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Das EuGH-Arbeitszeiturteil vom Mai 2019 – wo stehen wir?

Der EuGH entschied, dass Arbeitgeber nicht allein die von ihren Arbeitnehmern geleisteten Überstunden zu erfassen haben, sondern deren gesamte tägliche Arbeitszeit. Geändert hat sich wenig.

stock.adobe.com/By Grecaud Paul
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Von Dean Mühleisen, Rechtsanwalt,  Ulrich Weber & Partner mbB
und Robert Pomes, MBA Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt), ITGA BW e.V.

Vor zwei Jahren sorgte der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit einer Entscheidung zur Arbeitszeitrichtlinie für großes Aufsehen. In seiner Entscheidung vom 14.05.2019 leitet der EuGH aus der Arbeitszeitrichtlinie ab, dass Arbeitgeber nicht allein die von ihren Arbeitnehmern geleisteten Überstunden zu erfassen haben, sondern deren gesamte tägliche Arbeitszeit.                                                        

Das Echo auf die Entscheidung war entsprechend groß, weil das deutsche Recht, konkret § 16 Abs. 2 Satz 1 ArbZG den Arbeitgeber bislang allein verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen, also jene Arbeitszeit, die die 8-stündige werktägliche Arbeitszeit überschreitet. Angesichts dieser Rechtslage war die dem EuGH-Verfahren vorausgegangene Weigerung der Deutschen Bank gegenüber der spanischen Gewerkschaft Comisiones Obreras (CCOO) verständlich, ein System zur vollständigen Arbeitszeiterfassung einzuführen.

Bekanntlich folgte der Europäische Gerichtshof jedoch dem Rechtsstandpunkt der Gewerkschaft CCOO. Effektiver Arbeitsschutz sei nur dann gewährleistet, wenn nicht lediglich die Überstunden erfasst würden sowie die Sonn- und Feiertagsarbeit, sondern vielmehr die gesamte tägliche Arbeitszeit. Ohne ein System, mit dem die tägliche Arbeitszeit eines jeden Arbeitnehmers gemessen werden könne, ließen sich weder die Zahl der geleisteten Arbeitsstunden und ihre zeitliche Verteilung noch die Zahl der Überstunden objektiv und verlässlich ermitteln.

So gewaltig das Echo auf die Entscheidung war: Viel geändert hat sich tatsächlich nicht. Die Arbeitgeberverbände zeigten Gelassenheit insoweit, dass dem Urteil keine gesetzgeberische Wirkung beigemessen werden könne. Unterstrichen wurde weiter, dass bereits die EU-Arbeitszeitrichtlinie ihrem Wortlaut nach eine Pflicht zur Aufzeichnung der gesamten Arbeitszeit den Arbeitgebern nicht vorschreibe. Sie sei in diesem Sinn auch nicht verstanden und so auch nicht ausgelegt worden. Relativiert wurde die Entscheidung von den Verbänden auch dahin, dass der EuGH nicht allein der Arbeitgeber verpflichtet und dazu befähigt ansieht, die Arbeitszeit zu erfassen. Er sei ferner berechtigt, die Arbeitnehmer in sein System der Zeiterfassung miteinzubeziehen, etwa durch die Ausfüllung von Stundenzetteln etc. Solange der deutsche Gesetzgeber das Arbeitszeitgesetz noch nicht geändert habe, könnten weder Betriebsrat noch Arbeitnehmer vom Arbeitgeber unter Berufung auf das EuGH-Urteil eine vollständige Erfassung der Arbeitszeit verlangen.

Neue Klage könnte Änderung bringen

Dass dies von den Gewerkschaften anders beurteilt wird, kann nicht überraschen. Überraschen würde es aber auch nicht, schlösse sich das Bundesarbeitsgericht deren Auffassung an. Noch liegt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts nicht vor. Lange warten wird man hierauf aber nicht mehr müssen: Das Arbeitsgericht Emden setzte sich in seiner Entscheidung vom 20.02.2020 mit der Klage eines Arbeitnehmers auf Vergütung von Überstunden auseinander. Das Arbeitsgericht Emden kam hierbei zum Ergebnis, dass der Arbeitgeber die seitens des Mitarbeiters geltend gemachten und dargelegten Überstunden nur dann wirksam widerlegen könne, wenn er ein System zur Arbeitszeiterfassung vorhalte, das den Vorgaben und Anforderungen des EUGH entspreche.

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hob die Entscheidung zwar auf, ließ die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) allerdings zu. Ob das BAG die Auffassung des Arbeitsgerichts Emden teilt, dass für Fragen der Überstundenvergütung und der Darlegungs- und Beweislastverteilung europäisches Recht und der EuGH zuständig sind? Hegte man diese Befürchtung, so wäre Arbeitgebern zu raten, möglichst rasch eine automatisierte Zeiterfassung anzuschaffen. In der Form der Mittel wären die Arbeitgeber in der vorskizzierten Weise frei.

Der EuGH setzte sich in seiner Entscheidung mit dem „System“ zur Arbeitszeiterfassung im Detail nicht auseinander. Welche Ergänzungen das ArbZG erfahren wird, bleibt abzuwarten.

Bleibt zuletzt die Frage, was auf Regierungsebene erreicht wurde. Mehr als ein Gesetzesvorhaben gibt es nicht. Und: in den kommenden Wochen und Monaten ist nach Einschätzung von Regierungsbeobachtern auch nichts zu erwarten. Der Corona-Pandemie wird es (mit) zuzuschreiben sein, dass das Gesetzesvorhaben Arbeitszeitgesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr umgesetzt wird.

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