Energieoptimierung in den Händen eines Dienstleisters
In Deutschland gibt es ca. 2,7 Mio. Nichtwohngebäude. Das entspricht etwa einem Siebtel des Gesamtgebäudebestands. Aufgrund ihrer großen Fläche je Gebäude und der hohen quadratmeterbezogenen Verbräuche gehen jedoch 36 % des Gebäudeenergieverbrauchs auf ihr Konto. Zu den Nichtwohngebäuden zählen neben Büros, Produktionsstätten, Supermärkten oder Hotels auch etwa 186.000 öffentliche Gebäude von Bund, Ländern und Kommunen. Viele davon gehören zum Lebensalltag – sei es das Museum, die Schule oder das Schwimmbad. Allein 175.000 Gebäude umfasst der kommunale Bestand. Sein Betrieb ist mit erheblichen Energiekosten verbunden: Für die Strom- und Wärmeversorgung geben Kommunen jedes Jahr rund 4 Mrd. Euro aus.
Klimaneutral bis 2050
Damit der Gebäudebestand, wie von der Bundesregierung angestrebt, bis 2050 klimaneutral wird, muss die Sanierungsrate steigen. Doch was bedeutet das für die knapp 12.000 Städte und Gemeinden? Energieeffizienz ist für die öffentliche Hand ein zentrales Thema, nicht nur wegen der Kosten, sondern auch, weil Bund, Länder und Kommunen in Sachen Klimaschutz und Energieeffizienz Vorbild sein sollen. Insbesondere für Kommunen ist das eine große Herausforderung, fehlt es doch nicht selten an finanziellen oder personellen Ressourcen oder am Know-how, um die Energiesparpotenziale der eigenen Liegenschaften zu heben.
Gerade für Kommunen – aber auch für private Eigentümer von Nichtwohngebäuden – sind deshalb Modelle besonders interessant, mit denen Effizienzmaßnahmen ohne Investitionen aus dem eigenen Haushalt, ohne zusätzliches Personal oder ohne die Aneignung umfangreichen Spezialwissens realisiert werden können. Genau diese Vorteile bietet das Dienstleistungsmodell Energiespar-Contracting (ESC).
Energieoptimierung per Contracting
Beim ESC überträgt der Gebäudeeigentümer die Energieoptimierung einem darauf spezialisierten privaten Dienstleistungsunternehmen, dem Contractor. Dieser betrachtet das Gebäude ganzheitlich mit dem Ziel, sowohl den Energieverbrauch und die Energiekosten als auch die CO2-Emissionen zu minimieren. Die Höhe der Einsparung wird vertraglich garantiert. Um diese zu erreichen, plant und realisiert er individuell auf die Liegenschaft zugeschnittene Effizienzmaßnahmen, tätigt in der Regel die notwendigen Investitionen und kümmert sich um die Instandhaltung der neuen Technik, eine optimierte Betriebsführung und, wenn gewünscht, auch um die Wartung. Durch Monitoring und kontinuierliches Optimieren gewährleistet er, dass die Einsparung auch erreicht wird. Die Dienstleistungen und Investitionen refinanzieren sich durch einen Teil der eingesparten Energiekosten.
„Die richtigen Energieeffizienzmaßnahmen können die Ausgaben für Energie erheblich senken. Das Dienstleistungsmodell ESC eröffnet Gebäudeeigentümern neue Spielräume. Planer und Architekten sind daher gut beraten, ESC als möglichen Umsetzungsweg für Effizienzmaßnahmen schon zu Beginn eines Bau- oder Sanierungsprojekts mit zu bedenken“, sagt Dr. Ronny Bischof, Teamleiter Energieeffiziente Gebäude bei der Deutschen Energie-Agentur dena.
ESC ist nicht gleich ELC
Nicht zu verwechseln ist ESC mit dem deutlich weiter verbreiteten Energieliefer-Contracting (ELC). Hier investiert der Contractor in eine moderne und energieeffiziente Energieversorgungsanlage, beispielsweise in eine neue Heizkesselanlage oder ein Blockheizkraftwerk. Er liefert dem Auftraggeber über einen festgelegten Vertragszeitraum die darin erzeugte Nutzenergie wie Wärme, Strom und/oder Kälte zu fest vereinbarten Preiskonditionen. Er übernimmt zudem Betrieb, Wartung und Instandhaltung der Anlage. Seine Vergütung erfolgt hier über das Entgelt für die gelieferte Nutzenergie.
ESC eignet sich jedoch nicht für jedes Nichtwohngebäude. Um bei einer Ausschreibung interessante Angebote von Contractoren zu erhalten, sollten die jährlichen Energiekosten eine gewisse Mindesthöhe haben – nach aktuellen Markterfahrungen um die 150.000 Euro. Denn allein die Transaktionskosten, die beim Contractor etwa für die Angebotsbearbeitung und das Projektmanagement anfallen, sind vergleichsweise hoch. Sind die Energiekosten geringer, können auch mehrere Gebäude, z. B. innerhalb einer Kommune oder eines privaten Portfolios, zu einem Gebäudepool zusammengefasst werden. Die Einspargarantie wird dann für den gesamten Pool vereinbart. Geeignet sind oft Verwaltungsgebäude, Universitäten, Krankenhäuser oder Schwimmbäder. Häufig werden Schulen und Kitas in einem Liegenschaftspool mit ESC modernisiert.
ESC-Verträge laufen meist 7 bis 12 Jahre, daher sollte sich die Nutzung der Liegenschaften in den nächsten Jahren nicht zu stark ändern.
Anlagentechnik im Fokus
Was wird im Rahmen eines ESC umgesetzt? Typische Maßnahmen sind beispielsweise die Erneuerung eines alten Heizkessels, der Austausch ineffizienter Pumpen, der hydraulische Abgleich der Heizungsanlage, die Optimierung oder der Einbau einer Gebäudeleittechnik oder auch der Einsatz energieeffizienter Leuchten. Aber auch ein höherer Modernisierungsbedarf der Anlagentechnik oder weitere Maßnahmen an der Gebäudehülle lassen sich gut mit ESC umsetzen. Lassen sich die Investitionen nicht allein aus der Energiekosteneinsparung während der Vertragslaufzeit refinanzieren, kann ein Investitionskostenzuschuss durch den Gebäudeeigentümer helfen, den Vorteil der Einspargarantie auch für umfangreichere energetische Modernisierungsmaßnahmen zu nutzen. Alternativ sind auch eine Laufzeitverlängerung des Vertrags oder passende Fördermittel denkbar.
Erfolgreiches ESC am Beispiel Städtische Theater Chemnitz
Die Städtischen Theater Chemnitz konnten ihre Energiekosten mit Hilfe von ESC seit 2015 um jährlich mehr als 120.000 Euro senken. Die Gebäudetechnik der 1909 errichteten Oper und des benachbarten Schauspielhauses von 1980 waren völlig veraltet. Mit zahlreichen Effizienzmaßnahmen konnte der Contractor E1 Energiemanagement den Energieverbrauch und damit die Energiekosten um ein Drittel reduzieren. Dafür wurden sieben Lüftungs- und Klimaanlagen mit Volumenströmen von 4.500 bis 22.000 m³/h erneuert, das Kanalsystem im Bühnenturm modernisiert, drei Wärmerückgewinnungsanlagen als Kreislaufverbundsysteme sowie 20 neue hocheffiziente Umwälzpumpen installiert. Weiterhin wurden die Warmwasserbereitung erneuert und Wasser sparende Duschköpfte installiert. Die Fernwärmeanschlussleistungen wurden um 170 bzw. 640 kW angepasst, 800 Leuchten erneuert und Beleuchtungssteuerungen installiert, die Halogenstrahler auf der Bühne durch LED-Strahler ersetzt, die Regelungstechnik komplett erneuert sowie eine Gebäudeleittechnik aufgebaut. Außerdem wurden 70 Fenster ausgetauscht, um die Wärmeverluste durch die Gebäudehülle zu verringern.
ESC-Modellprojekte als Impulsgeber mit Vorbildfunktion
Warum nutzen dann nicht viel mehr Kommunen ESC? Neben Hemmnissen wie hoher Komplexität, unterschiedlicher rechtlicher Rahmenbedingungen in den Bundesländern oder mitunter auch Vorbehalten gegenüber einem Dienstleister fehlt es an nachahmenswerten Beispielen.
„Städte, Gemeinden und Landkreise sind sich ihrer Verantwortung in Sachen Energieeffizienz und Klimaschutz bewusst und stehen ESC grundsätzlich offen gegenüber. Jedoch wünschen sie sich mehr positive Umsetzungsbeispiele, die ihnen Orientierungshilfe bieten und von denen sie lernen können“, sagt Cornelia Schuch, Teamleiterin Energieeffiziente Gebäude bei der dena.
Deshalb hat die dena im Jahr 2019 gemeinsam mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und zahlreichen Unterstützern auf regionaler und lokaler Ebene das Modellvorhaben „CO2ntracting: build the future! – Kommunen und Länder machen ihre Gebäude fit“ gestartet. In dessen Rahmen werden bis 2021 bundesweit qualitativ hochwertige ESC-Projekte initiiert und zur Umsetzung gebracht.
Die ESC-Modellprojekte werden von der Orientierungsberatung über die gesamte Ausschreibungs- und Umsetzungsphase systematisch begleitet und durch fachkundige Projektentwickler unterstützt. Die Modellprojekte werden auf ihre Erfolgsfaktoren hin ausgewertet und als Vorbilder in die Breite kommuniziert. So sollen sie andere Kommunen und Länder zum Nachahmen anregen.
Die ESC-Modellprojekte sind die Städte Pinneberg, Ratingen, Weil der Stadt und Konstanz, die Landkreise Mecklenburgische Seenplatte, Nordsachsen, Oder-Spree und Unstrut-Hainich sowie die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Die Liegenschaften umfassen mehr als 160 Gebäude, darunter Schulen, Berufsschulzentren, Verwaltungs- und Produktionsgebäude, Sportstätten, Gebäude von Polizei und Justizvollzugsanstalt und ein Schloss.
Wissenstransfer & Know-how-Aufbau: Angebote der dena – auch für Planer
Mit dem Projekt „Bund-Länder-Dialog ESC“ hat die dena seit 2015 einen kontinuierlichen Austausch zwischen Bund und Ländern zum ESC etabliert. Ziel des Dialogs ist es vor allem, den ESC-Markt zu stärken. Dafür sollen die unterschiedlichen rechtlichen Rahmenbedingungen für Contracting in den Bundesländern verbessert sowie regionale Kompetenzen aufgebaut und gefestigt werden. Damit dies gelingt, bezieht die dena alle relevanten Akteure mit ein: von politischen Entscheidern über Contracting-Anbieter bis hin zu Multiplikatoren. In unterschiedlichen Formaten besteht die Möglichkeit, sich kostenfrei und entsprechend des Wissensstands zu informieren und sich bundesweit zu vernetzen: Schulungen und Seminare verbessern das ESC-Know-how und sollen dazu beitragen, dass ESC mehr genutzt wird – auf Nachfrage- und Anbieterseite. Angesprochen sind hier u. a. Effizienznetzwerke, Energieberater, Stadtwerke oder das Handwerk. Außerdem veranstaltet die dena spezielle Workshops zu einzelnen fachlichen Aspekten von ESC wie Finanzierung oder Geschäftsmodelle.
Fazit: ESC im Auge behalten
ESC ist eine attraktive Beschaffungsvariante für Effizienzmaßnahmen und bietet neben der Einspargarantie umfassendes Know-how und Serviceleistungen. Das macht es für Gebäudeeigentümer zu einer echten Alternative zur energetischen Modernisierung in Eigenregie. Für Architekten, Planer und Energieberater lohnt es sich daher, die Möglichkeit eines ESC stets schon zu Beginn eines Sanierungs- oder Bauprojekts mit zu bedenken. Wer sich mit ESC auskennt, kann sich auf dem Energiedienstleistungsmarkt neue Aufgabengebiete erschließen – z. B. bei der Entwicklung und der fachlichen Begleitung solcher Projekte.
Cornelia Schuch
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