Grundsteinlegung im Marienpark

Digitale Wärme für Berliner Quartiere

Am 06. Juni wurde auf einem ehemaligen Gaswerkgelände in Berlin der Grundstein für ein erstes von vier Rechenzentren gelegt, die neben umfangreicher Rechenkapazität für IT-Unternehmen auch Wärme für das Quartier liefern werden.

Im Marienpark Berlin entstehen vier neue Rechenzentren des britischen Investors Virtus Data Centres mit perspektivisch 90 MW Leistung (vorn links im Modell). Die historischen Gebäude der Berliner Gaswerke bleiben erhalten. Foto: Huss-Medien GmbH
Im Marienpark Berlin entstehen vier neue Rechenzentren des britischen Investors Virtus Data Centres mit perspektivisch 90 MW Leistung (vorn links im Modell). Die historischen Gebäude der Berliner Gaswerke bleiben erhalten. Foto: Huss-Medien GmbH

Digitalstandort für Berlin

Berlin will zum europäischen Mittelpunkt der schönen neuen digitalen Wirtschaftswelt werden und wird in den kommenden Jahren der Gründerszene mit zahlreichen neuen Rechenzentren Entwicklungsraum bieten.

Im Süden der Stadt entstehen derzeit auf dem historischen Gelände des Berliner Energieversorgers Gasag eine ganze Reihe ihrer Art. Zwei Häuser im Eigentum von NTT Data Berlin sind bereits fertig, für den ersten von vier weiteren Blöcken wurde am 06. Juni feierlich der Grundstein gelegt. Errichtet und betrieben werden sie vom britischen Investor Virtus Data Centres, das bislang in Großbritannien Rechenzentren entwickelt. Mit diesem Projekt setzt das Unternehmen erstmals seinen Fuß aus dem Land heraus und wird auch erstmals Abwärme nutzbar machen. In Deutschland hat man gleich zwei Standorte erworben: neben dem Marienpark ist mit Wustermark westlich von Berlin ein weiterer, noch weit größerer in Arbeit. Im Marienpark sind perspektivisch 90 MW Leistung vorgesehen. Mit der Fertigstellung des ersten der vier neuen Blöcke sollen im kommenden Jahr 6 MW davon in Betrieb gehen. In Wustermark entstehen neun Blöcke mit insgesamt 380 MW Rechenleistung.

Grüner Strom für CO2-freie Wärme

Künstliche Intelligenz, die in mehr und mehr Bereichen Anwendung findet, benötigt ein Vielfaches an Rechenkapazität und damit auch Serverleistung wie die konventionelle Datennutzung – und natürlich Strom. Das Berliner Stromnetz gibt das derzeit nicht her, soll aber nach und nach erweitert werden. In den nächsten zehn Jahren soll seine Kapazität verdoppelt werden, sagt u. a. Franziska Giffey, Bürgermeisterin und Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe.

Grundsteinlegung für Data Center. Links Michael Dada, Managing Director Germany bei VIRTUS Data Centres (UK) und Franziska Giffey, Bürgermeisterin und Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe. Rechts Georg Friedrichs, Vorstandsvorsitzender GASAG, und Chris Barton, Handelskommissar Ihrer Majestät für Europa. Bild: Huss-Medien GmbH
Feierliche Grundsteinlegung für ein Hochleistungs-Datacenter. v.l.n.r. Rupprecht Rittweger, Investa Holding; Michael Dada, Virtus Data Centres; Franziska Giffey, Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe; Christina Mertens, Virtus Data Centres; Georg Friedrichs, Gasag; Chris Barton, Handelskommissar Ihrer Majestät für Europa

Der Strom für die Server der Virtus Rechenzentren werde aus erneuerbaren Quellen wie Solar-, Wind- und Batteriespeicherparks (Li, H2) stammen; dafür schließe man exklusive Abnahmeverträge mit entsprechenden Garantien, sagt Nico Köllner, Managing Director bei Data2Heat, einem Joint-Venture der Investa Real Estate und Gasag Solution Plus. Im Rahmen dieses Projektes werden Partnerschaften mit Rechenzentren geschlossen, damit die Abwärme zum Abnehmer gelangt.

Server als Wärmequelle

Ab 2026 sind Betreiber neuer Rechenzentren nach dem Energieeffizienzgesetz verpflichtet, 10 % ihrer Abwärme zu nutzen; ab 2028 sind es 20 %. Diese Abwärme soll z.B. in benachbarten Krankenhäusern, Schwimmbädern oder anderen Partnern genutzt werden. Oder sie kann Nahwärmenetze speisen, wie es am Standort im Berliner Süden vorgesehen ist.

„In der Gasag-Gruppe setzen wir stark auf die Nutzung von Abwärme aus Rechenzentren" sagt Georg Friedrichs, Vorstandsvorsitzender Gasag. „In Berlin machen wir so sichtbar, wie Digitalisierung und Wärmewende Hand in Hand gehen können – klimafreundlich, effizient und zukunftsfähig.“

Mit Leistungen wie im Marienpark nimmt auch die Wärmemenge exponentiell zu, die beim Betrieb der Server entsteht. Eine konventionelle Luftkühlung kann hier wenig erreichen, daher wird man auf Flüssigkeitskühlung setzen, die nach Aussage des Betreibers für die Wärmegewinnung einfacher anzuzapfen ist.

Funktionsschema des Abwärme-zu-Nahwärme-Konzeptes im Marienpark. Grafik: Gasag Solutions
Funktionsschema des Abwärme-zu-Nahwärme-Konzeptes im Marienpark. Grafik:  Gasag Solution Plus

Die Virtus Rechenzentren stellen Abwärme für die Beheizung des zum großen Teil neu entstehenden Wohn- und Gewerbequartiers auf dem früheren Gasag-Gelände sowie für diverse Abnehmer aus dem umliegenden Gebäudebestand bereit. Der Campus kann in den nächsten fünf bis zehn Jahren potenziell rund 5.000 Haushalte mit Nahwärme versorgen. 

Das gelieferte Temperaturniveau wird in einer neu zu errichtenden Energiezentrale mit Großwärmepumpen angehoben und in das Netz eingespeist. Für den älteren Gebäudebestand wird die Vorlauftemperatur je nach Bedarf vor Ort mit einer Booster-Wärmepumpe (Wasser/Wasser) erneut angehoben. Data2Heat bzw. der Vertragspartner Gasag Solutions sorgen für die Verlegung bis ins Gebäude. 

Endkunden, d.h. Mieter, könnten mit einem wettbewerbsfähigen Preis für ihre benötigte Wärme rechnen, sagt Nico Köllner. Der Wettbewerb, das seien in diesem Falle allerdings nicht andere Netzanbieter, sondern dezentrale Lösungen wie etwa lokale Wärmepumpen. Der Benchmark-Wärmepreis für die konstant zur Verfügung stehende CO2-freie Wärme aus dem Rechenzentrum bewege sich in den Neubau-Projekten bei etwa 2 €/m² im Monat. Für anzuschließende Bestandsgebäude seien noch keine Zahlen verfügbar. 

(Sc)

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