Lösungen finden statt Schuldige suchen
Immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten, ist laut Albert Einstein die Definition von Wahnsinn. Angesichts zahlreicher Großbauvorhaben, deren Bauzeiten und Kosten ins Unermessliche stiegen, hat man manchmal den Eindruck, dass Wiederholungen des Gleichen den Wahnsinn nicht nur fortsetzen, sondern ihn vervielfachen. Doch auch nicht ganz so wahnsinnige Projekte haben ihre Tücken. Und selbst wenn alle Beteiligten mit den besten Absichten starten, führen diverse Merkmale bislang angewendeter Verfahrensweisen immer wieder zu gestörten Bauabläufen und ebenso zeit- wie kostenintensiven Konflikten und Rechtsstreitigkeiten. Das heißt nicht, dass sich mit den Mitteln der konventionellen Vertragsgestaltung und Auftragsabwicklung heute nichts mehr erreichen lässt. Aber sie haben ihre Grenzen und insbesondere bei zunehmender Komplexität von Projekten werden sie schnell zum Korsett.
Mut zum Wandel
Seit einigen Jahren setzen der Bundesbau, die Deutsche Bahn und auch zahlreiche private Bauherrn erfolgreich Projekte mit einem besseren und effizienteren Modell um: der Integrierten Projektabwicklung (IPA). Auf der Liste der abgeschlossenen sowie in Planung bzw. Bau befindlichen Vorhaben finden sich Projekte in Größenordnungen von mehreren zehn Millionen Euro (z. B. der Bau des Informationszentrum Illmenau), von mehr als 100 Millionen Euro (z. B. der Bau dreier Schulen in Bremen) bis über eine Milliarde Euro (z. B. der Bau der Fehmarnbeltquerung).
Neben Meldungen von Erfolg und Effizienz, Baukosten, die sich im vorgesehenen Kostenrahmen bewegen und Terminen, die eingehalten werden, liefern Beteiligte auffällig oft Feedbacks zu höherer Zufriedenheit und sogar Spaß während der Planung und Umsetzung von Bauvorhaben. Nicht wenige von ihnen wollen nie wieder konventionell bauen.
Das Buch zum Thema
Was es mit IPA im Einzelnen auf sich hat, wie sie funktioniert und welche Voraussetzungen die Vertragspartner mitbringen sollten, haben Dr. Nina Rodde und Prof. Dr. Antje Boldt in einem neuen Fachbuch zusammengefasst. Der praxisorientierte Handlungsleitfaden, der – ganz im IPA-typischen Teamgeist – mit der Unterstützung vieler weiterer Menschen entstand, ist zugleich Einführung in die Philosophie der Integrierten Projektabwicklung, umfassender Überblick und Nachschlagewerk.
Er führt durch die verschiedenen Phasen eines IPA-Projektes, die Schritte, die in jeder einzelnen zurückgelegt werden sowie das Terminmanagement. Ein besonderer Fokus liegt auf den rechtlichen Aspekten, die sich im bei der IPA angewendeten Mehrparteienvertrag im Unterschied zu bilateralen, auf der VOB basierenden Verträgen ergeben. BIM und Lean sind die natürlichen Partner der Integrierten Projektabwicklung. Das Fachbuch setzt diese Methoden in den entsprechenden Kontext.
Zahlreiche Fallstudien und Praxisbeispiele, die auf den langjährigen Erfahrungen der Autorinnen sowohl mit konventioneller als auch mit integrierter Projektabwicklung basieren, machen das Konzept greifbar. Checklisten sorgen dafür, dass bei der Vorbereitung und Durchführung eines IPA-Projektes nichts vergessen wird. Ein vorangestelltes Glossar liefert Erläuterungen zu den wichtigsten Grundbegriffen.
Form spiegelt Inhalt
Die Erläuterungen der Autorinnen, in denen neben den „technischen Details“ auch Begriffe wie Werte und Kultur, Team und Coaching eine zentrale Rolle spielen, lassen immer wieder die eigene Begeisterung durchblicken, und vermögen so auch, sie im Publikum zu wecken. Zum insgesamt beflügelnden Eindruck ebenso wie zur Übersichtlichkeit tragen zudem die farbliche Gestaltung und die Illustrationen bei. So dominiert etwa, beginnend im Inhaltsverzeichnis, in jedem Kapitel eine andere Farbe, die auch der Zusammenfassung am Kapitalende als „Short Facts“ zugrunde liegt. Das erleichtert das Merken und Wiederfinden.
Natürlich können Sie das Buch als eBook erwerben und schwerelos in Ihren elektronischen Geräten mitführen, aber in der gedruckten Version ist es definitiv eine Wonne für designaffine Blätterer und Menschen, die gern unterstreichen und Seitenränder mit Notizen versehen.
Über die Autorinnen
Dr.-Ing. Nina Rodde, Lumico GmbH, ist IPA-Coach und -Manager sowie Lean-Expertin und seit mehr als 20 Jahren auf dem Bau unterwegs. In ihrer Doktorarbeit erarbeitete sie Handlungsempfehlungen für die Arbeit mit kollaborativen Vertragsmodellen und brachte parallel mit der Hamburg Port Authority Deutschlands erstes IPA-Projekt der öffentlichen Hand auf den Weg. Das Pilotprojekt iPAK5 wurde Mitte 2022 fertiggestellt.
Prof. Dr. Antje Boldt ist Partnerin in der Wirtschaftskanzlei Rittershaus Rechtsanwälte, Fachanwältin für Vergaberecht sowie für Bau- und Architektenrecht. Bei ihrer Beratung stehen Vertragsabwicklungsformen der integrierten Projektallianz sowie Lean und BIM im Fokus. Sie war hinsichtlich der Vertragserstellung ebenfalls für das Pilotprojekt iPAK5 beratend tätig.
Zeitweise gemeinsam haben Dr. Rodde und Prof. Dr. Boldt etwa das IPA-Pilotprojekt „Neues Werk Cottbus“ der Deutschen Bahn begleitet, das den Neubau von zwei Instandhaltungshallen für elektrische Triebzüge umfasst. Bei der Bahn heißt die Projektabwicklung mit einem partnerschaftlichen Mehrparteienvertrag „Partnerschaftsmodell Schiene“. Beide Autorinnen engagieren sich zudem im IPA-Zentrum: Antje Boldt ist Teil des Leitungsteams und Nina Rodde leitet die Fachgruppe 1 – Organisation und Kultur.
MSc, Dipl.-Ing. Silke Schilling
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