Forschung

Untersuchung der Schwermetallmigration in zirkulierenden Kaltwassersystemen

Kaltwasserzirkulationssysteme haben sich u. a. in Kliniken, Hotels und im Schiffsbau etabliert. Die physikalische Funktionsweise gleicht der bewährten Warmwasserzirkulation, dennoch besteht für dieses „neue System“ eine gewisse Einführungsskepsis. Da es noch keine normativen Festlegungen gibt und die Einhaltung chemischer Anforderungen in Bezug auf erhöhte Schwermetallmigration in der Diskussion steht, wurden an der FH Münster entsprechende chemische Parameter in Bestandsanlagen untersucht.

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Entwicklung technischer Regeln Bild: FH Münster
Entwicklung technischer Regeln Bild: FH Münster

Gemäß elementarer Anforderung der Trinkwasserverordnung (TrinkwV) muss „Trinkwasser […] so beschaffen sein, dass durch Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit […] nicht zu besorgen ist“ /1/. Dies gilt als erfüllt, wenn mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik (a. a. R. d. T.) bei Planung, Bau und Betrieb einer Trinkwasserinstallation eingehalten werden, das Trinkwasser den mikrobiologischen, chemischen, radiologischen Anforderungen der TrinkwV entspricht und es rein und genusstauglich ist.

Da Kaltwasserzirkulationssysteme bereits erfolgreich in der Praxis umgesetzt werden, sind sie dem Stand der Technik zuzuordnen. Spätestens mit der Aufnahme in das technische Regelwerk (z.B. DIN 1988) wird sich dieses relativ neue System als a.a.R.d.T. etablieren (Bild 1). An der FH Münster wurde untersucht, ob in bestehenden Anlagen die Anforderungen in Bezug auf erhöhte Schwermetallmigration erfüllt werden können. Die nachfolgenden Ergebnisse sollen Betreibern, Fachplanern und ausführenden Fachunternehmen die Vorteile des Systems zeigen und Unsicherheiten ausräumen.

Einhaltung normativer Temperaturvorgaben

Kaltwasserzirkulationssysteme gehören, neben oder als Ergänzung zu den temperaturgeführten Spülsystemen, zu den aktiven Maßnahmen zur Temperaturhaltung von Kaltwasserinstallationen.

Aktive Maßnahmen sind immer dann umzusetzen, wenn passive Maßnahmen zum Schutz des kalten Trinkwassers vor Erwärmung (z. B. thermisch getrennte Rohrleitungsverlegung) und die natürliche Entnahme eine hygienisch unerwünschte Überwärmung der kaltwasserführenden Rohrleitungen nicht verhindern können. Wie im Warmwassersystem besteht das Ziel aus mikrobiologischer Sicht darin, einen Temperaturbereich im mikrobiologischen Wachstumsoptimum insbesondere für Legionellen zu vermeiden (Bild 2).

2 - Legionellenwachstum in Abhängigkeit von der Temperatur /2/ Bild: FH Münster

Lang andauernde markante Hitzeperioden, mit denen künftig häufiger zu rechnen ist, eine ungünstige Gebäudearchitektur (z. B. hoher Fensterflächenanteil, keine technikzentrierte Planung), hohe interne Wärmelasten und hohe Temperaturen des vom Versorgungsunternehmen gelieferten Wassers haben zur Folge, dass die Umsetzung passiver Maßnahmen zur hygienisch sicheren Temperaturhaltung nicht ausreichen wird.

Temperaturen am Hauswassereingang von > 20 °C sind in langanhaltenden Hitzeperioden keine Seltenheit mehr, d. h. eine Temperaturhaltung durch Spülmaßnahmen unterhalb des mikrobiologisch kritischen Wertes von 25 °C ist kaum möglich.

Nach DIN 1988-200 muss 30 Sekunden nach dem vollen Öffnen einer Entnahmearmatur die Kaltwassertemperatur ≤ 25 °C sein /3/. Auch in den Fällen, in denen die Anforderungen mittels temperaturgeführter Spülmaßnahmen eingehalten werden können, werden Fachplaner mit konventionellen Spülstrategien dem Nachhaltigkeits- und Betriebskostenanspruch häufig nicht mehr gerecht. Nach DIN EN 806-2 müssen sie den Wasser- und Energiebedarf der Trinkwasserinstallation berücksichtigen und sind gehalten diesen zu minimieren /4/. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Kaltwasserzirkulationssysteme im Vergleich zur Temperaturhaltung über Spülmaßnahmen innerhalb weniger Jahre amortisieren /5/.

Chemische Anforderungen nach TrinkwV

In der TrinkwV (2001/2023) werden die Grenzwerte für chemische Parameter definiert, deren Konzentration im Verteilungsnetz ansteigen kann. Der Fokus der Messkampagne liegt äquivalent der Überwachungstätigkeiten des Gesundheitsamtes auf den Parametern Blei, Kupfer und Nickel /6/. Die einzuhaltenden Grenzwerte sind wie folgt:

  • Kupfer: 2,0 mg/l
  • Nickel: 0,020 mg/l
  • Blei: 0,010 mg/l (0,0050 mg/l nach TrinkwV 2023 ab dem 12. Januar 2028)

Organische Stoffe (z. B. Kunststoffe, Beschichtungen) und die damit verbundene Migration organischer Stoffe sind nicht Teil dieser Untersuchung.

Probennahmeempfehlung des Umweltbundesamtes (UBA)

Die Empfehlung des Umweltbundesamtes „Beurteilung der Trinkwasserqualität hinsichtlich der Parameter Blei, Kupfer und Nickel („Probennahmeempfehlung“)“ dient der Umsetzung der Anforderungen nach TrinkwV 2001 zur Probennahme von Trinkwasser für die Untersuchung der Parameter Blei, Kupfer und Nickel /6/. Sie bezieht sich auf ein stagnierendes System und kann nicht einfach auf ein zirkulierendes System übertragen werden. Mittels der Stagnationsproben soll Wasser untersucht werden, das eine gewisse Zeit in der Trinkwasserinstallation gestanden hat und so Zeit zur Reaktion mit den Werkstoffen der Installation hatte. Dabei wird zunächst die Installation gespült und eine Netzprobe (S0) genommen, die den Wert für das Trinkwasser aus der Hausanschlussleitung (Wasserversorger) liefert. Dann wird nach 4 Stunden Stagnation zwei Mal ein Liter entnommen (S1 und S2), damit wird eine Aussage für die Entnahmearmatur (S1) bzw. für die vorgeschaltete Trinkwasserinstallation (S2) möglich.

Die prinzipielle Vorgehensweise dieser Probennahme ist in Bild 3 dargestellt. Für die Untersuchung einer Kaltwasserzirkulation entsprechend relevant ist somit die S2-Probe, bei der der Einfluss vom Hauswasseranschluss und der Entnahmearmatur nicht mehr gegeben ist.

3 - Gestaffelte Stagnationsbeprobung nach der Probennahmeempfehlung des UBA /6/ Bild: FH Münster

Messkampagne

Im Rahmen der Messkampagne wurden sieben Objekte wiederkehrend beprobt. Neben den Parametern Blei, Kupfer und Nickel wurden auch wasserspezifische Werte wie die elektrische Leitfähigkeit und der pH-Wert untersucht. Die Objekte unterscheiden sich in der Nutzungsart, um so ggf. installations- und nutzungsspezifische Schwankungen in den Ergebnissen zu erfassen. Die folgenden Nutzungsarten wurden untersucht:

  • 1 × Schule
  • 1 × Sportplatz
  • 2 × Hotel
  • 1 × Bürogebäude
  • 2 × Industriebetrieb.

Probennahmen für Blei, Kupfer und Nickel werden i. d. R. im Kaltwasser durchgeführt. In der Probennahmeempfehlung des UBA wird im Kapitel 3.4 darauf hingewiesen, dass bei Warmwasserbeprobungen die Art der Warmwasserbereitung (zentral/dezentral) und ein ggf. vorhandenes Zirkulationssystem zu berücksichtigen sind und eine entsprechende Anpassung der Probennahme vorzunehmen ist /6/. In einer Zirkulation findet die Stagnation zur Beprobung nicht statt, die Kontaktzeit des Wassers mit den Installationswerkstoffen wird hier durch die Verweilzeit des Wassers im System bestimmt. Die ist insbesondere durch das Verhältnis von Wasserentnahme und Volumen des Zirkulationssystems bestimmt, das von der Dimension der Rohrleitungen und eines eventuellen Speichers abhängt.

Das angepasste Probennahmekonzept ist in Bild 4 dargestellt.

4 - Probennahmeverfahren für Kaltwasserzirkulationssysteme Bild: FH Münster

Die Proben wurden in der angegebenen Reihenfolge nach dem obenstehenden Ablaufplan genommen. Der Hauswasseranschluss wurde direkt beprobt (vgl. S0-Probe). Die Probennahme nach einem Liter Ablaufvolumen ist vergleichbar mit der S2-Probe, um einen Einfluss der Entnahmearmatur auszuschließen. Die Probennahme nach 10 Litern dient als Referenzwert aus der Trinkwasserinstallation. Die Probennahmen fanden an Entnahmestellen statt, die i. d. R. länger als vier Stunden stagnieren (Probennahmeventil), d. h. das Potenzial für migrierte Werkstoffe ist höher.

Der Vergleich der Probennahmen nach einem Liter Ablaufvolumen und nach zehn Liter Ablaufvolumen ergibt marginale bis keine Abweichungen im Ergebnis. Für die weitere Ergebnisdarstellung werden die Werte für ein Ablaufvolumen von einem Liter (S2-Probe) dargestellt (Bilder 5 bis 7). Die chemischen Analysen wurden durch ein akkreditiertes Labor durchgeführt. Da die meisten Messwerte dem kleinstmöglichen Messbereich des akkreditierten Verfahrens entsprechen, wurden keine statistischen Abweichungen ermittelt.

5 - Analyseergebnisse für den Parameter Blei (1 Liter Ablaufvolumen) Bild: FH Münster
6 - Analyseergebnisse für den Parameter Kupfer (1 Liter Ablaufvolumen) Bild: FH Münster
7 - Analyseergebnisse für den Parameter Nickel (1 Liter Ablaufvolumen) Bild: FH Münster

Schwermetallionenkonzentrationen deutlich unterhalb der Grenzwerte der TrinkwV

Die Konzentrationen für Blei, Kupfer und Nickel liegen bei allen untersuchten Objekten deutlich unterhalb der Grenzwerte der TrinkwV (2001 & 2023). Die pH-Werte der untersuchten Wässer liegen im Minimum bei 7,4. Entsprechend der Probennahmeempfehlung des UBA wurden beim Parameter Kupfer keine größeren Schwankungen festgestellt /6/. Über die Metallmigration in Warmwasserinstallationen liegen keine genauen Kenntnisse vor. Im Tagungsbericht einer Expertenanhörung zum Thema „Hygienische Probleme von Trinkwasserinstallationen – Vermeidung und Sanierung“ wird lediglich auf ein Verbundvorhaben des DVGW und der Industrie verwiesen. Erste Ergebnisse dieses Vorhabens haben demnach gezeigt, dass Konzentrationen der Schwermetalle im Warmwasser um den Faktor 2 bis 10 größer sein können /7/.

Bisherige Untersuchungen haben keine wesentlichen Abweichungen im Migrationsverhalten zwischen kaltem und erwärmtem Trinkwasser gezeigt.

Im Rahmen der Messkampagne durchgeführte Vergleichsmessungen ergaben eine teilweise höhere Migration im Warmwasser (Bild 8). Die Grenzwerte für Blei, Kupfer und Nickel der TrinkwV (2001 & 2023) werden jedoch auch im Warmwasser – auch in der Zirkulation - sicher eingehalten. Eine detaillierte Untersuchung hinsichtlich der Ursache für die höheren Werte ist nicht erfolgt, zu vermuten sind hier ungünstige Verhältnisse zwischen Anlagenvolumen und Wasserentnahme, wodurch die Verweilzeit des Warmwassers im Rohrleitungssystem verlängert wird.

8 - Vergleich der Metallmigration zirkulierender Warm- und Kaltwassersysteme Bild: FH Münster

Fazit

In einem sich aktuell stark ändernden Umfeld (u. a. bedingt durch Klimawandel und Krisen) stellt die Kaltwasserzirkulation über einen Kühler eine mögliche und sinnvolle Lösung dar, um auch zukünftig hygienisch sichere Kaltwassertemperaturen sicherzustellen. Temperaturgeführte Spülmaßnahmen sind aus Nachhaltigkeitsgründen nur noch bedingt vertretbar (z. B. bei Einzellösungen) und bei hohen Wassereingangstemperaturen aus mikrobiologischen Gründen auch nicht mehr zielführend.

Die Untersuchungsergebnisse der Messkampagne zeigen, dass die Anforderungen der TrinkwV (2001 & 2023) bei Trinkwasserinstallationen mit Kaltwasserzirkulationssystemen und aktiver Kühlung sicher eingehalten werden. Die Analysewerte für die chemischen Parameter Blei, Kupfer und Nickel liegen deutlich unterhalb der Grenzwerte. Auch bei Stagnationszeiten > 4 Stunden (u. a. an Probennahmeventilen) konnte keine gesundheitlich relevante Metallionenmigration festgestellt werden.

In Stagnationszeiträumen können, unabhängig vom Aufbau der Trinkwasserinstallation, Bestandteile aus den Werkstoffen in das Trinkwasser migrieren. Im Tagungsbericht der Expertenanhörung zum Thema Hygienische Probleme von Trinkwasserinstallationen – Vermeidung und Sanierung wird diesbezüglich auf die Ablaufempfehlung des UBA aus dem Ratgeber Trink was – Trinkwasser aus dem Hahn verwiesen /8/. Diese richtet sich an den Endverbraucher und besagt, dass stagnierendes Wasser mit einer Verweilzeit von ≥ 4 Stunden in metallenen Leitungen eine schlechte Qualität aufweisen kann. Das Wasser soll laufen gelassen werden, bis es kühl über den Finger läuft /8/. Ein Risiko durch zu lange Verweilzeiten kann durch eine zusätzlich vorgesehene Spülung des Anlagenvolumens nach längeren Zeiten der Nichtnutzung (24–72 h) vermieden werden. Solche Spülverfahren sind demnach auch bei einer aktiven Kühlung vorzusehen, um eine Belastung des Trinkwassers zu vermeiden.

Der entscheidende Faktor für alle hygienischen Parameter und die dadurch ausgelösten Beeinträchtigungen ist die Verweildauer des Trinkwassers in der Trinkwasserinstallation. Dies verbirgt sich, unter anderem, hinter dem so genannten bestimmungsgemäßen Betrieb der Trinkwasserinstallation, der auch bei einer nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik geplanten und gebauten Trinkwasserinstallation für die Einhaltung der Hygiene unerlässlich ist. Bezogen auf Nachhaltigkeit und Betriebskosten sollten besonders bei komplexeren Trinkwasserinstallationen Installationsvarianten mit Zwangsdurchströmung bevorzugt werden (Reihen- und Ringinstallationen). Aktuell wird im Labor für Sanitärtechnik der FH Münster ein Versuchsstand errichtet, um den erforderlichen Wasserwechsel zur Einhaltung der chemischen Anforderungen der TrinkwV zu ermitteln.

Literaturhinweise

  • /1/ TrinkwV 2001. Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch (Trinkwasserverordnung – TrinkwV), zuletzt geändert am 22.09.2021Bundesrat Drucksache 68/23. 15.02.23, Zweite Verordnung zur Novellierung der Trinkwasserverordnung

  • /2/ Kirchhoff, T.; Mathys, W.; Rickmann, B.; Bäcker, C.: „Temperaturhaltung durch Kaltwasserkühlung. Ökologische und Ökonomische Einhaltung der geforderten Trinkwassertemperaturen“, HLH. Lüftung, Klima, Heizung, Sanitär, Gebäudetechnik, 2019, Vol, Bd. 70, Nr. 2, S. 86–90, Februar 2019

  • /3/ DIN 1988-200: Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 200: Installation Typ A (geschlossenes System) – Planung, Bauteile, Apparate, Werkstoffe; Technische Regel des DVGW, Beuth-Verlag, Mai 2012

  • /4/ DIN EN 806-2: Technische Regeln für Trinkwasser-Installationen – Teil 2: Planung, Beuth-Verlag, Juni 2005

  • /5/ Bäcker, C. et al.: Kaltwasserzirkulation – Eine Lösung in der Praxis?, Moderne Gebäudetechnik, Heft 7-8/2020, S. 24–26

  • /6/ Umweltbundesamt: Empfehlung des Umweltbundesamtes – Beurteilung der Trinkwasserqualität hinsichtlich der Parameter Blei, Kupfer und Nickel („Probennahmeempfehlung“), Dezember 2018

  • /7/ Exner, M. et al.: Bundesgesundheitsbl – Gesundheitsforsch – Gesundheitsschutz 11 – 2008. Tagungsbericht zur 2. Expertenanhörung am 24. Mai 2007 in Bonn zum Thema „Hygienische Probleme von Trinkwasser-Installationen – Vermeidung und Sanierung“, Springer Medizin Verlag 2008

  • /8/ Umweltbundesamt: Ratgeber: Trink was – Trinkwasser aus dem Hahn, April 2020

Prof. Dr.-Ing. Carsten Bäcker

Prof. Dr.-Ing. Carsten Bäcker

Prof. Dr. Werner Mathys

Prof. Dr. Werner Mathys

Oliver Dresemann B.Eng.

Oliver Dresemann B.Eng.

Dr. Wilhelm Erning

Dr. Wilhelm Erning
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Untersuchung der Schwermetallmigration in zirkulierenden Kaltwassersystemen
Seite 12 bis 16
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