Ein Hotel ohne Anschluss

 … an das öffentliche Stromnetz steht ganz im Norden, am Stettiner Haff. Das rund 80 Zimmer große „Haffhus“ ist seit gut zwei Jahren energieautark. Der Grund war der Mehrbedarf an Energie und höhere Spitzenlasten aufgrund des 2018 realisierten, umfangreichen Ausbaus der Hotelanlage. Paradox? Keineswegs.

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Das Hotel Haffhus in Ückermünde versorgt sich komplett selbst mit Energie. Bild: Haffhus
Das Hotel Haffhus in Ückermünde versorgt sich komplett selbst mit Energie. Bild: Haffhus

Das „Haffhus“ ist eine Hotelanlage mit Blick auf Usedom im Seebad Ueckermünde. 2017 hat man sich entschieden, den Spa-Bereich zu vergrößern. Von einer Sauna wurde auf vier ausgebaut, ein großer Außenpool kam genauso hinzu. Außerdem wurde die Anlage um 17 neue Zimmer auf nunmehr 79 erweitert. Etwa 500 kWh werden täglich für den Betrieb benötigt. „Da war uns klar, wir müssen uns mit Energie beschäftigen“, sagt Dirk Klein, Manager im Haffhus.

Hotelbetriebe sind seit jeher darauf ausgerichtet, ihren Gästen alle möglichen „Wohlfühlwünsche“ zu erfüllen. Moderne Einrichtung, freundlicher Service, gutes Essen und Ausflugspakete. Das Thema Energie und ihre Kosten war und ist in aller Regel ein nicht unwesentlicher Faktor in der Kalkulation. Selbstverständlich beschäftigt man sich damit bei Sanierungsplänen sowie bei Um- oder Ausbauten. Andererseits gehen die Überlegungen meistens nicht viel weiter als bis zur Auswahl neuer Wärmeerzeuger, Maßnahmen zur Dämmung der Gebäudehülle, Installation einer effizienten Beleuchtung oder der Installation einer PV-Anlage.

All diese Maßnahmen sind für die Energiewende nützlich und selbstverständlich kann ein Beispiel wie das Haffhus nicht einfach 1:1 auf jedes beliebige Hotel angewendet werden. Nichtsdestotrotz zeigt dieses Projekt, wie es gehen kann, wenn man „groß denkt“.

Verbrauchsspitzen als finanzielle Belastung

Sie sind Grund genug, „off-grid“ zu gehen, denn viele Betriebe zahlen für Spitzenlasten teils hohe Summen an die Netzbetreiber. Die zusätzlichen E-Ladesäulen für Betriebsfahrzeuge und Elektroautos der Gäste hätten sowohl den Stromverbrauch als auch die Spitzenlasten noch einmal kräftig erhöht.

„Wenn wir am Netz geblieben wären, hätten wir unsere Netzanschlusskapazität erhöhen und auch Spitzenlasten bezahlen müssen“, erklärt Klein. „Dazu wären Abregelungsgeräte, Zähler, Blindleistungskompensierung gekommen und die EEG-Umlage für den Eigenverbrauch – bei 300.000 Kilowattstunden immerhin 12.000 Euro pro Jahr. Insgesamt standen alles in allem rund 50.000 Euro Netzanschlusskosten auf unserer Rechnung.“

Und so waren es auch genau diese Spitzenlasten, die eine entscheidende Größe in der Planung des neuen Systems spielten.

Sektorkopplung als Grundidee

Die Basis der Energieversorgung übernimmt der selbst erzeugte Strom aus der (noch) 118 kWp PV-Anlage. Die soll einerseits wachsen und, sobald genehmigungsfähig, durch eine Windkraftanlage unterstützt werden.

Ein 500 kWh Batteriespeicher speichert in etwa den Tagesbedarf und stellt zudem das 50-Hertz-Netz für das Hotel. Stromüberschüsse nimmt hauptsächlich die Wärmepumpe auf. Sie liefert bis zu 150 kW und somit die Hauptleistung im Sommer. Je nach Wettersituation werden vier kleinere BHKW‘s separat zugeschaltet, die in kürzester Zeit bereits die volle Leistung von je 14 kWth und 5,5 kWel bereitstellen können. Sie werden für lediglich rund 10 % des Jahresenergiebedarfs benötigt. In den kälteren Monaten übernimmt neben der Wärmepumpe ein Holzgas-BHKW mit 44 kWth und 18 kWel die Deckung des Energiebedarfs. Das Holzgas wird über einen Holzvergaser aus regional bezogenen Hackschnitzeln gewonnen.

Power-to-Heat

Bei großzügig dimensionierten PV-Anlagen und leistungsstarken KWK-Anlagen können sowohl auf der thermischen als auch auf der elektrischen Seite Überschüsse entstehen. Diese müssen im autarken Netz „irgendwo hin“, wenn sie gerade nicht von der Wärmepumpe, den Elektrofahrzeugen oder den anderen Verbrauchern im Betrieb benötigt werden.

Erreicht der Batteriespeicher die Ladekapazität von 97 %, werden die Wechselrichter in der Leistung begrenzt. Um das zu vermeiden, wird über die Anlagensteuerung automatisch dafür gesorgt, dass die „richtigen“ Heizstäbe in den sieben Pufferspeichern genügend Leistung abnehmen, maximal 66 kW. In den Apartmenthäusern gibt es je einen 800-l-Speicher und im Technikhaus steht ein 28.000-l-Speicher.

Die Blockheizkraftwerke produzieren zu etwa zwei Dritteln Wärme, die im Haffhus bei Bedarf auch im neuen 7 × 18 Meter großen Außenpool gespeichert werden kann. Hebt man nämlich die Wassertemperatur des Pools um nur 1 ° C an, ermöglicht das bereits die Aufnahme von rund 200 kWh der überschüssigen Wärme.

Nicht einfach nur Regeltechnik

Wie bringt man nun unzählige Informationen und Zustandswerte aus den genannten Komponenten in ein System und bildet darauf basierend einen logischen Ablauf ab, der die gesetzten Rahmenbedingungen und Anforderungen zuverlässig einhält und erfüllt?

Man hat sich aus Gründen der benötigen Flexibilität hinsichtlich Programmierung, dezentraler Erweiterbarkeit und Schnittstellen für die frei programmierbaren Steuerungen von Technische Alternative (TA) aus Österreich entschieden. Diese kümmern sich einerseits um die Anforderung der zum jeweiligen Zeitpunkt idealen Wärmeerzeuger in der benötigten Leistungsstufe. Andererseits um die kluge Wärmeverteilung zwischen den Pufferspeichern und dem Pool sowie natürlich die Verteilung der Raumwärme in der gesamten Hotelanlage. Neben der zentralen Regelung übernehmen mehrere Frischwasserstationen der TA die dezentrale Bereitstellung des Warmwassers in den Appartementhäusern.

Über die Hotelmanagement-Software fließen auch Informationen zur aktuellen und zukünftigen Buchungslage ein. Auf diese Weise werden Raumtemperaturen zeitgerecht erreicht bzw. abgesenkt, je nachdem, ob ein Zimmer benötigt wird. Ebenso ist die Belegung eines Appartementhauses dafür ausschlaggebend, ob für den jeweiligen Speicher Wärme überhaupt angefordert werden darf.

Energie sichtbar machen

Für das gesamte Konzept war es wichtig, dass alle Personen im Haus – vom Management über die Mitarbeiter, hier vor allem die Haustechnik und das Housekeeping, und nicht zuletzt auch die Gäste – über aktuelle Ertrags- und Verbrauchswerte Bescheid wissen und sie im jeweiligen Rahmen auch beeinflussen können. Auf jedem Zimmer gibt es ein Tablet mit einer Software für die Gäste, über die diverse Zusatzleistungen gebucht und Informationen abgerufen werden können. Unter anderem sind das auch Informationen zu den Ertragswerten der Photovoltaik, den Verbrauchsdaten der Hotelanlage als Ganzes sowie u. a. aus dem Spa-Bereich mit den Saunen und den Ladesäulen im Detail. Wird beispielsweise eine Sauna angeheizt, werden über das System auch die anderen Gäste informiert. Im Idealfall wird die Sauna so von mehreren Gästen gleichzeitig genutzt.

Möglich macht das u. a. das „Control and Monitoring Interface“ (C.M.I.) der Technische Alternative. Das Modul übernimmt das lückenlose Datenlogging über das gesamte CAN- und ModBus-Netzwerk hinweg und stellt ebenso eine JSON-API bereit, mit der die gesammelten Informationen eben auch in die Hotelsoftware einfließen können.

Nicht zuletzt stehen die Werte inzwischen auch auf der Website des Hotels unter https://energie.haffhus.de öffentlich bereit.

„Wir sind sehr glücklich, dass wir mit Stephan Janbeck einen Profi gefunden haben, der über die nötige Kompetenz in den Bereichen Energie und Nachhaltigkeit verfügt und nicht zuletzt die Programmierung der UVR16x2 Regler der TA beherrscht“, freut sich Dirk Klein bereits auf die weiteren Schritte in der Umsetzung der Digitalisierung seines Hotels.

Jürgen Prazak

Jürgen Prazak
Leiter Marketing, Technische Alternative
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· Artikel im Heft ·

Ein Hotel ohne Anschluss
Seite 26 bis 28
05.12.2023
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