Doppelt Sonne für vierfachen Ertrag
2019 startete der Massivhaushersteller Viebrockhaus in Kooperation mit dem Wärmepumpenhersteller Nibe ein Feldtestprojekt zum Kennenlernen und Einschätzen von PVT-Wärmepumpen-Systemen. Diese Technologie gewinnt über PVT-Kollektoren sowohl Strom als auch Wärme aus Sonnenenergie und beliefert damit eine Wärmepumpe. Die wiederum versorgt den Haushalt mit der notwendigen Energie zum Heizen und für die Warmwasserbereitung. Auch eine Kühlung des Hauses ist bei entsprechender Funktionalität des Systems in den Sommermonaten möglich.
Im niedersächsischen Harsefeld heizt und kühlt eine fünfköpfige Familie ihr neues Viebrockhaus bereits seit über einem Jahr mit einer Wärmepumpe, die über ein 15,8 m2 großes PVT-Kollektorfeld auf dem Dach die Umgebungs- und Strahlungswärme der Sonne nutzt (Bild 1). Aufgrund des modulierenden Betriebs der Wärmepumpe sind weder Wärme- noch Kältepufferspeicher nötig, sondern nur ein Warmwasserspeicher. Ein in die Wärmepumpe integrierter E-Heizstab dient als Unterstützung für sehr kalte Wintertage.
„Wir sind sehr zufrieden mit dem innovativen Heizsystem in unserem Demonstrationshaus“, sagt Lars Sumfleth, Projektleiter in der Innovationsabteilung von Viebrockhaus, Harsefeld. „Das PVT- Wärmepumpensystem braucht ein Drittel weniger Strom als eine Luft/Wasser-Wärmepumpe, weil zusätzlich zu der Umgebungswärme hier auch die Strahlungsenergie der Sonne genutzt wird. Die Familie spart rund 360 Euro im Jahr.“
Technologie optimieren – Bekanntheitsgrad steigern
Das Einfamilienhaus in Harsefeld und die Nibe Systemtechnik mit Sitz im niedersächsischen Celle sind Teil des Projektes IntegraTE. Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderte Initiative zur Verbreitung von PVT-Solarkollektoren und Wärmepumpen im Gebäudesektor will den Bekanntheitsgrad dieser energieeffizienten Technologie steigern. Mit dem Fraunhofer ISE in Freiburg, dem Institut für Gebäudeenergetik, Thermotechnik und Energiespeicherung (IGTE) der Universität Stuttgart und dem Institut für Solarenergieforschung Hameln (ISFH) sind dafür seit Dezember 2019 gleich drei wissenschaftliche Partner gemeinsam am Start. Darüber hinaus unterstützen der Bundesverband Wärmepumpe (BWP), der Bundesverband der deutschen Heizungsindustrie (BDH) und der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) das Projekt, außerdem zwölf Industriepartner und die Bielefelder Agentur Solrico.
Ziel der für drei Jahre angelegten Initiative ist es, den Status quo der aktuell verfügbaren und eingesetzten PVT-Wärmepumpen-Systeme (PVT-WP-Systeme) zu ermitteln, diese in Bezug auf ihre Energieeffizienz, CO2- Einsparung und Wärmegestehungskosten zu bewerten und über spezielle Tools eine Vergleichbarkeit gegenüber alternativen Energieversorgungssystemen herzustellen. Darüber hinaus stehen das Monitoring und die Optimierung bestehender PVT-WP-Anlagen sowie die Konzeption und Umsetzung von Marketingmaßnahmen auf der To-do-Liste der Projektpartner.
Ehemaliger Öltank als Speicher für die Wärmepumpe
PVT-WP-Systeme sind nicht nur für neue Einfamilienhäuser eine energieeffiziente und innovative Heiztechnologie. Sie können auch in Mehrfamilienhäusern und Bestandsbauten eingesetzt werden und die Energiebilanz der Gebäude signifikant verbessern. Dies beweist unter anderem ein Mehrfamilienhaus in Bochum aus dem Jahr 1976 – ein weiteres Leuchtturmprojekt im Rahmen von IntegraTE.
Hauseigentürmer Jens Wellen suchte eine ökologische Alternative zur Ölheizung. Die niedrigen Betriebskosten überzeugten den Schornsteinfegermeister von der Wärmepumpenanlage mit PVT-System auf dem Dach. Günstig wird das Heizen in dem 6-Parteien-Haus dadurch, dass die Wärmepumpe die Solarenergie optimal ausnutzt. Der Solarstrom aus der 20,4 m2 großen PVT-Anlage treibt direkt die Wärmepumpe an und die Solarwärme erhöht die Effizienz des Heizsystems. „Überzeugt hat mich die moderne, energieeffiziente und zukunftsweisende Heiztechnologie des PVT-Wärmepumpensystems, das sich sehr gut in die vorhandene Infrastruktur unseres Mehrfamilienhauses integrieren ließ“, begründet Jens Wellen seine Entscheidung. „So erreichen wir über den ehemaligen 12.500-Liter-Öltank als Speicher für die Sole-Wärmepumpe eine deutliche Effizienzverbesserung der Anlage.“
Der Umstieg von Öl auf dieses solarbetriebene Heizsystem lohnt sich aktuell mehr als je zuvor. Aus der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) gibt es Zuschüsse von 45 % der Gesamtkosten, in diesem Fall wären das knapp 26.000 €.
Das neue Heizsystem in Bochum basiert auf dem Duo-Hybrid-Konzept der Firma Giersch Enertech, Hemer, das regenerative Wärmepumpentechnologie als Grundlastheizung übers Jahr mit einer Gasbrennwerttherme für kalte Wintertage intelligent verknüpft. Solange die Solarwärme vom Dach mindestens 5 °C hat, versorgt die Wärmepumpe das Mehrfamilienhaus mit Energie für Warmwasser und Heizung. Darunter schaltet sich das Brennwertgerät ein. Damit das Zusammenspiel gut funktioniert, steuert ein programmierbarer Regler alle Komponenten. Die Umschaltung zwischen Wärmepumpe und Brennwertgerät erfolgt in Abhängigkeit der Temperaturen des Quellenspeichers sowie der Außenluft (Bild 2).
Klimaneutrale Wärmeversorgung für Seniorentagesstätte
Auch im Neubau der Seniorentagesstätte Johannesberg (Bayern) kommt die PVT-WP-Technologie zum Einsatz. Der St. Johannesverein entschied sich gemeinsam mit der Caritas Sozialstation St. Stephanus für die Nutzung des Gebäudedaches zur größtmöglichen CO2-Einsparung. Statt alternativ eine Luftwärmepumpe mit einem PV-Generator zu kombinieren, trägt das Dach heute 32 PVT-Kollektoren, die das Gebäude mit emissionsfreiem Strom versorgen und gleichzeitig der Wärmepumpe Solarwärme liefern (Bild 3).
Die Planer:innen von PA-ID Process, Kleinostheim, und Faire Wärme, Hösbach, sind mit dem Betrieb des Heizsystems in der Seniorentagesstätte sehr zufrieden. So erzielte die Wärmepumpe in den ersten neun Betriebsmonaten eine durchschnittliche Arbeitszahl von 4,9 – und das trotz des erheblichen, zusätzlichen Lüftungsbedarfs aufgrund der Pandemie. Unter Normalbetrieb rechnen die Planer:innen mit einer Jahresarbeitszahl von über 5. Das heißt, mit einer Einheit Strom lassen sich mindestens fünf Einheiten Wärme oder Kälte erzeugen.
Um diese hohe Effizienz zu erreichen, stehen der Wärmepumpe drei Wärmequellen zur Verfügung, die über den Quellenspeicher als hydraulische Weiche geregelt werden: Die Abluft der meist auf 23 °C geheizten Innenräume wird der Wärmepumpe über eine Abluftwärmerückgewinnung permanent zugeführt. Solange die PVT-Solarwärme vom Dach Temperaturen über 0 °C liefert, wird auch diese Energie für den Betrieb der Wärmepumpe genutzt. Sinkt die Soletemperatur weiter ab, werden vier Erdkörbe als Unterstützung hinzugeschaltet. Überschüssige Wärme aus den PVT-Kollektoren im Sommer wird zur Regeneration der Erdkörbe benutzt. Dies geschieht aber nur bis zu einem bestimmten Grad, da das Gebäude im Sommer über den Boden gekühlt wird.
„Dank der Solarenergie und der Erdwärme können wir unseren Neubau überwiegend CO2-neutral mit Strom und Wärme versorgen“, resümiert Gerhard Zang, Vorstand der Caritas-Sozialstation St. Stephanus e. V. und Betreiber der Tagesstätte Johannesberg. „Die Mehrkosten von rund 30.000 € für das PVT-Kollektorfeld auf dem Dach und die Erdkörbe im Garten amortisieren sich durch die Stromkostenersparnis in rund zehn Jahren. Wir werden diese Technik aufgrund der guten Erfahrungen nun auch in unseren beiden neuen Großprojekten einsetzen.“
Viermal mehr Gesamtenergie als PV-Kollektor
Die effiziente Flächennutzung, das einheitliche Erscheinungsbild und die Verbesserung der Jahresarbeitszahl der Wärmepumpe durch die Sonnenenergienutzung vom Dach sind die wesentlichen Vorteile von PVT-Kollektoren. Übers Jahr hinweg produzieren diese etwa viermal mehr Gesamtenergie, also Wärme und Strom, als eine Photovoltaikanlage mit der gleichen Fläche.
Nutzer:innen profitieren nicht nur von dauerhaft niedrigen Betriebskosten, sondern auch von einer lokal emissionsfreien Heizung ohne Feinstaub, die im Vergleich zu einem Gas-Brennwertgerät nur etwa halb so hohe CO2-Emissionen verursacht und anders als eine Luft-Wärmepumpe geräuschlos arbeitet (Bild 4).
Weitere Informationen zum IntegraTE-Projekt:
Dr.-Ing. Harald Drück, IGTE, Universität Stuttgart
harald.drueck@igte.uni-stuttgart.de
Dr. Korbinian Kramer, Fraunhofer ISE Freiburg
korbinian.kramer@ise.fraunhofer.de
Peter Pärisch, ISFH Hameln
paerisch@isfh.de
Die Datenblätter zu den Demonstrationsprojekten können hier kostenlos heruntergeladen werden: https://bit.ly/3yqSUKs
Bärbel Epp
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