Aus der Praxis

Einfluss der Betriebsführung auf die Trinkwasserqualität

Häufiger als erwartet werden in Trinkwasserinstallationen Kontaminationen des kalten Trinkwassers mit Legionellen nachgewiesen /1/. An der FH Münster wurden unter Berücksichtigung von Einflussfaktoren wie der Temperaturhaltung, der Qualität der Durchströmung und der Intensität des Wasseraustauschs Konstruktionsprinzipien und Betriebsweisen für Trinkwasserinstallationen verglichen und unter Verwendung eines Faktors für die Erstellungskosten bewertet. Die Erkenntnisse können auf Trinkwasserinstallationen mit einer zu erwartenden unregelmäßigen Nutzung übertragen werden.

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1 - Messwerte für den Volumenstrom in der Stockwerks-Verteilungsleitung (Durchgang) und im Abzweig zur betrachteten Stockwerksinstallation Bild: Kemper/Rickmann
1 - Messwerte für den Volumenstrom in der Stockwerks-Verteilungsleitung (Durchgang) und im Abzweig zur betrachteten Stockwerksinstallation Bild: Kemper/Rickmann

Kontaminationen des kalten Trinkwassers mit Legionellen lassen sich fast immer auf zu hohe Temperaturen des Kaltwassers in Stagnationsphasen zurückführen. Insbesondere in Gebäuden mit besonderer Nutzung wie Krankenhäusern, Pflegeheimen und anderen medizinischen Einrichtungen besteht dadurch eine erhöhte Infektionsgefahr bei möglichen immunsupprimierenden Grunderkrankungen oder medikamentösen Therapien bei Patienten und Heimbewohnern. Probleme bereiten in erster Linie große Leitungssysteme mit ungenügendem Durchfluss /2/.

Einflussfaktoren auf die hygienische Qualität des kalten Trinkwassers

Gemäß DIN 1988-200 müssen Trinkwasserinstallationen so geplant werden, dass an allen Entnahmestellen die Trinkwasserqualität den Anforderungen der Trinkwasserverordnung genügt /3/.

Neben Wasseraustausch, Temperaturhaltung und Art der Durchströmung hat der Eintrag von Nährstoffen nachhaltigen Einfluss auf die hygienische Qualität des Trinkwassers. Insbesondere zur Temperaturhaltung gibt es im Technischen Regelwerk für Planung, Bau und Betrieb von Trinkwasserinstallationen eine Vielzahl zum Teil erheblich voneinander abweichende Vorgaben.

Anforderungen an die Temperatur des kalten Trinkwassers

Als technisch moderateste Temperaturanforderung an der Entnahmestelle gilt die sogenannte 30-Sekunden-Regel aus der DIN 1988-200. Danach darf die Temperatur des kalten Trinkwassers bei bestimmungsgemäßem Betrieb maximal 30 s nach dem vollen Öffnen einer Entnahmestelle 25 °C nicht mehr übersteigen /4/.

DIN 1988-200 verweist in Hygienefragen auf die VDI-Richtlinie 6023. In dieser Richtlinie wird abweichend von DIN 1988-200 gefordert, dass die Temperatur des kalten Trinkwassers maximal nur 25 °C betragen darf. Dazu und hinsichtlich Ausnahmen wird auf DIN 1988-200 und auf das DVGW-Arbeitsblatt W 551 A5 verwiesen. Es muss dabei beachtet werden, dass die Grundanforderung aus DIN 1988-200 zum Nachweis der Gebrauchstauglichkeit einer Trinkwasserinstallation, die so genannte „30-Sekunden-Regel“, durch die Anforderungen aus VDI 6023 zur „Ausnahme“ erklärt wird. Als „Prüfparameter für eine systemische Prüfung zum Nachweis der einwandfreien Beschaffenheit zur Übergabe/Abnahme“ wird hier, alternativ zu der Regelung in DIN 1988-200, eine 3-Liter-Regel neu eingeführt. Danach muss die Kaltwassertemperatur verschärfend bereits nach dem Ablauf von 3 l 25 °C unterschreiten und nicht erst nach 30 s (Bild 4)! /6/

Wie eine Zusammenstellung internationaler Regelwerke über Anforderungen an Trinkwasserinstallationen zur Verminderung des Wachstums von Legionellen zeigt, wird weltweit allerdings überwiegend die Einhaltung einer Temperaturgrenze von 20 °C im kalten Trinkwasser gefordert /7/. Auch in nationalen Regelwerken finden sich zum Einfluss der Temperatur auf das Vorhanden sein von Legionellen Hinweise gleichen Sinnes. Im DVGW Arbeitsblatt W 551 A, auf das die VDI-Richtlinie 6023 verweist, und in der DVGW-Information Wasser Nr. 74 /8/ heißt es z. B. dazu: „In der Praxis hat sich gezeigt, dass bei Trinkwassertemperaturen unter 20 °C nur sehr selten Legionellen nachgewiesen werden“, und in einem RKI-Ratgeber zur Legionellose: „Legionellen können auch in kaltem Wasser vorkommen, sich bei Temperaturen unter 20 °C aber nicht mehr nennenswert vermehren“ /9/.

Im Planungsprozess für Trinkwasserinstallationen in Gebäuden mit „besonderer Nutzung“, muss daher berücksichtigt werden, dass das Risiko einer Kontamination mit Legionellen im kalten Trinkwasser erst dann auf ein Minimum reduziert ist, wenn die Temperatur unabhängig von inneren und äußeren Wärmelasten dauerhaft unter 20 °C gehalten werden kann.

Letztlich verantwortlich für die Erhaltung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit des abgegebenen Trinkwassers ist nach Trinkwasserverordnung der Eigentümer der Installation bzw. der Betreiber.

Aufgrund der vorstehenden Zusammenhänge müssen Planer einer Trinkwasserinstallation ihren Auftraggeber über den Zusammenhang zwischen der Kaltwassertemperatur und dem Betriebsrisiko informieren. Insbesondere müssen sie sie in Kenntnis darüber setzen, dass sich mit höher zugelassenen Kaltwassertemperaturen (> 20 °C) sukzessive auch das Betriebsrisiko und damit ggfs. auch der betriebliche Aufwand erhöht!

Es gilt die Regel: Je höher der Wasseraustausch und je geringer damit die Kaltwassertemperaturen sind, desto besser ist die mikrobiologische Qualität und Stabilität des Trinkwassers und desto geringer ist auch das Betriebsrisiko.

Bei Neuplanungen von Trinkwasserinstallationen in Gebäuden mit „besonderer Nutzung“ ist es nach DIN 1988-200 erforderlich, dass die Planungsanforderungen mit dem Bauherrn/Betreiber abgestimmt werden müssen. Danach muss ein Raumbuch erstellt werden, das eine Nutzungsbeschreibung und eine Konzeption für die Trinkwasserinstallation enthalten muss. Mit Erstellung des Raumbuchs müssen u. a. verbindliche Vereinbarungen zur Temperatur des kalten Trinkwassers und zur Nutzung der Entnahmearmaturen getroffen werden. Erst wenn diese Informationen vorliegen, können ein geeignetes Rohrnetz entworfen und die daraus resultierenden betrieblichen Erfordernisse im Hygieneplan festgelegt werden /10/.

Modellrechnungen

Die folgenden Modellrechnungen sollen beispielhaft zeigen, wie in einer geplanten Trinkwasserinstallation unter Berücksichtigung hygienerelevanter Rohrnetz- und Betriebsparameter das jeweils verbleibende Betriebsrisiko bewertet werden kann. Bei dem Berechnungsbeispiel handelt es sich um eine Trinkwasserinstallation mit horizontal verlaufenden Verteilungsleitungen in fünf Geschossen mit insgesamt 100 Doppelnasszellen (Bild 2).

2 - Doppelnasszelle mit einer Reihenleitungsinstallation Bild: Kemper

Alle Modellrechnungen basieren auf realen Volumenstrom- und Temperaturmesswerten (Messzeitraum 14 Tage) aus einer Trinkwasserinstallation mit unregelmäßiger Nutzung (Bild 1).

Die Messwerte zeigen zunächst, dass die Doppelnasszelle (Bild 2) im Betrachtungszeitraum (14 Tage) über sechs Tage nicht genutzt wurde (Abzweig – hellblau dargestellte Messwerte Bild 1). Länger andauernde Phasen mit Teilnutzung größerer Rohrnetzstrukturen lassen sich auch aus den Volumenstrommesswerten in der Stockwerks-Verteilungsleitung ableiten (Durchgang – dunkelblau dargestellte Messwerte in Bild 1).

Die Erkenntnisse aus den folgenden Modellrechnungen können auf Trinkwasserinstallationen mit zu erwartender unregelmäßiger Nutzung, den sogenannten Risikoinstallationen, z. B. in Krankenhäusern, Seniorenwohnheimen, Kindergärten, Schulen und Gebäuden mit gewerblicher Nutzung inklusive Hotels usw., übertragen werden.

Aufbau der Rohrnetze

Wie schnell sich das nach einem Entnahmevorgang stagnierende Kaltwasser wieder erwärmt, hängt von der Umgebungslufttemperatur, dem Wasserinhalt der Rohrleitung und von den Eigenschaften der Leitungsdämmung ab. Ist die Umgebungslufttemperatur hoch (> 25 °C) und der Inhalt der Kaltwasserleitung gering, erwärmt sich das Wasser sehr schnell auf Temperaturen über 25 °C, meistens in weniger als einer Stunde. Stockwerks- und Einzelzuleitungen mit geringem Innendurchmesser (DN 12/DN 15) sind daher besonders temperaturkritisch.

Die Erfahrung zeigt, dass eine unzulässige Temperaturerhöhung in Stockwerks- und Einzelzuleitungen nur durch einen intensiven Wasseraustausch vermindert bzw. vermieden werden kann. Aus diesem Grund wird u. a. in der VDI-Richtlinie 6023 /11/ gefordert: „Die Leitungsführung und die Anordnung der Entnahmestellen sind so zu planen, dass ein höchstmöglicher Wasseraustausch erreicht wird. Einzelzuleitungen sollen auch im Hinblick auf Ausstoßzeiten so kurz wie möglich sein.“

Reihenleitungen

Ein erster Schritt zur Verbesserung des Wasseraustauschs in temperaturkritischen Leitungen ergibt sich bereits, wenn die Stockwerksinstallationen statt mit den in der Vergangenheit üblichen Stichleitungen mit sogenannten Reihenleitungen ausgestattet werden. Mit Nutzung der am Ende angeordneten Entnahmearmatur werden dann alle Teilstrecken der Stockwerksinstallation bis hin zum jeweiligen Armaturenanschluss durchströmt. Ein Optimum für die Durchströmung ergibt sich, wenn die am häufigsten genutzte Entnahmestelle, das ist im Normalfall das WC, am Ende der Reihenleitung angeschlossen wird (Bild 2) /12/.

Das Temperaturverhalten einer Reihenleitungskonstruktion in Abhängigkeit von der Wasserentnahme zeigen die Ergebnisse einer Modellrechnung (Bild 3). Bei unzureichender thermischer Entkopplung, spätestens aber in den Sommermonaten, liegen die Lufttemperaturen in der Installationsvorwand bei 27–28 °C. In längeren Stagnationsphasen folgt die Temperatur des kalten Trinkwassers der Umgebungslufttemperatur. Dadurch liegt die Kaltwassertemperatur im Mittel mehr als 18 Stunden am Tag über 25 °C (77 %). Im Betrachtungszeitraum liegt die mittlere Temperatur in der ersten Teilstrecke der Stockwerksinstallation bereits bei 25,8 °C. Diese Betriebsverhältnisse müssen trinkwasserhygienisch als risikoreich bewertet werden!

3 - Temperaturverlauf des kalten Trinkwassers in einer Reihenleitungsinstallation in Abhängigkeit von der Wasserentnahme Bild: Kemper/Rickmann/Dendrit

In DIN 1988-200 und in der DVGW-Information WASSER Nr. 90 (Juli 2016), mit Informationen und Erläuterungen zu Anforderungen des DVGW Arbeitsblattes W 551, findet sich z. B. folgende Anforderung: „Damit […] das Trinkwasser (kalt) in Technikzentralen sowie Installationsschächten und -kanälen mit Wärmequellen nicht auf eine Temperatur von über 25 °C erwärmt wird, ist ein ausreichender Wasseraustausch sicherzustellen.“

Wie die Ergebnisse aus Rohrnetzberechnungen (z. B. Bild 4) und Feldmessungen in ausgeführten Trinkwasserinstallationen zeigen, muss davon ausgegangen werden, dass in Reihenleitungsinstallationen, ohne manuelle Eingriffe durch den Betreiber oder durch automatisierte Prozesse zur Temperaturhaltung, die Temperaturanforderungen für das kalte Trinkwasser aus einschlägigen DIN/VDI/DVGW-Regelwerken allgemeingültig nicht eingehalten werden können. Der zu erwartende Wasseraustausch über die Entnahmestellen nur durch den bestimmungsgemäßen Betrieb ist dafür nicht „hinreichend“/13/.

Die systemische Prüfung zum „Nachweis der einwandfreien Beschaffenheit zur Übergabe/Abnahme (Verantwortungsübergang)“ gemäß DIN 1988-200 bzw. VDI-Richtlinie 6023 wird in der Regel an Waschtischarmaturen vorgenommen (Bild 4).

Eine einfache Beispielberechnung verdeutlicht die Problematik: Nach einer in der Berechnung unterstellten Stagnationsphase von fünf Stunden ist nicht nur das kalte Trinkwasser in den Stockwerksleitungen kritisch überwärmt, sondern auch in den in Zwischendecken verlegten Stockwerks-Verteilungsleitungen mit geringem Innendurchmesser. Im Beispielsfall befindet sich im Fließweg zur Entnahmearmatur ein Stagnationsvolumen mit einer Temperatur > 25 °C von 9,22 l. Selbst bei günstigsten Druckverhältnissen (Ruhedruck) kann aus der in Kaltwasserstellung voll geöffneten Entnahmearmatur maximal nur ein Entnahmevolumenstrom von 12,2 l/min entnommen werden. Damit ergibt sich rechnerisch eine Ausstoßzeit für das überwärmte kalte Trinkwasser von 46 s (Bild 4).

4 - Berechnetes Temperaturzapfprofil nach einer Stagnationszeit von fünf Stunden an der markierten Entnahmearmatur (Entnahmevolumenstrom bei Ruhedruck: 12,2 l/min) Bild: Rickmann/Dendrit

Mit diesem Ergebnis ist die Trinkwasserinstallation sowohl auf Grundlage der DIN- als auch der VDI-Anforderungen rein formal gesehen nicht „einwandfrei beschaffen“!

Wie auch dieses Berechnungsergebnis zeigt, können alle Temperaturanforderungen für das kalte Trinkwasser aus dem Technischen Regelwerk (DIN/DVGW/VDI), ohne manuell ausgelöste Spülmaßnahmen durch den Betreiber oder ohne automatisierte (aktive) Prozesse zur Temperaturhaltung, allgemeingültig nicht eingehalten werden! Diese Feststellung trifft auch dann noch zu, wenn alle sinnvollen Maßnahmen zur thermischen Entkopplung umgesetzt wurden.

Im Hygieneplan muss daher festgelegt werden, dass bei fehlenden automatisierten Prozessen zur Temperaturhaltung der Betreiber durch manuell ausgelöste Spülmaßnahmen dafür sorgen muss, dass es im laufenden Betrieb nicht zu längeren Stagnationsphasen und damit auch nicht zu hygienekritischen Kaltwassertemperaturen kommt. Fehlt dieser Hinweis im Hygieneplan, ist im Streitfall die Position des Planers geschwächt.

Ringleitungen mit Strömungsteilern

Zur weiteren Intensivierung des Wasseraustauschs in temperaturkritischen Kaltwasserleitungen wurden in den vergangenen 15 Jahren bereits eine Vielzahl von Stockwerksinstallationen in Krankenhäusern, Hotels, Seniorenheimen usw. erfolgreich mit Ringleitungen ausgestattet, die mit so genannten Strömungsteilern an Steig- bzw. Verteilungsleitungen angeschlossen wurden.

Bedingt durch den Strömungsteiler fließt in der Ringleitung auch dann noch ein Volumenstrom, wenn in Fließrichtung hinter der betrachteten Stockwerksinstallation eine Entnahmearmatur betätigt wird. Der auf diese Weise in der Ringleitung erzeugte Volumenstrom wird als Induktionsvolumenstrom /14/ bezeichnet (Bild 5, dunkelblau dargestellte Messwerte).

5 - Temperaturverlauf des kalten Trinkwassers in einer Strömungsteilerinstallation in Abhängigkeit von der Wasserentnahme und den Induktionsvolumenströmen Bild: Kemper/Rickmann/Dendrit

Im Betrachtungszeitraum des Beispiels erzeugen die in der Ringleitung „fremdinduzierten“ Volumenströme im Mittel einen zusätzlichen 24-fachen Wasseraustausch pro Tag. Der Wasseraustausch durch Induktion liegt damit um mehr als das Doppelte höher als der Austausch, der sich durch Wasserentnahmen über die Entnahmearmaturen einstellt. Im gegebenen Fall verkürzen die Induktionsvolumenströme auch die maximale Stagnationszeit von ursprünglich sechs Tagen (Bild 3) auf weniger als einen Tag (Bild 5).

Die durch Wasserentnahme und Induktion erzeugte intensivere und gleichmäßiger über den Tag verteilte Durchströmung der Stockwerksringleitung reduziert die mittlere Temperatur des kalten Trinkwassers auf 22,9 °C. Im Vergleich zu einer Reihenleitungsinstallation führt das zu einer Absenkung der mittleren Kaltwassertemperatur in den Stockwerksleitungen um ca. 3 K (Bild 5 und Bild 8) /15/. Eine Überschreitung der kritischen Temperaturgrenze von 25 °C ergibt sich im Betrachtungszeitraum überwiegend in den Nachtstunden nur noch für ca. sieben Stunden proTag (31 %).

Bereits mit dem laufenden Betrieb kann so, nur durch den geänderten konstruktiven Aufbau des Rohrnetzes, eine erhebliche Intensivierung des Wasseraustauschs und damit eine Verbesserung der trinkwasserhygienischen Verhältnisse erreicht werden, ohne dass Wasserverluste durch Spülmaßnahmen entstehen.

Die wesentlichen Vorteile einer Strömungsteilerinstallation ergeben sich in idealer Weise bei bestimmungsgemäßem Betrieb der Trinkwasserinstallation „mit hinreichendem Wasseraustausch über alle Entnahmestellen“ /13/. Die vorübergehende Nichtnutzung einzelner Nasszellen kann dann i. d. R. durch Induktionsvolumenströme kompensiert werden. In so betriebenen Trinkwasserinstallationen kann das Hygienerisiko bereits ohne aktive Prozesse zur Temperaturhaltung erheblich reduziert werden (Bild 8).

Bleibt die Trinkwasserinstallation allerdings vollständig oder in Teilabschnitten über einen längeren Zeitraum ungenutzt, stagniert das kalte Trinkwasser in unzulässiger Weise, unabhängig vom konstruktiven Aufbau des Rohrnetzes.

Fehlen automatisierte Prozesse zur Temperaturhaltung, müssen in Verantwortung des Betreibers(!) Spülprozesse von Hand ausgelöst werden. Während dafür in der Reihenleitungsinstallation des Beispiels in 100 Doppelnasszellen die WC-Spülungen, jeweils am Ende der Reihenleitungen, manuell ausgelöst werden müssen, reicht in Strömungsteilerinstallationen dafür die Betätigung von nur fünf beliebigen Entnahmearmaturen, jeweils in der letzten Doppelnasszelle der horizontal verlaufenden Stockwerks-Verteilungsleitungen (z. B. Bild 6). Der Wasseraustausch in allen anderen Nasszellen erfolgt durch Induktionsvolumenströme, die mit dem Spülvolumenstrom über die Strömungsteiler in den Ringleitungen erzeugt werden. Neben dem erhöhten Personalaufwand ist auch der Wasserverlust durch manuell durchgeführte Spülmaßnahmen in einer Reihenleitungsinstallation erheblich höher als bei einer Strömungsteilerinstallation.

6 - Temperaturverlauf des kalten Trinkwassers in einer Strömungsteilerinstallation in Abhängigkeit von der Wasserentnahme, den Induktions- und den Spülvolumenströmen Bild: Kemper/Rickmann/Dendrit

Die jeweils erforderlichen Spülmaßnahmen müssen vom Planer im Hygieneplan in Abhängigkeit von der Rohrnetzstruktur beschrieben werden.

Automatisierte Spülmaßnahmen

Der gemäß DIN 1988-200 geforderte Wasseraustausch zur Temperaturhaltung kann durch das so genannte „temperaturgeführte Spülen“ automatisiert werden. Werden dafür dezentrale oder zentrale Spüleinrichtungen vorgesehen, muss zur Minimierung des Wasserverbrauchs bedarfsabhängig gespült werden. Das heißt, dass mit möglichst geringem Spülvolumenstrom nur dann gespült wird, wenn die Temperaturhaltung es erfordert. Mit solchen Systemen kann eine geforderte Temperaturhaltung ≤ 25 °C dauerhaft sichergestellt werden. Die mittlere Temperatur des kalten Trinkwassers in der im Beispielsfall untersuchten Stockwerksinstallation liegt bei 22 °C (Bild 6 und Bild 8).

Das zur Temperaturhaltung erforderliche Spülvolumen ist in Strömungsteilerinstallationen mit zentralen Spüleinrichtungen bereits wesentlich geringer, da hier das mittlere Temperaturniveau mit dem laufenden Betrieb bereits um ca. 3 K niedriger liegt als in Reihenleitungsinstallationen mit dezentral angeordneten Spüleinrichtungen.

Dezentrale Spülmaßnahmen erfolgen in der Regel über zeitgesteuert auslösende WC-Spülungen am Ende der jeweiligen Reihenleitung. Trotz dieser Intervallspülungen, z. B. einmal am Tag, liegt die Temperatur des kalten Trinkwassers noch mehr als 17 Stunden am Tag über 25 °C (72 %). Die mittlere Temperatur in der ersten Teilstrecke der Stockwerksinstallation liegt bei 25,3 °C und befindet sich damit auf dem Temperaturniveau einer Reihenleitung ohne Spülmaßnahmen (Bild 7).

7 - Temperaturverlauf des kalten Trinkwassers in einer Reihenleitungsinstallation in Abhängigkeit von der Wasserentnahme und einer Intervallspülung pro Tag Bild: Kemper/Rickmann/Dendrit

Zeitgesteuerte Spülmaßnahmen, die ganzjährig immer nur zu einem vorgegebenen Zeitpunkt (z. B. täglich) mit einem relativ hohen Spülvolumenstrom spülen, haben keinen nennenswerten Einfluss auf die Temperaturhaltung, führen zu hohen Wasserverlusten und dienen „nur“ dem Wasseraustausch.

Die Nachhaltigkeit solcher Maßnahmen ist fragwürdig. Die Grundanforderung aus DIN EN 806-2 ist zu beachten: „Der Planer hat den Wasser- und Energiebedarf der Trinkwasserinstallation zu berücksichtigen und ist gehalten, diese zu minimieren“ /16/.

Kreislaufkühlung

Spätestens im Sommer, bei hohen Eintrittstemperaturen des Trinkwassers in das Gebäude (> 15 °C), werden temperaturgeführte Spülmaßnahmen unwirtschaftlich. Eine bedarfsabhängige Temperaturhaltung durch eine modulierende Kreislaufkühlung ist wesentlich wirtschaftlicher. Mit der definierten Durchströmung aller Leitungsteile kann im Kühlkreislauf zu jeder Zeit eine vorgegebene Temperatur des kalten Trinkwassers (z. B. < 20 °C) vor jedem Armaturenanschluss sichergestellt werden, ohne dass Wasserverluste durch Spülmaßnahmen entstehen. In der Praxis hat sich gezeigt, dass bei Trinkwassertemperaturen unter 20 °C nur sehr selten Legionellen nachgewiesen werden.

In Trinkwasserinstallationen, in denen eine vorgegebene Kaltwassertemperatur < 20 °C gehalten werden kann und ein permanenter Wasseraustausch in allen Teilstrecken unabhängig vom Nutzerverhalten erfolgt, gibt es kein Stagnationswasser mehr und keine unbemerkte Temperaturerhöhung. Das verbleibende Betriebsrisiko ist dadurch minimiert!

Bewertung des Betriebsrisikos

Im Verlauf einer Dendrit-Rohrnetzberechnung wird das Betriebsrisiko aus einer Bewertung der hygienerelevanten Rohrnetz- und Betriebsparameter (Temperaturhaltung, Qualität der Durchströmung, Intensität des Wasseraustauschs und des Nährstoffeintrags) ermittelt /17/.

Eine Übersicht über die Ergebnisse wird über Kreisdiagramme geliefert. Alle Einflüsse können im 3D-Modell oder im Strangschema detailliert bis auf Teilstreckenebene nachvollzogen werden. Dabei stehen rote Einfärbungen für Leitungsbereiche mit hohem und grün markierte für Leitungsbereiche mit einem geringen bis sehr geringen Betriebsrisiko.

In der Dendrit-Analyse werden z. B. Teilstrecken, die ohne Unterbrechung turbulent durchströmt werden und in denen Kaltwassertemperaturen < 20 °C gehalten werden können, mit dunkelgrün bewertet (Bild 8).

8 - Trinkwasserhygienische Bewertung der Ergebnisse von Modellrechnungen (Temperaturhaltung, Durchströmung, Wasseraustausch) in Abhängigkeit vom Konstruktionsprinzip und der Betriebsweise; mit zugehörigem Kostenfaktor Bild: Rickmann/Dendrit

Fazit

Die Erfahrung zeigt, dass ohne automatisierte Prozesse zur Temperaturhaltung reaktive Maßnahmen zum Regelbetrieb einer Trinkwasserinstallation gehören können, wie z. B. die personalintensive Durchführung von manuellen Spülmaßnahmen, der dauerhafte Einsatz von endständigen Filtern an den Entnahmearmaturen und/oder die Durchführung von chemischen Desinfektionsmaßnahmen.

Die Forderung nach einem höchstmöglichen Wasseraustausch im laufenden Betrieb, bei definierter Temperaturhaltung unter 20 °C, kann idealerweise mit Kaltwasser-Zirkulationssystemen erfüllt werden, die jeweils bis an die Entnahmestellen herangeführt werden. Mit solchen Systemen ergibt sich bei turbulenten Fließvorgängen ein ununterbrochener Wasseraustausch in allen Teilstrecken der Trinkwasserinstallation und das auch in entnahmeschwächeren Zeiten. Wasseraustausch und Temperaturhaltung in allen Teilstrecken sind dabei völlig unabhängig vom Nutzerverhalten. Dadurch ist das Betriebsrisiko minimiert.

Im Vergleich zu einer Reihenleitungsinstallation mit dezentralen Spüleinrichtungen und einem immer noch erheblichen betrieblichen Risiko (Kostenfaktor 1,0), ist eine Strömungsteilerinstallation mit Kreislaufkühlung (Kostenfaktor 1,1) nahezu kostenneutral. Die betrieblichen Risiken sind hier aber minimiert und die laufenden betrieblichen Aufwendungen wesentlich geringer (Bild 8).

Dieses Installationsprinzip erhöht signifikant präventiv die hygienische Sicherheit der Trinkwasserinstallation Kalt, die in der heute praktizierten Risikobewertung hinsichtlich ihres Beitrages zum Infektionsgeschehen durch Mikroorganismen im Wasser deutlich unterschätzt wird. Dieser präventive Ansatz, der auch bei der künftigen Entwicklung der Trinkwasserverordnung immer mehr Stellenwert erhält, lässt sich gut in die Erstellung eines Water Safety Plans integrieren, mit dem hygienische Sicherheit durch vorbeugende Betriebskonzepte erreicht werden soll.

Literaturhinweise

  • /1/ Flemming, C., et al. (2010): Erkenntnisse aus dem BMBF-Verbundprojekt „Biofilme in der Trinkwasserinstallation“. Bundesministerium für Bildung und Forschung

  • /2/ Robert Koch Institut RKI (2019): Legionellose – Primärprävention von Legionellosen

  • /3/ DIN 1988-200, 3.2 Grundlagen

  • /4/ DIN 1988-200, 3.6 Betriebstemperatur

  • /5/ DVGW W 551 A (Juli 2016): Informationen und Erläuterungen zu Anforderungen des DVGW-Arbeitsblattes W 551

  • /6/ VDI 6023 Blatt 1:2022-09: Hygiene in Trinkwasser-Installationen, Tabelle 1, Temperatur des kalten Trinkwassers: maximal 25 °C nach Ablauf von 3 Litern, gemessen in 250 ml in einem Messbecher

  • /7/ Mathys, W: Legionella, Pseudomonas und Co., 2. Auflage, Mai 2019, Tabelle 17

  • /8/ DVGW – Wasser-Information Nr. 74 (Januar 2012): Hinweise zur Durchführung von Probennahmen aus der Trinkwasserinstallation für die Untersuchung auf Legionellen

  • /9/ Robert-Koch-Institut RKI-Ratgeber Legionellose (September 2019) – Aktuelle Daten und Informationen zu Infektionskrankheiten

  • /10/ DIN 1988-200, 8 Planungs–und Ausführungs-unterlagen

  • /11/ VDI/DVGW 6023-1:2013-04: Hygiene in Trinkwasserinstallationen - Anforderungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung

  • /12/ Ergebnisse einer Expertenanhörung am 31.03.2004 im Universitätsklinikum in Bonn, veröffentlicht im Bundesgesundheitsblatt 2006 49:681-686

  • /13/ VDI 6023-1:2022-09, Begriffsdefinition: „bestimmungsgemäßer Betrieb“

  • /14/ Die Mitnahme von Wasser aus Stockwerks-installationen durch den Hauptstrom in der Steig-/Verteilungsleitung

  • /15/ Rickmann, L.: Einfluss neuer Konzepte bei Planung und Konstruktion von Trinkwasserinstallationen in Großgebäuden auf die hygienische Qualität des Trinkwassers, UMIT, September 2014

  • /16/ DIN EN 806-2, 3.2.2 Wasser- und Energieeinsparung

  • /17/ Dendrit Studio 2023 – Dendrit Haustechnik-Software GmbH, Dülmen

Prof. Dr.-Ing. Carsten Bäcker

Prof. Dr.-Ing. Carsten Bäcker

Prof. Dr. Werner Mathys

Prof. Dr. Werner Mathys

Prof. Dr. Lars Rickmann

Prof. Dr. Lars Rickmann

Prof. Dipl.-Ing. Bernd Rickmann

Prof. Dipl.-Ing. Bernd Rickmann

M. Eng. Timo Kirchhoff

M. Eng. Timo Kirchhoff
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Einfluss der Betriebsführung auf die Trinkwasserqualität
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