Potenziale für die Flächenheizung und -kühlung in Kombination mit Wärmepumpen
Um die Abhängigkeit von fossilen Energien auch im Gebäudebereich zu überwinden, muss laut Beschluss der Bundesregierung künftig jede neu eingebaute Heizung zu 65 % mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Die Umsetzung dieser Anforderung erfolgt über das Gebäudeenergiegesetz (GEG) schrittweise seit dem 01.01.2024. Die 65-Prozent-EE-Wärmepflicht gilt für Neubauten in Neubaugebieten sofort, das heißt, seit dem 1. Januar 2024 (maßgeblich ist der Zeitpunkt des Bauantrags). Für bestehende Gebäude und für Neubauten in Baulücken wurden hingegen längere Übergangsfristen vorgesehen, um eine bessere Abstimmung der individuellen Investitionsentscheidung auf die örtliche Wärmeplanung zu ermöglichen.
Der zentrale Satz „Zum 1.1.2024 muss jede neu eingebaute Heizung auf Basis von 65 % EE betrieben werden“ habe weitreichende Konsequenzen für viele Bereiche, erläutert Prof. Dr.-Ing. Bert Oschatz als leitender Mitarbeiter in verschiedenen Normungsgremien und Gutachter für Bundesministerien - insbesondere in der Kombination mit dem Ziel, dass ab 2045 nur noch erneuerbare Energien eingesetzt werden dürfen. Das bedeute, dass bis dahin drei Viertel aller Wärmeerzeuger erneuert werden müssten. Dabei hat die Auswahl von Wärmeerzeuger und Wärmeübergabe wesentlichen Einfluss auf die CO2-Bilanz eines Gebäudes.
Niedertemperatursysteme
Oft will man im Neubau lediglich den Mindeststandard einhalten und baut teilweise „nur“ Heizkörper ein. Damit verzichtet man jedoch für lange Zeit auf optimale Arbeitszahlen bei Wärmepumpen, obwohl im Neubau die Baukosten der Flächenheizung auf dem Niveau der Kosten von Heizkörpern liegen, bedauert Prof. Oschatz beim BVF-Symposium 2023. Für den hocheffizienten Neubau sowie für die umfassende energetische Sanierung für Einfamilienhausbesitzer ist die Installation einer elektrischen Flächenheizung im GEG als Erfüllungsoption verankert. Zudem dürfe die Möglichkeit der wassergeführten Flächenheizung, im Sommer zu kühlen, nicht außer Acht gelassen werden. Heiße Sommer, extrem lange Trockenperioden und warme Winter werden den Kühlbedarf in den nächsten Jahrzehnten rasant steigen lassen.
Wesentliche Schritte zur Erreichung des CO2-Reduktionsziels sind die Umstellung der Wärmeversorgung sowie die Verbesserung der Effizienz bei Gebäudehüllen und Anlagen. Bei der Wärmeversorgung gewinnen die elektrische Wärmepumpe und Wärmenetze stark an Bedeutung.
Weitgehende Treibhausgasneutralität bis 2045
Die schrittweise Reduzierung der nationalen THG-Emissionen nach Klimaschutzgesetz 2021 soll in vier Stufen erreicht werden:
- bis 2030 um mindestens 65 % gegenüber 1990
- bis 2040 um mindestens 88 % gegenüber 1990
- bis 2045 Treibhausgasneutralität
- nach 2050 negative Treibhausgasemissionen.
Heizungssysteme ab 2024 – was geht?
Bei jedem Heizungswechsel müssen die verantwortlichen Eigentümer bedenken, dass spätestens bis zum Jahr 2045 die Nutzung fossiler Energieträger beendet sein und danach alle Heizungen vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen.
Bei den Wärmequellen sind folgende Optionen möglich:
Wärmepumpe: Eine Wärmepumpe entzieht die Wärme aus der Umgebung (Luft, Wasser oder Erdreich) und wandelt sie in nutzbare Wärme um.
Fernwärme/Kalte Nahwärme: Wärmenetze müssen künftig ebenfalls mit erneuerbaren Energien oder Abwärme betrieben werden. Während konventionelle Nahwärmenetze Wasser oder Dampf mit hohen Temperaturen von 70–100 °C transportieren, arbeitet etwa die „kalte Nahwärme“ mit Medientemperaturen von 5 bis 20 °C. Die Wärme wird über ungedämmte Rohrleitungen verteilt, in denen eine Sole zirkuliert. Der große Vorteil dieser Systeme ist, dass sie wegen ihrer niedrigen Temperaturen auf dem Weg wenig Energie verlieren, ggf. sogar noch Energie aufnehmen können, z. B. aus dem Erdreich. Dies macht sie energetisch sehr effizient.
Stromdirektheizung: Für moderne Niedrigenergiegebäude mit sehr geringer Heizlast ist die elektrische Flächenheizung eine interessante Option. Voraussetzung ist, dass das Hauskonzept baulichen Wärmeschutz, Anlagentechnik und Kopplung der Sektoren Strom und Gebäude intelligent kombiniert. Gebäudenah erzeugter Strom etwa aus Photovoltaik kann so nicht nur unmittelbar als Haushaltstrom, sondern auch für die Warmwasserbereitung und die Wärmeversorgung mit der elektrischen Flächenheizung genutzt werden. Daraus resultiert eine hohe Energieautarkie, da über die Photovoltaikanlage Strom und Wärme zu einem großen Anteil vom eigenen Dach kommen. Im Vergleich zu anderen Technologien liegen die Investitionskosten für die elektrische Flächenheizung sehr niedrig.
Hybridheizung: Die 65-%-Vorgabe lässt sich auch mit einer Kombination aus einer Heizung mit erneuerbaren Energien und einem Gas- oder Ölkessel erreichen. Dafür bieten sich zwei Optionen an:
- Wärmepumpen-Hybridheizung (Wärmepumpe kombiniert mit einer Gas-, Biomasse- oder Flüssigbrennstofffeuerung): Die GEG-Anforderungen gelten als erfüllt, wenn der Betrieb bivalent parallel oder bivalent teilparallel oder bivalent alternativ mit Vorrang für die Wärmepumpe erfolgt. Der Spitzenlasterzeuger soll nur eingesetzt werden, wenn der Wärmebedarf nicht mehr von der Wärmepumpe gedeckt werden kann. Die einzelnen Wärmeerzeuger müssen eine gemeinsame, fernansprechbare Steuerung haben. Arbeitet der Spitzenlasterzeuger mit gasförmigen oder flüssigen Brennstoffen, muss er ein Brennwertkessel sein.
- Solarthermie-Hybridheizung (Solarthermie-Anlage kombiniert mit Gas-, Biomasse- oder Flüssigbrennstofffeuerung): Eine Solarthermie-Hybridheizung (solarthermische Anlage in Kombination mit einer Gas-, Biomasse oder Flüssigbrennstofffeuerung) kann pauschal als Erfüllungsoption angesetzt werden, wenn Mindestgrößen der Aperturfläche eingehalten werden und der Kessel zu mind. 60 % mit Biomasse, grünem oder blauem Wasserstoff betrieben wird.
Biomasseheizung: Die Heizung wird mit Biomasse wie Pellets oder Holzhackschnitzeln betrieben.
Gasheizung mit erneuerbaren Gasen: Die Gasheizung nutzt nachweislich mindestens 65 % erneuerbare Gase (Biomethan, biogenes Flüssiggas, Wasserstoff).
Für allen genannten möglichen neuen Wärmequellen liefert die Flächenheizung/Flächenkühlung die bestmögliche Wärmeverteilung, denn die niedrigen Systemtemperaturen der Flächenheizung sorgen für einen effizienten Betrieb der Wärmeerzeuger und Wirtschaftlichkeit des gesamten Heizungssystems.
Jedes Kelvin mehr an Vorlauftemperatur führt zu 3,5 % mehr Stromverbrauch, wie Prof. Werner Schenk ebenfalls auf dem BVF-Symposium ausführte. Ein gutes Anlagenkonzept von der Wärmequelle über die Wärmeverteilung hat also enorme Relevanz für die nachhaltige Schonung von Ressourcen.
Die Lücke bei den Bestandssanierungen schließen
75 % aller Bestandsimmobilien müssen mit einem neuen Wärmeerzeuger ausgestattet werden, stellte Prof. Oschatz bereits an früherer Stelle heraus. Dafür bietet sich eine energetische Sanierung des Gebäudes an, die nicht nur die Wärmeerzeugung, sondern auch die Gebäudehülle und die Wärmeverteilung zukunftsfähig macht. Im ersten Schritt kann sich oft schon eine so genannte smart renovation lohnen. Hinter dem Begriff verbergen sich geringinvestive gebäudespezifische Maßnahmen am Gebäudekörper oder der Gebäudehülle in Kombination mit der Modernisierung einer bestehenden oder dem Einbau einer neuen Flächenheizung, die den CO2-Ausstoß senken und zugleich die Behaglichkeit und den Wert der Immobilie steigern.
Geeignete Systeme für den Gebäudebestand
Die Hersteller von Flächenheizungs- und Flächenkühlungssystemen haben sich auf die Herausforderung der Bestandssanierung eingestellt und ein breites Angebot an Modernisierungs- und Sanierungssystemen entwickelt, die für jedes Projekt das richtige Produkt finden lassen. Diese zeichnen sich in der Regel durch eine niedrige Aufbauhöhe und schnelle Montagezeiten aus. Die nachträgliche Installation einer Flächenheizung im Bestandsgebäude kann im Boden, der Wand oder in der Decke erfolgen.
In vielen Fällen eignet sich die Decke besonders für die Sanierung, da sie auch im bewohnten Zustand schnell nachgerüstet werden kann. Einmal installiert, heizt und kühlt das Flächensystem an der Raumdecke und erzeugt große thermische Behaglichkeit.
Insbesondere Trockenbausysteme lassen sich sehr gut im bewohnten Zustand installieren. So genannte Moduldecken haben sich im Gebäudebestand bewährt, da sie geringe Aufbauhöhen haben und schnell montiert sind. Flexible Plattensysteme lassen sich fix und fertig an Decken und Dachschrägen befestigen. Als Richtwert für den Einbau werden hier 20 min/m² angenommen (Montage der Platten, Pressverbindung, Zuleitung, Klebefuge, Anschluss an Verteiler). Die Wärmeleistung bei einer gewünschten Raumtemperatur von 20 °C entspricht 68 W/m² und einem Vorlauf/Rücklauf von 35/30 °C. Dies sind optimale Systemtemperaturen zur Einbindung einer Wärmepumpe.
Kühlen und Heizen mit Deckensystem und Wärmepumpe
Im Kühlfall wird dem Raum Wärme entzogen, um die gewünschte Raumtemperatur zu erreichen. Bei konventionellen Kühlsystemen, die die Kühllast vorwiegend konvektiv über die Zuluft oder über Umluftgebläse abführen, kommt es häufig zu hohen Luftgeschwindigkeiten und Turbulenzen, die Zugerscheinungen verursachen. Bei der Kühlung über Decke, Boden oder Wände, auch stille Kühlung genannt, ist das nicht der Fall. Der Kühleffekt tritt vorwiegend durch Strahlungsaustausch direkt (Mensch zur Kühlfläche) oder indirekt (Mensch zu Einrichtungsgegenständen und Umschließungsflächen) auf.
Wird die Flächenheizung auch für die Raumkühlung verwendet, dann ist die Auslegung gesondert vorzunehmen. In der Regel ergeben sich im Kühlfall kleinere Verlegeabstände, eine größere Anzahl von Kreisen und/oder größere Rohrquerschnitte. Die Raumtemperaturreglung enthält überdies eine Taupunktführung, die im Kühlfall für eine Vorlauftemperatur stets oberhalb des Taupunktes sorgt.
In Abstimmung mit dem Auftraggeber ist zu entscheiden, ob die Anlage vorrangig für den Heiz- oder Kühlfall oder die Doppelfunktion Heizen und Kühlen dimensioniert werden soll. Dabei sind aus energetischen und ökologischen Gründen niedrige Systemtemperaturen im Heizfall und hohe Systemtemperaturen im Kühlfall anzustreben. Das ermöglicht in idealer Weise die Kombination mit Wärmepumpenanlagen und regenerativen Energien. So kann z. B. bei Wärmepumpen mit Erdsonden in vielen Fällen eine direkte Kühlung durch die Geothermie ohne Energieeinsatz für den Kältekreislauf erfolgen.
Grundsätzlich eignen sich alle wasserführenden Flächenheizungen zum Kühlen. Die höchsten Kühlleistungen erreichen Deckenheiz- und -kühlsysteme. Alle Wärmepumpenarten (Luft/Wasser, Sole/Wasser oder Wasser/Wasser) sind für die Kühlung geeignet. Im Idealfall kann der Kühlbedarf in Gebäuden mit Wärmepumpen und Flächenheizung CO2-frei abgedeckt werden. Die im Folgenden skizzierten beiden einfachen Anlagenkonzepte ermöglichen eine CO2-freie Kühlung, wenn der benötigte Strom durch PV-Eigenstrom oder über Ökostrom aus dem Netz im Sommer erfolgt.
Passive Kühlung mittels Geothermie und Flächenheizung und -kühlung
Die Anlage arbeitet im Kühlmodus mit direkter Kopplung von Flächenkühlung und Geothermie bei einer Quellentemperatur unter 16 °C. Die Wärmepumpe ist nicht in Betrieb. Die geothermische Kälte ist CO2-frei. Im Fall, dass die beiden Umwälzpumpen mit Eigenstrom versorgt werden, fallen für die Kühlung außerdem keine Betriebskosten an.
Aktive Kühlung mittels Luft-Wärmepumpe und Flächenheizung und -kühlung
Die Luft/Wasser-Wärmepumpe in Kombination mit einer Flächenheizung wird bei Integration einer gebäudeeigenen PV-Anlage teilweise bis vollständig zur Kühlung mit Eigenstrom genutzt. Da die PV-Eigenstromerzeugung bei Kühlbedarf im Sommer in der Regel sehr hohe Erträge aufweist, ist ein hoher Autarkiegrad möglich. Gleiches gilt für Sole/Wasser-Wärmepumpen mit Quellen, die wärmer als 16 °C sind wie zum Beispiel Abwärme.
Fazit
Gebäude haben einen wesentlichen Anteil am Gesamtenergiebedarf und an den Treibhausgasemissionen in Deutschland. Den Energiebedarf von Wohngebäuden zu verringern, ist daher ein Schwerpunkt deutscher Klimaschutzpolitik. Dabei spielen die erneuerbare Energieerzeugung, die Nutzung der effizientesten Technologie und die Senkung des Energiebedarfes die entscheidende Rolle.
Eine einseitige Betrachtung des GEG nur in Bezug auf den Austausch des Wärmeerzeugers führt jedoch an den eigentlichen Zielen des Gebäude-Energie-Gesetzes vorbei, denn um die CO2-Emissionen langfristig und effektiv zu reduzieren, muss die gesamte Wärmeprozesskette betrachtet und neu bewertet werden. Hier ist die Flächenheizung und -kühlung das Niedertemperaturübergabesystem der Zukunft. Mit einer Lebensdauer von 50 Jahren und mehr sorgt sie kostengünstig für thermische Behaglichkeit, liefert bei allen Wärmeerzeugern durch optimale Rahmenbedingungen höchste Effizienz, verbraucht am wenigsten Strom und kann zudem mit erneuerbarer Kälte kühlen.
Prof. Dr.-Ing. Bert Oschatz
Dipl.-Ing. Alexandra Borke
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