Vergleicht man den thermischen Leistungsbedarf eines Gebäudes mit den zeitgleich verfügbaren regenerativen Energien, wird offensichtlich, dass intelligente Gebäude und deren Anlagentechnik, Angebot und Bedarf durch Verschieben mittels Speicher zur Deckung bringen müssen. Da am Ende Wärme im Winter, oder Kälte im Sommer gefragt ist, könnte zunächst der Strom gespeichert werden und anschließend mittels Kompressionskältemaschine in Wärme oder Kälte gewandelt werden. Wesentlich wirtschaftlicher ist es, den anfallenden regenerativen Strom direkt in Wärme oder Kälte umzuwandeln und thermisch zu speichern. Dabei handelt es sich um eine seit Jahrzehnten bekannte Technologie, die in Form sensibler Wasserspeicher umgesetzt wird.
PCM als Speichermaterial für Kälte und Wärme
Ein Liter Wasser, wenn es nicht mit Frostschutzmitteln versetzt ist, kann bei einer Temperaturänderung um 1 K respektive um 1 °C, eine Energiemenge von 4,18 kJ bzw. 1,16 Wh aufnehmen oder abgeben. Wasser ist preisgünstig, zyklenstabil und am Ende des Lebenszyklus eines Speichersystems umweltfreundlich zu entsorgen. Die Energiemenge von 1,16 Wh in 1 l bzw. 1 kg Wasser ist aber nicht besonders hoch. Um verfügbare, regenerative Energiemengen im Bereich von MWh aufzunehmen und über den Tag zu verschieben, bräuchte es extrem große Speicher.
Dieses Problem haben TGA-Ingenieur:innen bereits in der Vergangenheit bei Kältespeichern zumindest für den Kühlfall erfolgreich gelöst, indem sie sich den Phasenübergang des gefrierenden und schmelzenden Wassers zunutze machten: Wasser kann im Phasenüberhang bei 273,15 K, respektive 0 °C, ca. 333 kJ und damit das fast 80-fache an thermischer Energie im Phasenübergang aufnehmen oder abgeben. Nun werden Systeme in der TGA selten mit 0 °C Vorlauftemperatur geheizt und oft reichen selbst 0 °C nicht für die Abkühlung in Kühlsystemen aus. Hier kommen Phasenwechselmaterialien (PCM, engl.: Phase Change Material) ins Spiel. PCM haben je nach ihrer Zusammensetzung unterschiedliche Phasenübergangstemperaturen. Die Materialien stehen in großer Auswahl zur Verfügung, so dass sich darunter auch PCM für die technische Gebäudeausrüstung finden, die entweder für den Heizfall bis ca. 70 °C oder den Einsatz im Bereich Kühlen bis ca. –50 °C geeignet sind.
PCM ist nicht gleich PCM und Parameter wie Phasenübergangstemperaturbereich und Phasenübergangsenergie werden oft unternehmensspezifisch definiert. Damit werden diese für die Vergleichbarkeit relevanten Daten undurchsichtig und es lässt sich nicht damit planen.
Um das zu ändern und PCM vergleichbar, berechenbar und sicher planbar zu machen, hat die RAL-Gütegemeinschaft /1/ Standards mit dem RAL-Gütezeichen GZ 896 definiert. In der Vergangenheit wurden auch PCM-Slurries (engl. Schlämme; eine Kombination aus Latentwärmespeichermaterial und z. B. Wasser) als Wärmeträgerflüssigkeiten diskutiert. Durchgesetzt haben sich aber thermische Speichersysteme, die entweder mit reinem PCM befüllt werden und in denen Wärmeüberträger integriert sind, oder klassische Speichersysteme, in die Objekte (PCM-O nach RAL GZ 8961) nachträglich eingelagert werden. Diese Speicher lassen sich problemlos skalieren und können damit thermische Energien im MWh–Bereich speichern oder freisetzen. Durch die Vielzahl der im Speicher schwimmenden Objekte wird eine sehr große Wärmeübertragungsfläche und damit Übertragungsleistung erreicht. Da diese Speicher aber primär auf Reichweite ausgelegt werden müssen, um Gebäude z. B. thermisch durch eine Dunkelflaute segeln zu lassen, bedarf es einer exakten Dimensionierung, Auslegung und Betriebsweise.
Fußnote:
1 PCM-O: Aus einem oder mehreren Materialien (einschließlich PCM) bestehendes Objekt mit definierter Form, Oberfläche oder Größe. PCM-V: Materialverbund, der einen nennenswerten PCM-Bestandteil enthält. Durch die Kombination des PCM mit anderen Materialien werden an die Anwendung angepasste Eigenschaften erreicht (z. B. eine verbesserte Wärmeleitfähigkeit). PCM-S: Auf Baustoffen, Geräten oder Anlagen basierendes Wärmespeichersystem, bestehend aus PCM, PCM-V und/oder PCM-O als Ergänzung zu oder in Kombination mit z. B. TGA-Komponenten (z. B. Pumpen, Ventilatoren), das Wärme in Form von Phasenübergangswärme in einem PCM speichert.
Dynamik mit Software managen
Thermisch hybride Energiespeicher auf der Basis von PCM-O verhalten sich ähnlich dynamisch wie elektrische Speicher beim Beladen. Das bedeutet, sie geben über die Laufzeit stark veränderliche thermische Leistung ab oder nehmen sie auf. TGA-Systeme erwarten aber eher eine konstante Leistung der Heizungs- und Kälteanlagen. Insofern bedarf es neben einer projektspezifisch angepassten Dimensionierung und einer speziellen hydraulischen Einbindung auch einer angepassten dynamischen Betriebsweise. Das erfordert Auslegungs- und Simulationswerkzeuge in Form von Software /2/.
In einem über mehrere Jahre andauernden Softwareentwicklungsprozess wurde ein Proof of Concept erarbeitet, dass nun in Form einer ersten frei verfügbaren Demo-Version /2/ einsetzbar ist, um für die zuvor beschriebenen Fälle Speicher zu dimensionieren, auszulegen und zu simulieren. Aus einer beliebig nach RAL-GZ 896 erweiterbaren PCM-Datenbank können PCM in ebenfalls frei programmierbaren PCM-Objekten in frei definierbaren zylindrischen, oder kubischen Speichern getestet und simuliert werden. In der Software wurden unterschiedliche hydraulische Konzepte abgebildet, die neben einfachen Leistungsuntersuchungen auch Kapazitätsberechnungen und das dynamische Verhalten in einer Beimischschaltung berechenbar machen. Der auf numerischen und empirischen Methoden aufbauende Rechenkern kann mittels realer Messwerte Diskretisierungsparameter der PCM-Objekte validieren und kalibrieren, um auf andere Speichergrößen extrapolieren zu können.
Thermische Schwarmspeicher
In der aktuell in Bearbeitung befindlichen DIN 2386 wird auf der Grundlage von Kennzahlen aus der ebenfalls in Erstellung befindlichen VDI 4657, Blatt 2 für thermische Speicher die Idee von thermischen Schwarmspeichern möglich, die bis in den TWh-Bereich überschüssige volatile Energien aus Windkraft und PV aufnehmen und zeitversetzt als Wärme und Kälte nutzbar machen. Durch solche Energiespeicher, die von Energieversorgungsunternehmen von extern ansprechbar sind, können beliebige Gebäude und Systeme in den Genuss regenerativer Energien kommen, ohne dass sie im eigenen Bilanzkreis erreichbar sein müssen. Mit diesem Ansatz können beliebige, darunter auch unter Denkmalschutz stehende Gebäude, mit regenerativer Energie heizen und kühlen.
Bild 1 zeigt, wie Temperatur- und Leistungsverläufe neben Speicherkapazitäten in der Software exakt simuliert werden können.
Es wird normativ nur sinnvoll und damit z. B. im GEG anrechenbar sein, wenn ein relevanter Teil der benötigten Wärme für ein Gebäude aus regenerativen Energien entsteht. Umgelegt auf den Tageswärmebedarf wäre das z. B. bezogen auf ein modernes Einfamilienhaus ca. 40 kWh thermische Energiespeicherkapazität. Nehmen wir dazu eine Beladetemperatur von ca. 50 °C an und eine Wasservorlauftemperatur für ein Heizungssystem von mindestens 35 °C an, lässt sich schnell ein fiktiver Labortest in Form einer Sprungantwort simulieren /2/:
Bild 2 zeigt bei einem Test-Wassermassenstrom von 0,25 kg/s und einer Speichereintrittstemperatur von 35 °C, einen sehr dynamischen thermischen Leistungsverlauf (blau). Zu Beginn wird sehr warmes Wasser und damit auch eine sehr hohe thermische Leistung ausgetragen. Anschließend geht der Speicher in den Phasenübergang und gibt bei konstantem Wassermassenstrom und sinkender Austrittstemperatur auch sinkende thermische Leistungen ab. Würde man die Entzugsleistung z. B. durch eine dynamisch geregelte Beimischschaltung auf einen optimalen Wert begrenzen, ergäbe sich eine konstante thermische Energiequelle. Die Software ermöglicht dies durch Simulation; damit kann auch die Reichweite der thermischen Batterie ermittelt werden. Natürlich können auch über die Zeit angepasste Entzugsprofile vorgegeben werden, um den PCM-Speicher unter realen Lastprofilverläufen zu testen.
Für den zuvor unter Laborbedingungen getesteten Speicher (Bild 3) wird hier zunächst eine thermische Entzugsleistung von ca. 6 kW angenommen, um eine sinnvolle Reichweite zu erreichen. Für das Heizungssystem werden maximale Vorlauftemperaturen von 40 °C und Rücklauftemperaturen von 30 °C gewählt. In der erneuten Simulation wird der hybride thermische Energiespeicher allerdings nun hydraulisch in eine Beimischschaltung eingebunden.
Die dynamische Ventilregelung, die ebenfalls im Programm simuliert wird /3/, liefert das in Bild 4 ersichtliche Ergebnis:
Bild 4 zeigt den optimierten Auslegungsbetrieb bei einer konstanten Entzugsleistung von ca. 6 kW. Der hier dimensionierte Speicher erreicht mit den zuvor beschriebenen Betriebsparametern eine Reichweite von knapp sieben Stunden. Unter diesen Betriebsbedingungen verhält sich der PCM-Speicher wie das Heizungssystem, das er ersetzen soll und hat eine theoretische Kapazität von 46,8 kWh.
Neben einer vollständigen Substitution ist bei entsprechender hydraulischer Einbindung auch die Unterstützung des Wärmeerzeugers bei Spitzenlast des Gebäudes denkbar. Damit würden neue Strategien für die Bemessung von Wärmeerzeugern möglich, die im Spitzenlastfall eine Lastdeckung aus Wärmeerzeugerleistung und Speicherleistung gemeinsam vorsehen.
Voraussetzung für eine solche Vorgehensweise ist es, dass Kennzahlen und Methoden zu deren Anwendung vorliegen, die den Ingenieur oder die Ingenieurin beim technischen und wirtschaftlichen Vergleich verschiedener Speicherbauarten und -prinzipien thermischer Energiespeicher unterstützen. Die in Erstellung befindliche VDI 4657 Blatt 2 widmet sich diesem Ziel. Sie schafft Vergleichbarkeit als Grundlage für Eingrenzung und Aussagen zur Eignung oder Nicht-Eignung der verschiedenen Speicherbauarten für Anwendungsfälle wie Heizung, Trinkwassererwärmung, Kühlung usw.
In Bild 4 ist eine kumulierte Gesamtentzugsleistung von 43 kWh erkennbar. Das entspricht einer Speicherausnutzung von ca. 92 %, bei einem Faktor von 2,2 zu einem rein sensiblen Wasserspeicher. Werden Temperaturspreizungen und PCM weiter angepasst, sind Speicherfaktoren im Heiz- und Kältebetrieb bis max. 3 erreichbar.
So wie sich volatile, regenerative, elektrische Energie direkt in Wärme umwandeln und speichern lässt, ist dies auch mit Kälte möglich. Bild 5 zeigt ein ausgeführtes Beispiel mit einer thermischen Speicherkapazität von 3,6 MWh.
Literaturhinweise
/1/ RAL-GZ 896: Güte- und Prüfbestimmungen für Phase Change Materials:https://www.pcm-ral.org/pdf/RAL_GZ_896_Phase_Change_Material_Edition_March_2018.pdf
/2/ Freie Demosoftware: Hybrid Latent Heatstorage Simulation: https://www.boiting.de/download/Hybrid-Latent-Heatstorage-Setup.msi
/3/ Masterarbeit: Erweiterung einer Software zur optimierten Auslegung hybrider Latentspeichersysteme, F. Meißen (jetzt F. Rusch) B.Eng, 02/2022
/4/ Hybride Latentspeichersysteme: https://heatstixx.de/
/5/ Moderne Gebäudetechnik, Ausgabe 12/2021, S. 20–22: „Nachhaltige Kälteversorgung in der Großschlachterei“
/6/ PCM-O, HeatSel XL: https://www.axiotherm.de/de/produkte/heatsels%C2%AE/
/7/ ATS 44, PCM mit einem Phasenübergang bei ca. 44 °C. Weitere PCM siehe : https://www.axiotherm.de/de/produkte/axiotherm-pcm/
Prof. Dr.-Ing. Bernd Boiting
M.Eng. Fabian Rusch
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