50 % Betriebskostenersparnis mit Strom- und Wärmefängern
Immer mehr Bauherren wollen sich von Energieanbietern und schwankenden Preisen unabhängig machen, CO2-neutral heizen und Strom nachhaltig selbst erzeugen. Doch oft gibt es Herausforderungen. Beim Wohnbauprojekt „Spross“ in Wallisellen, Schweiz, etwa untersagte der Bebauungsplan die Nutzung von Erdsonden und außen aufgestellten Luft-Wärmepumpen. Die Vorlauftemperaturen lagen bei hohen 65 °C, und für Photovoltaik- und Solarthermiekollektoren stand nur begrenzt Aperturfläche zur Verfügung, d. h. unverdeckte Modul-Nutzfläche, auf der Solarstrom bzw. Solarthermie produziert werden kann.
Die Lösung für das „Spross“-Projekt entwickelten die Firma soblue und die Bauherren in enger Abstimmung mit den TGA-Planenden und der Fachfirma für die Heizungsinstallation. Kernelement des klimafreundlichen Energiesystems ist ein patentiertes PVT (Photovoltaik-Thermie)-Modul, das für Winter- und Übergangsmonate optimiert ist: Das Multi-NRG-Panel von soblue kombiniert Photovoltaik zur Stromerzeugung mit solarthermischen Modulen für Wärme oder Kühlung und nutzt so die begrenzte Dachfläche optimal.
Strom und Wärme gewinnen mit PVT-Modulen
soblue zufolge sind die Kombi-Flachmodule mit einem Gesamtumwandlungsgrad von solarer Energie von 80 % (ca. 20 % Strom und 60 % Wärme) derzeit die mit Abstand effizientesten am Markt. Der Hersteller konnte diese Topwerte kürzlich für die Solar Keymark-Zertifizierung bestätigen; das PVT-Modul qualifiziert sich damit für staatliche und private Förderungen.

In Wallisellen wurden 38 Kollektoren mit je 2,08 m² Fläche auf dem Dach montiert. Um möglichst viel Sonnenenergie einzufangen, wurde bei der Planung eine Südaufständerung von 30° und jeweils 2 m2 Aperturfläche vorgesehen. Für eine höhere Stromproduktion wurden zusätzlich 20 m2 reine PV-Fläche mit 3° Neigung verlegt.
Als Pufferspeicher dienen zwei Wasserzisternen – 10.000 l im Erdreich (kalt) sowie 1.500 l im Technikraum (warm). Sie nehmen die Wärme auf und optimieren ihre Abgabe über den Tag-Nacht-Rhythmus und in Schlechtwetterperioden.
Direkter Wärmetausch im Modul
Im atmosphärisch offenen Solarkreislauf wird reines Wasser aus dem Pufferspeicher mit niedrigem Druck, aber hohem Flussvolumen durch den thermischen Teil des Kollektors gepumpt. Dieser ist 5 mm dick, bedeckt eine Fläche von 2 m² und bringt das Wasser in direkten, vollflächigen Wärmeaustausch mit dem darüber liegenden Glas-Glas-PV-Modul.
Bei Sonneneinstrahlung erzeugen die Multi-NRG Kollektoren Strom und Wärme. Bei Bewölkung oder Nacht nimmt das System Wärme auf oder gibt Kühl-Abwärme ab.
Im Sole-Vorwärmungskreislauf überträgt der Wärmetauscher die Energie aus dem Pufferspeicher an die Sole/Wasser-Wärmepumpe von Vaillant. Diese gibt die Wärme an den Schichtspeicher ab oder nimmt Abwärme aus der aktiven Kühlung auf.

Hochfunktional zu jeder Jahreszeit
Das soblue PVT-System arbeitet von Frühling bis einschließlich November vollständig autark. Die Anlage gewinnt Energie entweder direkt über die Kollektoren oder nutzt die Wärmeenergie aus den Pufferspeichern.
In den Wintermonaten gewährleistet eine ausgeklügelte Steuerung die maximale Betriebssicherheit und Effizienz des Systems. Bei Temperaturen um und über 6 °C trägt weiterhin die PVT-Anlage die volle Wärmelast, entweder direkt vom Dach oder aus den Pufferspeichern. Bei Frostperioden unter 6 °C und leerem Pufferspeicher wird das Kollektorenfeld automatisch per Schwerkraft entleert und die soblue Steuerung aktiviert eine innen aufgestellte Luft/Wasser-Wärmepumpe von Heim als Bivalenzlösung für die verlässliche Wärmeversorgung auch bei Minusgraden.
Im Hochsommer kühlt das System: Es kehrt die Wärmepumpe um, leitet die Abwärme in die Pufferspeicher und nutzt sie später als Warmwasser. Nachts strahlt es überschüssige Wärme aktiv über das Kollektorfeld ab.
50 % Ersparnis bei Warmwasser und Heizen
Jedes Multi-NRG Panel liefert 435 Wp elektrische und 1.352 Wp thermische Leistung. Die monatliche Energieausbeute der Kollektoren in Wallisellen betrug von November bis Februar erwartbare 48 kWh Strom, aber eindrucksvolle 354 kWh Wärme. Der COP (Coefficient of Performance) der Sole/Wasser-Wärmepumpe lag durchweg über 3,1.
Der Schlüssel zu den großen Einsparungen liegt in den hocheffizienten PVT-Modulen und den beiden Pufferspeichern, die den Energieertrag vom Verbrauch entkoppeln. So kann das PVT-Kollektorfeld nicht nur bei Sonne, sondern auch Bewölkung und nachts beträchtliche thermische Energie in den warmen Pufferspeicher einbringen. Die Rohenergie steht somit Tag und Nacht mit einer maximalen Quelltemperatur zur Verfügung, die von der Wärmepumpe mit einem hohen COP auf das nachgefragte Temperaturniveau gebracht wird.
Messungen haben erwiesen, dass das soblue PVT-System das Gebäude bis zu einer Umgebungstemperatur von 5,5 °C vollständig mit Wärme versorgen kann.

Im Jahresverlauf deckte der PVT-Teil des Energiesystems 65 % des Wärmebedarfs, während die Luft-Wärmepumpe die verbleibenden 35 % beisteuerte. Der große Abdeckungsgrad ist besonders bemerkenswert angesichts der verhältnismäßig kleinen Kollektorfläche. Darüber hinaus wurden Vorlauftemperaturen von 65 °C gefahren, um die Eignung des Energiesystems auch für Altbauten mit Radiatoren nachzuweisen.
Für die Bauherren in Wallisellen war diese erste Bilanz jedenfalls höchst erfolgreich: Zwischen September 2023 und September 2024 sparten sie 50 % der Betriebskosten für Warmwasser und Heizung im Vergleich zu einem reinen Luft/Wasser-Wärmepumpensystem.
Ziel: 100 % fossilfrei
soblue arbeitet an weiteren Effizienzsteigerungen seiner PVT-Module. Die neueste Generation des Multi-NRG-Kollektors ist noch konsequenter für die Winter- und Übergangsmonate optimiert, so dass der PVT-Anteil den Deckungsgrad bei vergleichbaren Projekten auf 70–75 % erhöht.
Entscheidend ist auch der Speicher. Bei Neubauten lassen sich die Vorlauftemperaturen für das Heizen auf unter 35 °C senken und damit steigt auch der Gesamtwirkungsgrad weiter. Ersetzt der Betreiber zukünftig die Kaltwasser-Zisterne durch einen Eisspeicher, spart er sich nicht nur die Bivalenz Luft-Wärmepumpe, sondern deckt mit seinem System bei richtiger Auslegung 100 % seines jährlichen Wärmebedarfs fossilfrei ab.
Alex Bircher

Adrian Althaus

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