Fehler im Neubau vermeiden

Trinkwasserhygiene beginnt vor der Planung

Deutsche Gerichte sind mit Schäden an Gebäuden oder gesundheitlichen Schäden von Nutzern, die durch die Trinkwasserinstallation verursacht wurden, überlastet. Knapp 70 % dieser Schäden sind auf eine unzureichende Planung und Ausführung zurückzuführen. Die Planungsfehler überwiegen dabei mit 37 %, daher müssen schon in der Leistungsphase1 zukünftige Schäden ausgeschlossen werden.

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stock.adobe.com/ buritora
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In der Sachverständigenpraxis haben sich eine Reihe von Problempunkten gezeigt, die nachfolgend benannt werden.

Grundlagenermittlung

Sachverständige werden meist anlassbezogen beauftragt, wenn es zu Grenzwertüberschreitungen, Schäden oder gar gesundheitlichen Folgen für die Nutzer von Trinkwasserinstallationen gekommen ist. Mit der Beauftragung dieser Leistungen werden in der Regel vorbereitend die wesentlichen Informationen zusammengetragen und durch die Sachverständigen abgefragt, u. a. die Objektunterlagen bzw. die Gebäudedokumentationen. Das grundlegende Dokument zur Bedarfsermittlung als Grundlage jeder Planung – das mit dem Bauherrn abgestimmte Raumbuch – fehlt jedoch in den meisten Fällen. Daher kann das Raumbuch als „Yeti der Trinkwasserinstallation“ bezeichnet werden: Alle reden darüber, doch niemand kann beweisen, es je gesehen zu haben.

Anlage A Raumbuch Bild: VDI 3810-2/VDI 6023-3

In der aktuellen Richtlinie VDI 3810–2/VDI 6023–3 heißt es dazu: „[…] das Raumbuch ist ein mit allen Beteiligten (Bauherr, Architekt, Planer der Trinkwasserinstallation usw.) abgestimmtes Dokument für ein Gebäude mit schriftlich festgehaltenen Nutzungsbeschreibungen der einzelnen Räume sowie erforderlichem Umfang der Trinkwasserinstallation unter besonderer Berücksichtigung der Bedarfsermittlung“. Die Erstellung des Raumbuchs ist Aufgabe des Auftraggebers, technische Angaben sind vom Planer in Abstimmung mit dem Auftraggeber zu erarbeiten.

Mit dem Raumbuch werden Festlegungen über die Nutzung der Entnahmestellen sowie die Ausstattung jedes Raumes dokumentiert, aus denen sich aufgrund der gewählten Ausstattung und der vorgesehenen Nutzung die zur Berechnung zu Grunde gelegten Volumenströme ergeben. Diese Angaben sollen vor der Planung mit dem Bauherrn definiert/schriftlich festgelegt werden.

Wasserbehandlung

In neu errichteten Installationen werden immer wieder zentrale Wasserbehandlungsanlagen vorgefunden, die auf eine Maximalkapazität ausgelegt wurden, obwohl aus hygienischer Sicht und den Vorgaben der Regelwerke zufolge das genaue Gegenteil der Fall sein sollte.

Oft als Luxusgüter zur Reduzierung des vermeintlichen Putzaufwands an Sanitäroberflächen verkauft, können diese Anlagen durch eine falsche Anwendung zur Verschlechterung der Wasserqualität oder gar zu Schäden an Leitungen und Armaturen beitragen. Durch die Reaktion von z. B. überschüssiger Kohlensäure nach einer Enthärtung mit metallenen Bauteilen in Kontakt mit Wasser können aufgrund von Korrosion Leitungswasserschäden und/oder Ausspülungen von gesundheitsschädlichen Schwermetallen, wie z. B. Blei oder Nickel, auftreten. Das Umweltbundesamt als oberste Fachbehörde führt hierzu in seiner aktuellen Publikation aus: „Seit einigen Jahren werden vermehrt kommerzielle Geräte zur Nachbehandlung von Trinkwasser in der Trinkwasserinstallation angeboten. Viele Firmen versprechen mit dieser Nachbehandlung eine Verbesserung der Trinkwasserqualität und/oder einen höheren Schutz der Leitungssysteme bspw. vor Korrosion und werben mit Umweltfreundlichkeit und Nachhaltigkeit. Aufgrund von Fehleinstellungen, technischen Mängeln oder unzureichender Sach- und Fachkenntnis können jedoch gesundheitliche Risiken entstehen. Das Risiko einer Nachbehandlung in der Trinkwasserinstallation ist deshalb gegenüber dem vermeintlichen Nutzen abzuwägen.“ Den Einsatz von Wasserbehandlungsanlagen sollte daher während der Planung einer Trinkwasserinstallation kritisch hinterfragt werden.

Verantwortung für den bestimmungsgemäßen Betrieb im Lebenszyklus der Anlage Bild: SV-Strehlow

Ähnliche Abwägungen zu Nutzen und Auswirkungen sollten planerisch auch bei vielen anderen Bauteilen in einer Trinkwasserinstallation angestellt werden, z. B. bei Membranausdehnungsgefäßen, Filtrationsgeräten sowie bei diversen Systemen oder Apparaten.

Auch das kontinuierliche Durchschleifen von Warmwasserleitungen bis an die Entnahmestellen kann im späteren Betrieb zur Erwärmung des Kaltwassersystems führen, wenn technische Randbedingungen und Abhängigkeiten (Wärmeübertragung) nicht bekannt sind oder unbeachtet bleiben.

Aufwärmung der Kaltwasserleitung (PWC)

Immer wieder werden in deutschen Installationen Legionellen in den kaltwasserführenden Leitungsnetzen in Konzentrationen weit über dem technischen Maßnahmenwert von 100 KBE/100 ml gefunden. Grund dafür ist, dass in den meisten Fällen in den betroffenen Gebäuden gar keine „Kaltwasser“-Installation vorhanden ist.

Bei der Planung und Ausführung wird oft ein großes Augenmerk auf die Vermeidung von Legionellen im Warmwasser gelegt. Doch auch in Kaltwasserleitungen können sich Legionellen vermehren, etwa wenn diese unzureichend gedämmt sind oder direkt neben warmgehenden Leitungen liegen. Das kommt z. B. in modernen, neu errichteten Trinkwasserinstallationen vor, wenn lediglich das erwärmte Trinkwasser als Infektionsquelle angesehen und eine mögliche Erwärmung des kalten Trinkwassers schuldhaft außer Acht gelassen wird.

Erwärmung von Kaltwasserleitungen durch kontinuierliches Durchschleifen Bild: SV-Strehlow

Für eine Übertragung fakultativ pathogener Mikroorganismen ist es unerheblich, ob sich Aerosole aus dem Trinkwasser warm oder kalt bilden. Es wird vielfach vernachlässigt, dass sich das Trinkwasser auch bei regelwerkskonformer Dämmung erwärmen kann. Grund sind längere Stagnationszeiten bei hohen Umgebungstemperaturen oder der Versuch, Stagnation mittels einer durchgeschleiften Installation auf der Warmwasserseite zu vermeiden.

Erwärmung von Membran-Ausdehnungsgefäßen in der Trinkwassererwärmung Bild: VDI 3810-2/VDI 6023-3

Kaltwasser darf sich auch unter Beachtung der Stagnationszeiten nicht auf eine Temperatur über 25 °C (Empfehlung: nicht über 20 °C) erwärmen. Hierzu sind Kaltwasserleitungen so zu planen und zu bauen, dass sie von Wärmequellen thermisch entkoppelt sind.

Hygiene-Erstinspektion

Die Hygiene-Erstinspektion ist eine Voraussetzung zur Befüllung einer Trinkwasserinstallation. Sie ist seit 2013 bei neu errichteten Gebäuden nach VDI/DVGW 6023 festgeschrieben und als Position in vielen Leistungsverzeichnissen zu finden. Der Auftraggeber muss sie zur Überprüfung des hygienisch einwandfreien Zustands der Trinkwasserinstallation nach der trockenen Druckprüfung, vor der Verdeckung und der Befüllung beauftragen und sie soll durch ein vom Installationsunternehmen unabhängiges Fachunternehmen durchgeführt werden.

Um ggf. vermeidbaren Mehraufwand durch Folgeschäden bei der Schadensbeseitigung zu verhindern, sollte die Überprüfung der Installation zu einem Zeitpunkt erfolgen, zu dem der Anlagenerrichter noch angemessen reagieren kann, das heißt, zu dem bei entsprechender Prüfung ein Mangel oder eine Abweichung von den planerischen Vorgaben usw. zu erkennen war oder hätte verhindert werden können. Die Hygiene-Erstinspektion gemäß VDI/DVGW 6023 entspricht damit einer Zustandsfeststellung im Sinne der VOB Teil B: DIN 1961, § 4 Abs. 10. Trotzdem wird sie aus Unkenntnis der Zusammenhänge oft erst zum Ende der Errichtung und unmittelbar vor der Übergabe beauftragt.

Der Deutsche Verein der qualifizierten Sachverständigen für Trinkwasserhygiene e. V. (DVQST) veröffentlichtin Kürze eine fachliche Stellungnahme, in der die Rahmenbedingungen, die Inhalte, der Aufbau und genaue Vorgehensweise bei der Erstellung einer Hygiene-Erstinspektion beschrieben werden. Sie richtet sich an Sachverständige wie auch an Auftraggeber.

Betrieb und Instandhaltung

Die Pflicht zur umfänglichen Instandhaltung aller Komponenten der Trinkwasserinstallation setzt nicht erst ein, wenn mit Verschleißerscheinungen zu rechnen ist, sondern sie besteht grundsätzlich. Die Instandhaltungsaufgaben des Betreibers beginnen mit der Abnahme/Übergabe. Dafür müssen bauliche Voraussetzungen wie Zugänglichkeit und Mindestabstände eingehalten werden, zudem müssen dem Betreiber mit der Übergabe des Systems ein Instandhaltungsplan sowie eine Betriebsanleitung ausgehändigt werden und der zuständige Betreiber muss eine Einweisung erhalten. Bereits bei der Planung müssen alle Voraussetzungen geschaffen werden, um eine Instandhaltung im späteren Betrieb zu ermöglichen (Zugänglichkeit, Raumforderung, Instandhaltbarkeit usw.). Es ist unabdingbar, dass Trinkwasserinstallationen von den dafür Verantwortlichen in technisch und hygienisch einwandfreiem Zustand gehalten werden.

Fazit

„Trinkwasser muss so beschaffen sein, dass durch seinen Genuss oder Gebrauch eine Schädigung der menschlichen Gesundheit, insbesondere durch Krankheitserreger, nicht zu besorgen ist. Es muss rein und genusstauglich sein“, besagt das „Reinheitsgebot“ nach § 4 Trinkwasserverordnung.

Diese Anforderung gilt als erfüllt, wenn in der gesamten Prozesskette von der Quelle bis zur Entnahmestelle mindestens die allgemein anerkannten Regeln der Technik eingehalten werden und das Trinkwasser gleichzeitig den Anforderungen der §§ 5 bis 7a entspricht. Es versteht sich von selbst, dass mit den allgemein anerkannten Regeln der Technik kein Papier aus dem Jahr 1988 gemeint ist, sondern jeweils die tagesaktuellen Regelwerke des VDI, des DVGW oder des DIN.

„Trinkwasserschutz ist Gesundheitsschutz und ist bereits nach dem Denkansatz und den Handlungsvorgaben der Trinkwasserverordnung grundsätzlich nicht bestandsschutztauglich“, führte der Rechtsanwalt Hartmut Hardt hierzu aus. „§ 4 der Trinkwasserverordnung verpflichtet den UsI zur Anpassung einer insoweit ungenügenden Trinkwasseranlage an die anerkannten Regeln der Technik.“

In die allgemein anerkannten technischen und hygienischen Regelwerken werden fortlaufend neue Erkenntnisse eingearbeitet. Mit dem Fortschreiten der allgemein anerkannten Regeln der Technik ist daher auch eine ständige Weiterbildung des Personals sicherzustellen. Betreiber, Planer und Installateur haben sich immer auf dem neuesten Erkenntnisstand zu halten, etwa durch regelmäßige Fort- und Weiterbildungen.

Quellen

  • VDI 3810-Blatt 2/VDI 6023 Blatt 3, Betreiben und Instandhalten von Gebäuden und gebäudetechnischen Anlagen Trinkwasser-Installationen/Hygiene in Trinkwasser-Installationen Betrieb und Instandhaltung

  • VDI/DVGW 6023, Hygiene in Trinkwasser-Installationen Anforderungen an Planung, Ausführung, Betrieb und Instandhaltung

  • Trinkwasserverordnung (TrinkwV) Verordnung über die Qualität von Wasser für den menschlichen Gebrauch

  • VOB Teil B: Allgemeine Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen DIN 1961

  • Entwurf DVQST FS 401, „Anforderungen an Gutachten zur Hygiene-Erstinspektion“, DVQST e. V.

Christian Strehlow

Christian Strehlow

Arnd Bürschgens

Arnd Bürschgens
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Trinkwasserhygiene beginnt vor der Planung
Seite 22 bis 25
06.06.2023
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