Berechnungsmodell

Politische Maßnahmen und ihr Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit von Gebäudeenergiesystemen

Die Modernisierung des Gebäudebestands ist aus Sicht des Klimaschutzes notwendig und vom Gesetzgeber gewollt, aber nicht ohne beträchtliche Investitionsausgaben zu haben. An der Rheinisch-Westfälischen-Hochschule Aachen wurde daher ein Modell entwickelt, mit dem sich u. a. herausfinden lässt, welche Modernisierungsmaßnahmen an Gebäudetechnik und -hülle sich unter welchen förderpolitischen und regulatorischen Rahmenbedingungen am wirtschaftlichsten durchführen lassen.

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1 - Struktur des Optimierungsmodells Bild: EBC
1 - Struktur des Optimierungsmodells Bild: EBC

Der Betrieb bestehender Gebäude ist für 22 % der Emissionen in Deutschland verantwortlich /1/. Zwei Drittel dieser Gebäude wurden vor Einführung der 1. Wärmeschutzverordnung 1978 errichtet /2/ und sind vielerorts noch immer vollständig ungedämmt. Gleichzeitig wird der hohe Wärmebedarf deutscher Gebäude mit 67 % Anteil weitestgehend aus fossilen Brennstoffen gedeckt /1/. Um Deutschlands Ziel der Klimaneutralität bis 2045 /3/ zu erreichen, müssen also Gebäudehülle und Wärmebereitstellung im Bestand umfassend modernisiert werden.

Die Entscheidung über Modernisierungsmaßnahmen obliegt allerdings den Gebäudeeigentümern und wird neben der technischen Umsetzbarkeit von der Wirtschaftlichkeit potenzieller Maßnahmen sowie von regulatorischen Rahmenbedingungen beeinflusst. Um die Energiewende im Gebäudebereich voranzutreiben, versucht die Politik daher, durch Gesetze und Förderungen in die Modernisierungsentscheidung einzugreifen. Die jüngsten Diskussionen über die Energiepreisbremse /4/, die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes mit der Einführung einer 65 % Erneuerbaren-Energien-Regel für neu eingebaute Heizsysteme /5/ und verschiedene Förderstrategien /6/ haben die Kontroverse verdeutlicht, die mit den politischen Maßnahmen einhergeht. Es bleibt jedoch unklar, welchen Einfluss diese Maßnahmen letztendlich auf die Wirtschaftlichkeit von Gebäudeenergiesystemen haben und welche Lenkungswirkung sie im Markt erzielen werden.

Inhalt dieses Beitrags ist daher eine modellhafte Untersuchung des Einflusses der genannten politischen Maßnahmen auf die wirtschaftlich rational getroffene Modernisierungsentscheidung in zwei typischen Einfamilienhäusern.

Optimierungsmodelle zur Auslegung von Gebäudeenergiesystemen

Um die wirtschaftlichste Kombination von Modernisierungsmaßnahmen für Gebäudeeigentümer zu finden, werden mathematische Optimierungsprogramme verwendet. Im Modell werden dazu zunächst potenzielle Modernisierungsmaßnahmen wie z. B. die Wahl eines neuen Heiz- und Wärmeübergabesystems, die Dämmung der Gebäudehülle und der Kauf von Solaranlagen definiert.

Zur Beschreibung der Funktionsweise der Technologien werden im Modell so genannte Nebenbedingungen genutzt. Dies können etwa die zeitabhängige Effizienz einer Wärmepumpe oder den Einfluss der Dämmung auf den Gebäudeenergiebedarf beschreiben. Weitere Nebenbedingungen schreiben vor, dass der Energiebedarf des Gebäudes zu jeder Zeit gedeckt sein muss.

Das Optimierungsprogramm kann nun aus den definierten Maßnahmen solche auswählen, die die Nebenbedingungen erfüllen und die zuvor festgelegte Zielfunktion minimieren. Zur Bewertung des Energiekonzepts werden in der Zielfunktion des Modells die Gesamtkosten einschließlich Investitionskosten, Betriebskosten und Wartungskosten über den Lebenszyklus der Anlagen betrachtet. Aus der Optimierung lassen sich schließlich Entscheidungen bzgl. der Dämmstärke, des Kaufs von Anlagen für die Wärme- und Stromversorgung sowie zu thermischen und elektrischen Speichern ableiten. Bild 1 zeigt die Struktur des Modells, das bereits in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht wurde /10, 11/.

Optimierte Gebäudeenergiesysteme unter dem Einfluss politischer Maßnahmen

Zur Untersuchung des Einflusses politischer Maßnahmen auf die wirtschaftlich rationale Modernisierungsentscheidung betrachten wir zwei Einfamilienhäuser, bei denen der Ausfall des bestehenden Heizsystems eine Modernisierung erforderlich macht. Die Gebäude repräsentieren verschiedene Baualtersklassen (1958–1968 und 1979–1983) gemäß der Tabula-Typologie für deutsche Wohngebäude /6/ und unterscheiden sich in Bezug auf Gebäudegeometrie, Dämmstandard und Vorlauftemperatur des Bestandsheizsystems (75 °C und 55 °C). Beide Gebäude haben jeweils eine Wohnfläche von 120 m² und werden von drei Personen bewohnt.

Im Modell kann zwischen den folgenden Modernisierungsmaßnahmen entschieden werden: Als Anlagentechnik stehen Gas- und Pelletkessel, Luft/Wasser- und Sole/Wasser-Wärmepumpen sowie elektrische Heizstäbe zur Auswahl. Hinsichtlich der Gebäudehülle können die Außenwand, der Kellerboden und das Dach gedämmt sowie die Fenster ausgetauscht werden. Das Dach kann bis zur maximal nutzbaren Dachfläche entweder mit solarthermischen Anlagen oder Photovoltaikanlagen bestückt werden. Im Modell können weiterhin Vorlauftemperaturen durch den Austausch des bestehenden Radiatorsystems sowie durch die Gebäudedämmung reduziert werden. Zudem ist im Modell eine Heizkurve in Abhängigkeit von der maximalen Vorlauftemperatur integriert.
Anhand von drei Parametervariationen wird der Einfluss von Energiepreisen, Fördersätzen und der 65 % EE-Regel auf die wirtschaftlich rationale Modernisierungsentscheidung analysiert.

Einflussfaktor Energiepreise

Zunächst wird die Modernisierungsentscheidung unter verschiedenen Strom- und Gaspreisen betrachtet. Die Preise variieren in vier Schritten (6–15 ct/kWh für Gas und 24–42 ct/kWh für Strom). In der Parameterstudie wird davon ausgegangen, dass der Strompreis dem Wärmepumpenstrompreis entspricht. In der Betrachtung bleiben Pelletkessel als Heiztechnik zunächst unberücksichtigt.

Bild 2 zeigt die Ergebnisse der Energiepreisvariation. Darin sind für die beiden Baualtersklassen jeweils die gewählten Technologien unter den verschiedenen Strom- und Gaspreisen visualisiert. Die Einfärbung des Hintergrunds zeigt die Emissionen des Energiesystems an, während auf die maximal auftretenden totalen Kosten des Energiesystems normierte Kosten die Preisentwicklung aus Sicht des Gebäudeeigentümers darstellen. Aus der Abbildung lassen sich Kipppunkte in der Wahl des Energiesystems ableiten. Bei günstigen Gaspreisen fällt die wirtschaftliche Wahl in beiden Baualtersklassen auf einen Gaskessel zur Wärmeerzeugung, woraus hohe Emissionen resultieren. Von einer Dämmung der Gebäudehülle wird abgesehen. Ab einem Strom- zu Gaspreisverhältnis von unter 3 zeigt sich die Luft/Wasser-Wärmepumpe kombiniert mit einer Photovoltaikanlage als wirtschaftlichste Alternative, woraus signifikante Emissionseinsparungen resultieren. Um im Gebäude der Baualtersklasse von 1958 bis 1968 die Vorlauftemperaturen soweit zu senken, dass die Wärmepumpe wirtschaftlich betrieben werden kann, wird der Austausch der vorhandenen Radiatoren notwendig.

2 - Wirtschaftlich getroffene Technologiewahl in zwei typischen Einfamilienhäusern unterschiedlicher Dämmstandards unter veränderlichen Strom- und Gaspreisen Bild: EBC

Der Umfang wirtschaftlicher Dämmmaßnahmen ist stark vom Energiepreisniveau abhängig. Im älteren Gebäude ist die Dämmung des Kellerbodens unter allen Preisrandbedingungen wirtschaftlich. Bei steigenden Gaspreisen werden darüber hinaus Dämmmaßnahmen am Dach gewählt. Ein Fenstertausch ist im Beispielgebäude der Baualtersklasse von 1958 bis 1968 unter keinem der Preisszenarien sinnvoll, da die Fenster gemäß Tabula-Typologie bereits einen mittleren Wärmedämmstandard erfüllen. Im Gebäude der Baualtersklasse von 1979 bis 1983, das laut Typologie /7/ Fenster mit höherer Wärmeleitung besitzt, ist ein Fenstertausch hingegen im Energiesystem mit Wärmepumpe wirtschaftlich. Auch weiterhin ergibt sich im neueren Gebäude eine Abhängigkeit der Dämmmaßnahmen von der Art der Wärmeerzeugung. Im gasbasierten System sind Dämmmaßnahmen an Dach und Boden erst ab hohen Gaspreisen wirtschaftlich, während sie im System mit Wärmepumpe bereits bei niedrigen Strompreisen sinnvoll sind. Umfassende Dämmmaßnahmen an der Außenwand sind in beiden Gebäuden nur bei Strompreisen von über 36 ct/kWh im System mit Wärmepumpe Ergebnis der Kostenoptimierung, während sich Investitionen in Photovoltaikanlagen in allen Szenarien amortisieren. Bei Batteriespeichern zeigt sich, dass diese bei hohen Strompreisen sowie im älteren Gebäude mit gasbasierter Wärmebereitstellung und PV wirtschaftlich sind. Kann mit einer Wärmepumpe als zusätzlicher Verbraucher mehr PV-Strom direkt genutzt werden, amortisiert sich der Kauf eines Batteriespeichers allerdings erst bei höheren Strompreisen.

Einflussfaktor Förderung

Zur Analyse des Einflusses von Fördermitteln werden die Fördersätze für die emissionsarmen Heizungstechnologien Wärmepumpe und Pelletkessel sowie die Fördersätze für Modernisierungsmaßnahmen an der Gebäudehülle im Bereich von 0 bis 60 % variiert. Dabei wird von aktuellen Energiepreisen gemäß statistischem Bundesamt /8/ (Strom: 34,96 ct/kWh, Gas: 9,34 ct/kWh) sowie einem Wärmepumpenstrompreis von 28 ct/kWh ausgegangen. Die Ergebnisse sind in Bild 3 dargestellt.

3 - Wirtschaftlich getroffene Technologiewahl in zwei typischen Einfamilienhäusern unterschiedlicher Dämmstandards unter veränderlichen Fördersätzen Bild: EBC

Die Analyse veranschaulicht, dass zur Durchsetzung von Wärmepumpen unter aktuellen Energiepreisen Förderungen notwendig sind. Bei ausbleibender Förderung stellt die Wärmeversorgung über Gaskessel weiterhin die wirtschaftlichste Alternative dar, die jedoch hohe Betriebsemissionen verursacht. Hinsichtlich der Förderung der Modernisierung der Gebäudehülle und Anlagentechnik lassen sich Interaktionen ableiten: Ohne eine Förderung von Modernisierungsmaßnahmen der Gebäudehülle bedarf es zur Durchsetzung der Wärmepumpe einer Förderung von 40 % für die Technologie. Aber auch die Förderung weitreichender Dämmmaßnahmen bevorteilt den Einsatz von Wärmepumpensystemen, da die Wärmepumpe im gedämmten Gebäude die wirtschaftlichste Alternative zur Wärmebereitstellung darstellt.

Auswirkungen der 65 % EE-Regelung

Als dritte politische Maßnahme betrachten wir die Auswirkungen der vorgeschlagenen 65 % EE-Regelung für neu eingebaute Heizungen /9/. Dabei finden Erfüllungsoptionen über einen Fernwärmeanschluss oder die Nutzung grüner Gase keine Betrachtung. Bild 4 veranschaulicht die Technologiewahl sowie die resultierenden Kosten mit und ohne 65 % EE-Regelung im Gebäude der Baualtersklasse 1958 bis 1968 ohne den Einfluss von Förderungen. Als Preisrandbedingungen werden weiterhin aktuelle Verbraucherpreise gemäß statistischem Bundesamt /8/ angenommen.

4 - Einflüsse der 65 % EE-Regelung auf die wirtschaftlich getroffene Technologiewahl (oberes Bild), Kosten und Emissionen (unteres Bild) des Energiesystems Bild: EBC

Die Ergebnisse zeigen, dass die 65 % EE-Regelung eine Elektrifizierung der Wärmeversorgung über Wärmepumpen begünstigt. Die Gesamtkosten für den Gebäudeeigentümer steigen unter den angenommenen Randbedingungen um ca. 4 % im Vergleich zur kostenoptimierten Lösung ohne die 65 % EE-Regelung. Dabei fallen insbesondere die kapitalgebundenen Kosten ins Gewicht, die durch die hohen Investitionen in das Wärmepumpensystem um 16 % steigen. Der Rückgang der Betriebskosten um 14 % kann dies nicht kompensieren. Unabhängig von der 65 % EE-Regelung ist die Dämmung des Daches und des Fußbodens in beiden Fällen wirtschaftlich. Im Falle des Wärmepumpensystems wird zur Absenkung der Vorlauftemperatur des Gebäudes und einem effizienteren Wärmepumpenbetrieb außerdem der Austausch der Bestandsradiatoren gewählt. Durch die weitreichende Modernisierung des Energiesystems unter der 65 % EE-Regelung können die Emissionen allerdings im Vergleich zum gasbasierten System in etwa halbiert werden.

Die 65 % EE-Regelung erzielt somit eine starke Lenkungswirkung zur Emissionsreduktion. Die Gebäudeeigentümer werden allerdings finanziell stärker belastet, insbesondere durch hohe kapitalgebundene Kosten. Diese finanzielle Mehrbelastung könnte allerdings durch gezielte Förderung wieder aufgefangen werden. Mit prognostizierten sinkenden Strompreisen /10/ könnten die Betriebskosten des Wärmepumpensystems künftig weiterhin sinken und sich das Wärmepumpensystem somit langfristig zum wirtschaftlicheren System entwickeln.

Zentrale Erkenntnisse und Diskussion

Die vorgestellte Optimierungsmethode ermöglicht Rückschlüsse auf den Einfluss politischer Maßnahmen auf die wirtschaftlich getroffene Modernisierungsentscheidung. Die dargestellten Ergebnisse gelten für typische Gebäude und sind nicht pauschal auf Einzelgebäude, die eine tiefergehende Analyse im Einzelfall benötigen, übertragbar. Dennoch lassen sich anhand der Beispielgebäude Implikationen zum Einfluss der betrachteten politischen Maßnahmen ableiten.

Die Analysen zeigen, dass insbesondere Energiepreise eine wesentliche Lenkungswirkung auf die Technologiewahl erzielen. Geht die Preisentwicklung, wie in jüngsten Studien prognostiziert, hin zu niedrigeren Strompreisen bei in etwa gleichbleibenden Gaspreisen, so zeigt sich die Wärmebereitstellung über Wärmepumpen als wirtschaftliche Alternative. Unter den aktuellen Preisniveaus bedarf es allerdings einer Förderung der Investition in Wärmepumpen, deren Höhe über 40 % liegt, damit diese sich als wirtschaftlichste Technologie durchsetzen. Die Auswertung der Einflüsse der 65 % EE Regelung zeigen, dass Gebäudeeigentümer unter aktuellen Energiepreisen, insbesondere aufgrund der hohen kapitalgebundenen Kosten des Wärmepumpensystems, finanziell mehr belastet werden. Wie die Analyse der verschiedenen Fördersätze zeigt, können diese Effekte allerdings durch die gezielte Förderung der Modernisierungsmaßnahmen aufgefangen werden. Zukünftig prognostizierte Entwicklungen von Energiepreisen könnten die finanziellen Nachteile der Regelung zu Vorteilen durch deutlich niedrigere Betriebskosten zum positiven wenden – ob und wie schnell diese Entwicklungen eintreten, bleibt allerdings ungewiss.

Literaturhinweise

Nico Fuchs

Nico Fuchs

Dominik Hering

Dominik Hering

Dirk Müller

Dirk Müller
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· Artikel im Heft ·

Politische Maßnahmen und ihr Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit von Gebäudeenergiesystemen
Seite 12 bis 15
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