Innovative Kühldeckentechnologie mit Latentwärmespeicher

Büroräume im Sommer thermisch behaglich halten und dabei noch Energie sparen – in seinem Energy Efficiency Center zeigt das ZAE Bayern, wie das geht. Neben Latentwärmespeichermaterialien (PCM) zur Kältespeicherung kommt hier eine ausgeklügelte Regelstrategie zum Einsatz. An der Marktreife wird gearbeitet.

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Das Energy Efficiency Center des ZAE Bayern in Würzburg vereint eine Vielzahl innovativer Materialien, Komponenten und Systeme zur Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz von Gebäuden. Bild: ZAE Bayern
Das Energy Efficiency Center des ZAE Bayern in Würzburg vereint eine Vielzahl innovativer Materialien, Komponenten und Systeme zur Steigerung der Energie- und Ressourceneffizienz von Gebäuden. Bild: ZAE Bayern

Flächenkühlsysteme wie z. B. Kühldecken werden immer häufiger zur Raumkühlung eingesetzt. Im Gegensatz zu Klimageräten, die etwa über die Raumluft kühlen, erreichen sie ihren Kühleffekt größtenteils über die Absorption von Wärmestrahlung, was allgemein als angenehmer empfunden wird. Bei Flächenkühlsystemen sind zudem höhere Kältemitteltemperaturen – typischerweise um die 16 °C – möglich. Dies erlaubt eine effizientere Kälteerzeugung. Prinzipiell können auch kontinuierlich zur Verfügung stehende regenerative Kältequellen, wie z. B. das Erdreich, zur Kälteerzeugung genutzt werden, wodurch sich die Energieeffizienz weiter erhöht.

Lastverschiebung nutzen

Nachteil konventioneller Kühldecken ist analog zu Klimageräten die Gleichzeitigkeit von anfallender Kühllast und Kälteerzeugung, so dass die Kälteerzeugung hier tagsüber erfolgen muss, wenn die Umgebungsbedingungen (hohe Temperaturen) in der Regel ungünstig sind. Vorteilhaft wäre ein Kühldeckensystem, das zwar tagsüber kühlt, die Kälte aber nachts bei günstigeren Umgebungsbedingungen erzeugt. Hierzu werden Kältespeicher benötigt, die jedoch vor allem bei größeren Gebäuden mit hohem Kältebedarf schnell unhandliche Dimensionen annehmen. Eine interessante Lösung stellen hier dezentrale raumintegrierte Latentwärmespeicher dar.

Speichern und Kühlen

Latentwärmespeicher sind thermische Kälte- bzw. Wärmespeicher, die eine sehr hohe Energiespeicherdichte in einem engen Temperaturbereich aufweisen. Diese Materialien durchlaufen bei ihrer Phasenwechseltemperatur einen reversiblen Phasenübergang zwischen fester und flüssiger Phase. Daraus leitet sich auch der englische Begriff Phase Change Material, kurz PCM, ab. Bekanntestes Beispiel für ein PCM ist Wasser, dessen Phasenübergang zu Eis bereits seit vielen Jahrhunderten zur Kühlung eingesetzt wird. Das Eis kann beim Schmelzen aufgrund der hohen Energiespeicherdichte im Phasenwechsel große Wärmemengen latent, d. h. ohne nennenswerte Temperaturänderung, aufnehmen, solange feste und flüssige Phase gleichzeitig vorliegen. Erst wenn der Phasenwechsel komplett abgeschlossen ist, ändert sich die Temperatur wieder entsprechend der Wärmekapazität des Materials. Durch diesen Effekt können solche Materialien Temperaturen puffern und Temperaturänderungen vorbeugen.

Durch die hohe Energiespeicherdichte von PCM lassen sich diese nicht nur für zentrale Speicheranwendungen einsetzen, sondern aufgrund des geringen Platzbedarfs auch modular in den Raum einbringen, beispielsweise in Form einer Kühldecke. Der Speicher ist dann thermisch direkt und nicht über ein separates Heiz- oder Kühlsystem an den Raum gekoppelt. Für eine Anwendung im Raum eignet sich Wasser aufgrund seiner Phasenwechseltemperatur von 0 °C allerdings nicht. In der Gebäudetechnik setzt man stattdessen Materialien ein, deren Phasenwechsel im Bereich der gewünschten Raumtemperatur liegt, wie etwa Paraffine oder Salzhydrate. Während Paraffine technisch einfacher zu handhaben sind, weisen Salzhydrate deutliche Vorteile beim Brandschutz auf, so dass diese gerade beim Einsatz in Innenräumen oft bevorzugt werden.

Für den Einsatz in Kühldecken eignen sich Phasenwechseltemperaturen von ca. 21 bis 23 °C. Auf diese Weise kann das PCM Raumtemperaturen, die über der Phasenwechseltemperatur liegen, thermisch puffern und die Räume im Sommer so lange kühl halten, bis das PCM komplett aufgeschmolzen ist. Gleichzeitig kann das PCM mit Vorlauftemperaturen um 16 °C nachts wieder gut regeneriert werden (Erstarrung des PCM). Die Kühlleistung während des Tages hängt dabei von der Temperaturdifferenz zwischen PCM und Raum ab; je größer diese ist, desto höher ist auch die Kühlleistung des PCM.

Energieeffizienz demonstrieren

Im Energy Efficiency Center (EEC), dem Institutsgebäude des Bayerischen Zentrums für Angewandte Energieforschung e. V. in Würzburg, wird eine Vielzahl neuer Energieeffizienztechnologien demonstriert. So sind neuartige und prototypische Baumaterialien, Systeme und Technologien eingesetzt, um deren Anwendbarkeit im Sinne einer energieeffizienten und ressourcenschonenden Bauweise im realen Einsatz zu verifizieren.

Das ZAE beschäftigt sich bereits seit Anfang der 90er-Jahre mit der PCM-Forschung und rüstete 2013 die Büroräume im EEC mit PCM-Kühldecken aus. Diese Prototypen, eine gemeinsame Entwicklung mit der Lindner Group KG, wurden im Rahmen eines vom BMWi geförderten Forschungsprojekts untersucht, vermessen und regelungstechnisch optimiert.

Das PCM in den Kühldecken – ein verkapseltes Salzhydrat der Firma Rubitherm Technologies GmbH – stellt tagsüber durch seine Temperaturpufferwirkung während des Phasenübergangs Kälte für die Büroräume bereit. Diese Kältebereitstellung erfolgt rein passiv. Sofern das PCM im Tagesverlauf komplett aufschmilzt oder dessen passive Kühlleistung nicht ausreicht, können die Kühldecken auch wie herkömmliche Kühldecken aktiv mit Kaltwasser durchströmt werden. Prinzipiell ist das System aber so ausgelegt, dass der aktive Kühldeckenbetrieb lediglich nachts zur PCM-Regeneration stattfindet, so dass das PCM am nächsten Tag wieder zur passiven Raumkühlung zur Verfügung steht. Auf diese Weise kann eine Reduktion der täglichen Kühllastspitzen sowie eine Verschiebung des Kältebedarfs vom Tag in die Nacht erreicht werden. Hierdurch können Kälteaggregate einerseits kleiner ausgelegt und andererseits die Kälte effizienter produziert werden, da nachts in der Regel günstigere Umgebungsbedingungen vorliegen, was höhere Arbeitszahlen erlaubt. Weiterhin ermöglicht dies die Nutzung regenerativer Energiequellen die überwiegend nachts zur Verfügung stehen, wie z. B. Umweltkälte oder die am EEC eingesetzte passive Infrarot-Nachtkühlanlage, bei der das Kühlmedium nachts über einem Teilbereich des Dachs verrieselt wird und sich dabei vor allem durch Wärmestrahlungsaustausch mit dem kalten Nachthimmel abkühlt.

Regelstrategie optimieren

Besonders wichtig für einen energieeffizienten Betrieb der PCM-Kühldecken ist die Optimierung der Regelstrategie. Nach Fertigstellung des EEC wurden die PCM-Kühldecken zunächst mit einer Standardregelung für Kühldecken betrieben, die zur Regeneration des PCM um einen zeitgesteuerten nächtlichen aktiven Betrieb von 22.00 bis 6.00 Uhr erweitert wurde. Dabei zeigte sich schnell, dass dieser zeitgesteuerte Regenerationsbetrieb über die komplette Kühlperiode betrachtet energetisch nicht effizient ist, da das PCM auch dann aktiv regeneriert wird, wenn es tagsüber gar nicht oder nur in geringem Maß genutzt wurde. Daher entwickelte das ZAE eine bedarfsabhängige Regelstrategie, bei der das PCM nur dann regeneriert wird, wenn tagsüber auch tatsächlich ein relevanter Teil der gespeicherten Kälte genutzt wurde. Dabei wurde Wert auf eine praxisnahe technische Umsetzung gelegt: Für die Regelung genügt pro Raum ein PCM-Temperatur-Messpunkt zur Erfassung der Temperatur in der PCM-Schicht. Die hinterlegte Regelfunktion greift auf die PCM-Enthalpiekurve zu, die für RAL-zertifizierte1 Phasenwechselmaterialien in der Regel beim PCM-Hersteller verfügbar ist. Dadurch lässt sich aus der gemessenen PCM-Temperatur der PCM-Ladezustand und damit ein Regenerationsbedarf ableiten. Gleichzeitig wurde der Setpoint für die aktive Kühlung in den Räumen mit PCM-Kühldecken von 24 auf 26 °C angehoben. Dies verhindert, dass die Kühldecke aktiv zuschaltet, bevor das PCM seine passive Kühlwirkung entfalten kann.

Diese Setpointanhebung wirkte sich im Energy Efficiency Center in Würzburg nicht nachteilig auf die thermische Behaglichkeit aus, da die passive Kühlwirkung des PCM einen Anstieg der mittleren operativen Raumtemperatur verhinderte. Im Gegenzug konnte der Kältebedarf im Vergleich zu einem baugleichen Referenzraum ohne PCM durch die bedarfsgerechte Regelung deutlich gesenkt werden. Während der Kältebedarf 2017 mit zeitgesteuerter Regelstrategie noch etwa 75 % über dem des Referenzraums lag, wurde über die optimierte Regelung im Jahr 2018 eine Reduktion um knapp 13 % erreicht. Gleichzeitig wurde die Kühllast in die Nacht verschoben, so dass hier durch die effizientere Kälteerzeugung weitere Vorteile entstehen.

Die Anzahl der Übertemperaturstunden – also die Zeiträume, in denen die operative Raumtemperatur über 26 °C liegt – wurde durch die höheren Setpointtemperaturen nur unwesentlich erhöht.

Aus Erfahrung lernen

Mittlerweile liegen im EEC sechs Jahre Praxiserfahrung mit den PCM-Kühldecken vor. Diese lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Der Betrieb der PCM-Kühldecken unterscheidet sich für die Nutzer nicht von einer Standardkühldecke ohne PCM. Der Nutzer stellt wie gewohnt den Setpoint der Raumtemperatur, ab dem aktiv gekühlt werden soll, am Raumbediengerät ein. Seitens der Nutzer kamen keine Beschwerden hinsichtlich mangelnder Kühlwirkung der PCM-Kühldecken. Einige Nutzer klagten lediglich über zu kühle Raumtemperaturen in den Morgenstunden. Dies wurde vor allem in der Übergangszeit bei rein zeitgesteuerter PCM-Regeneration beobachtet. Durch die bedarfsgeregelte Regenerationsstrategie konnte dieses Problem gelöst werden.
  • Seitens der Regelung sind die PCM-Kühldecken aufwändiger als konventionelle Kühldecken, da die Regeneration des PCM eine ausgeklügelte Strategie erfordert, sofern sie energetisch effizient erfolgen soll. Mit der anfangs implementierten zeitgesteuerten Regeneration ist zwar die Funktion der PCM-Kühldecken sichergestellt, die Regeneration erfolgt jedoch häufig unnötig lange und erhöht so den Kälteverbrauch und verschlechtert den thermischen Komfort durch eine zu starke nächtliche Auskühlung der Räume. Deshalb ist eine bedarfsgeregelte Regenerationsstrategie enorm wichtig.
  • Aus energetischer Sicht benötigen die PCM-Kühldecken mit einer optimierten Regelstrategie tendenziell etwas geringere Kältemengen als konventionelle Kühldecken ohne PCM. Die thermische Behaglichkeit entspricht dabei einer konventionellen Kühldecke ohne PCM die bei niedrigeren Setpointtemperaturen betrieben wird.

Ein wichtiger Aspekt der Untersuchungen war die Langzeitbeständigkeit der Kühldeckenprototypen. Diese wurden in Einzelfertigung bei Lindner hergestellt und sind so nicht im Handel erhältlich. 2015 zeigten erste PCM-Behälter in den Kühldeckenpaneelen Undichtigkeiten. Im Verlauf der mittlerweile sechsjährigen Betriebszeit wurden bisher bei 16 der insgesamt 1.800 verbauten PCM-Module Leckagen festgestellt. Dies entspricht einer Ausfallrate < 1 %. Für den praktischen Einsatz sind diese Leckagen jedoch kritisch, da das verwendete Salzhydrat die Kühldeckenmaterialien angreift. Auch dieses Problem konnte mittlerweile gelöst werden, so dass in den nachgelieferten Modulen keine Leckagen mehr auftraten.

Der Abschlussbericht zum Projekt MoniResearch (Förderkennzeichen: 03ET1245A) wurde der TIB Hannover (Leibniz Informationszentrum Technik und Naturwissenschaften Universitätsbibliothek) zur Veröffentlichung überstellt und wird in Kürze dort verfügbar sein (www.tib.eu).

Fazit

Die Praxiserfahrungen am EEC haben gezeigt, dass PCM-Kühldecken eine interessante Alternative zu konventionellen Kühldecken darstellen. Sie erreichen trotz höherer Setpointtemperaturen die gleiche thermische Behaglichkeit und benötigen tendenziell etwas weniger Kälte. Sie verringern die Lastspitzen und erlauben eine Verschiebung des Kältebedarfs vom Tag in die Nacht. Hierdurch können Kälteanlagen kleiner dimensioniert und regenerative Kältequellen, die überwiegend nachts zur Verfügung stehen, erschlossen werden. Systemsimulationen der PCM-Kühldecken ergaben bei Nutzung regenerativer Kältequellen in Form der am EEC installierten passiven Infrarot Nachtkühlanlage ein Energieeinsparpotenzial von 40 % im Vergleich mit konventionellen Kühldecken und Kälteerzeugung durch Kältemaschine.

Die im EEC installierten PCM-Kühldecken sind Prototypen. Die Firma Lindner bietet die PCM-Kühldecken bislang nicht als kommerzielles Produkt an. Das ZAE Bayern arbeitet momentan an der Entwicklung inhärent auslaufsicherer Verkapselungen und versucht auf diesem Weg, die Kommerzialisierung dieser vielversprechenden Technologie voranzutreiben. Dazu gehört auch die Weiterentwicklung bedarfsgerechter Regelstrategien. Das ZAE Bayern steht daher der Industrie als Forschungspartner zur Verfügung, um auf das jeweilige System und Gebäude perfekt abgestimmte Regelstrategien zu entwickeln.

Fußnoten

Felix Klinker

Felix Klinker

Dr. Helmut Weinläder

Dr. Helmut Weinläder
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· Artikel im Heft ·

Innovative Kühldeckentechnologie mit Latentwärmespeicher
Seite 36 bis 39
06.03.2025
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