beträchtliche Probleme für die Trinkwasserversorgung in Berlin und Brandenburg. Diese werden, folgt man correctiv, mit dem deutschen Kohleausstiegsdatum 2038 nicht enden. Greenpeace hatte 2015 einen alternativen Transformationsfahrplan für Vattenfall vorgelegt, der zum Kohleausstieg bis 2030 hätte führen können. Dem wurde jedoch nicht gefolgt, ebenso wenig wie dem nachfolgenden Vorschlag der Umweltschutzorganisation, den Tagebau selbst zu kaufen, damit die Kohle im Boden bleibt.
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