Heizen mit Wind

Ökonomisch und ökologisch sinnvoll und netzdienlich: Windheizung 2.0

Über eine Windheizung 2.0 aus dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP lassen sich Überkapazitäten von Windrädern künftig sinnvoll nutzen.

Mögliche Lösungen zur Umsetzung eines Windheizung 2.0-Gebäudes mit großem Warmwasserspeicher (A), Bauteilaktivierung (B) und zentralem Hochtemperatur-Steinspeicher (C). Quelle: Bayerisches Landesamt für Umwelt
Mögliche Lösungen zur Umsetzung eines Windheizung 2.0-Gebäudes mit großem Warmwasserspeicher (A), Bauteilaktivierung (B) und zentralem Hochtemperatur-Steinspeicher (C). Quelle: Bayerisches Landesamt für Umwelt

Bis 2030 sollen die Emissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um 65% gesenkt werden. Soll dies gelingen, führt kein Weg an Erneuerbaren Energien aus Sonnen- und Windkraft vorbei. Damit etwa Windanlagen künftig nicht mehr abgeregelt werden müssen, braucht es neue Lösungen sinnvoller Nutzung der unregelmäßig zur Verfügung stehenden Energie.

Forschende des Fraunhofer IBP entwickelten nun gemeinsam mit Partnern im Projekt Windheizung 2.0 eine ökonomische und ökologische Lösung, um den Strom aus solchen Überproduktionen nutzen zu können und das Netz gleichzeitig zu entlasten. Die Idee: Steht überschüssiger Strom zur Verfügung und sind die Verteilnetze nicht überlastet, wird die Windenergie zur Gebäudebeheizung genutzt.

"Das Besondere: Das Gebäude kann seine Wärmeversorgung dann für etwa zehn bis 14 Tage ohne weiteren Strom oder Wärmebezug sicherstellen", sagt Dr. Matthias Kersken, Wissenschaftler am Fraunhofer IBP. Diese Dauer ergibt sich aus den deutschen Klimaverhältnissen:. Alle ein bis zwei Wochen kommt es zu einem Starkwindereignis, das etwa fünf bis neun Stunden andauert.

Die Windheizung 2.0 bietet damit gleich zwei Vorteile: Zum einen nutzt sie Windenergie, die ansonsten unter Umständen aufgrund eines Überangebots ungenutzt bliebe und bietet somit ökonomische Vorteile für Energieversorger ebenso wie für Endkunden. Schließlich kann Strom verkauft werden, der ansonsten zu niedrigen oder gar negativen Preisen gehandelt werden würde. Zum anderen stabilisiert sie das Netz: Eine spezielle Regelungskomponente sorgt dafür, dass die Speicher nur bei freien Kapazitäten im Stromnetz geladen werden, während sie – anders als beispielsweise Wärmepumpen – bei Netzengpässen keinerlei Energie beziehen und das Netz somit entlasten. Dazu ist ein hoher Dämm- und Effizienzstandard des Gebäudes unabdingbar: Schließlich muss die Zeit zwischen den Starkwindereignissen und den Stromengpasszeiten überbrückt werden. Nur bei einem Einsatz in hocheffizienten Gebäuden ist das ansonsten systemschädliche und stromverschwendende direktelektrische Heizen systemdienlich.

Herzstück Wärmespeicher

Möglich machen es zwei neuartige Speichertypen:

Der eine ist eine überdämmte Bauteilaktivierung, für die ohne Dämmung ein Kunststoff- oder Aluminiumverbundrohr in die Betondecke eingegossen wird. Um die mögliche Speichermenge zu erhöhen, gehen die Forschenden mit den Temperaturen des gespeicherten Wassers bei der Windheizung 2.0 weit nach oben. Damit die Räume unter diesem Speicher nicht zu warm werden, dämmen sie die Decke unterseitig, auf der Oberseite hilft die bereits vorhandene Trittschalldämmung. Bei einem vollen Speicher entspricht der passive Wärmeverlust dem Bedarf des Hauses. Kühlt das Wasser im Laufe der Zeit ab, genügt dies nicht mehr: Dann wird die Dämmung gezielt umgangen, indem das warme Wasser aktiv in eine Decken- oder Flächenheizung gepumpt wird. "Die Speicherverluste auf den Bedarf abzustimmen, ist dabei ein ganz wichtiger Punkt", betont Kersken. Das heißt: Im Frühjahr darf der Speicher nicht mehr auf 100% geladen werden, sonst wird es zu warm im Haus. Hier setzt eine Wärmebedarfsprognose an, die in die Regelung der Windheizung 2.0 integriert ist: Sie arbeitet mit der Wettervorhersage und lernt die Charakteristik des Gebäudes und der Nutzung.

Der zweite mögliche Speicher für die Windheizung 2.0 ist ein Hochtemperatur-Steinspeicher, ein zentraler Nachtspeicherofen, den die Forschenden eigens für diese Anwendung entwickelt haben: Ein fünf Tonnen schwerer, gut gedämmter Stein im Keller, der via überschüssiger Windenergie mit Heizwendeln aufgeheizt und langsam mit Luft durchströmt wird. Die Wärme, die auf diese Weise entnommen wird, wird über einen geschlossenen Kreislauf zum Heizen sowie zur Warmwasseraufbereitung genutzt. Möglich ist des Weiteren ein großer Warmwasserspeicher, der mit der überschüssigen Energie aufgeheizt wird und die Temperatur ein bis zwei Wochen hält.

Einsparungen von 200 bis 400 Euro/m2 möglich

Die verschiedenen Speicher haben die Forschenden auf dem Gelände des Fraunhofer IBP bereits in drei verschiedenen Versuchsgebäuden getestet. Auch dienten die Messungen dazu, Simulationen zu validieren. Die Ergebnisse können sich sehen lassen: "Bereits mit dem Prototyp können wir problemlos sieben bis zehn Tage überbrücken, in den betrachteten Gebäuden ließen sich 80 bis 90 Prozent des Strombedarfs durch Überschussstrom decken. Der CO2-Fussabdruck sank dabei ebenfalls um 12-26 kg(CO2)/(m²a)", so Kersken.

Auch wirtschaftlich ist die Windheizung 2.0 interessant: Auf 25 Jahre gerechnet lassen sich mit ihr, trotz Investitionskosten und Mehraufwand für die Dämmung zur Einhaltung der hohen wärmetechnischen Anforderungen, 200 bis 400 Euro/m2 einsparen  (bezogen auf ein Referenzgebäude gemäß GEG).

Interessant ist die Windheizung 2.0 nicht nur für Neubauten. Auch für zu sanierende Gebäude gibt es nun eine Lösung. In einem Folgeprojekt, das im November 2022 startete, werden die Forschenden die Windheizung 2.0 zwei Winter lang in vier real bewohnten Gebäuden testen.

Präsentation auf der Messe BAU 2023

Auf der Messe BAU 2023 vom 17. bis 22. April 2023 in München stellen die Forschenden des Fraunhofer IBP die Windheizung 2.0 vor: Angefangen von den unterschiedlichen Speichertechnologien über die notwendige prädiktive Regelung bis hin zu einem Planungstool. Neben einer Präsenz auf dem Stand der Fraunhofer-Allianz Bau (Halle C2, Stand 528) – inklusive eines Kurzvortrags am 18. April um 13:50 Uhr, rundet eine eintägige Fachveranstaltung zum Thema Windheizung 2.0 am 20. April um 10.30 Uhr auf dem Gelände der Messe München das Angebot ab.

Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK gefördert wurde und fand im Mai 2022 seinen Abschluss. Das Folgeprojekt wird ebenfalls vom BMWK gefördert.

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