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Relevanz und Kosten von Gebäudeökobilanzen

Eine gemeinsame Marktstudie von DGNB und BPIE zeigt, dass die Relevanz der Ökobilanzierung von Gebäuden steigt.

Kurzstudie „Gebäudeökobilanzen: Marktdaten zu Relevanz und Kosten“. Bild: DGNB
Kurzstudie „Gebäudeökobilanzen: Marktdaten zu Relevanz und Kosten“. Bild: DGNB

Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) und das Buildings Performance Institute Europe (BPIE) haben eine neue Marktstudie zur Relevanz und den Kosten von Gebäudeökobilanzen veröffentlicht.

Demnach haben viele Unternehmen bereits Expertise aufgebaut, es gibt vielfältige Qualifizierungsmöglichkeiten und es sind zahlreiche Tools zur Berechnung von Gebäudeökobilanzen verfügbar. Gleichzeitig zeigt die Erhebung, dass die anfallenden Beratungskosten stark variieren, abhängig unter anderem von der Datenverfügbarkeit. Einsparpotenziale bieten die Anwendung von BIM (Building Information Modeling) sowie eine bessere Standardisierung der Methoden und Datengrundlagen.

„Für alle, die sich bereits mit der Zertifizierung von Gebäuden beschäftigt haben, ist die Methode der Ökobilanzierung nichts Neues. Schließlich ist die Berechnung einer Gebäudeökobilanz bereits seit der ersten Version des DGNB Systems für Neubauten aus dem Jahr 2008 eine zentrale Anforderung“, erklärt Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB. „Jetzt bekommt das Thema aber eine nochmals sehr viel größere Relevanz. Spätestens mit der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie (EPBD) wird auch in Deutschland niemand mehr daran vorbeikommen, denn ab 2028 wird die Berechnung von Gebäudeökobilanzen für Neubauten verpflichtend sein.“

Bausteine verlässlicher Gebäudeökobilanzen: Qualifizierte Experten, geprüfte Tools und unabhängige Verifizierung. Bild: DGNB ­ ­
Bausteine verlässlicher Gebäudeökobilanzen: Qualifizierte Experten, geprüfte Tools und unabhängige Verifizierung. Bild: DGNB

Marktrecherche und Befragung als Basis der Kurzstudie

Der zunehmenden Relevanz zum Trotz gibt es von verschiedenen Seiten nach wie vor Bedenken im Zusammenhang mit Gebäudeökobilanzen – etwa die Sorge vor möglichen Mehraufwänden und Kosten für den Aufbau entsprechender Kompetenzen. Aus diesem Grund hat sich die DGNB entschlossen, gemeinsam mit dem BPIE die Kurzstudie „Gebäudeökobilanzen: Marktdaten zu Relevanz und Kosten“ durchzuführen.

Ziel der Untersuchung war es, eine fundierte Wissens- und Datengrundlage für die Debatten rund um die Kosten und Chancen, die sich im Zusammenhang mit der Berechnung von Gebäudeökobilanzen ergeben, zu schaffen. Zu diesem Zweck erfolgte eine Marktrecherche zu den bestehenden Qualifizierungsangeboten und Berechnungstools. Außerdem wurden 62 DGNB Auditoren, die die Erstellung von Ökobilanzen als Dienstleistung anbieten, zu den anfallenden Kosten und Optimierungspotenzialen befragt.

Immer mehr Schulungsangebote und Tools zur Gebäudeökobilanzierung vorhanden

Die Ergebnisse der Marktanalyse machen deutlich, dass die Gebäudeökobilanzierung in den vergangenen Jahren bereits stark an Bedeutung gewonnen hat. Außerdem wurde die Grundlage geschaffen, dass die Methodik künftig in noch viel größerem Umfang angewandt werden kann.

In der Vergangenheit wurden Gebäudeökobilanzen nahezu ausschließlich gemäß den Regeln und im Rahmen von Nachhaltigkeitszertifizierungen oder in Forschungsprojekten durchgeführt. Entsprechend fand die Qualifikation weitgehend im Rahmen der Fortbildungen zum Zertifizierungsexperten statt. Dass es in Deutschland inzwischen sehr viel mehr Weiterbildungsangebote in diesem Bereich gibt, hängt unter anderem mit der Einführung der Bundesförderung Klimafreundlicher Neubau (KFN) zusammen sowie mit der Ankündigung weiterer Förderprogramme, bei denen die Berechnung von Gebäudeökobilanzen Voraussetzung für den Erhalt besserer Finanzierungskonditionen sein soll.

Eine ebenfalls starke Zunahme gibt es bei der Verfügbarkeit von Softwaretools zur Lebenszyklusanalyse von Gebäuden. Die Kurzstudie zeigt, dass es bereits mehr als 25 solcher Anwendungen auf dem deutschen Markt gibt. Die Auswertung zeigt jedoch auch, dass es unter diesen teils erhebliche Unterschiede in der zugrundeliegenden Methodik und der Anwendungsbereiche gibt. Einige Tools ermöglichen es nur, den Umweltindikator Treibhausgaspotenzial auszuwerten, während andere die Berechnung weiterer Umweltparameter zulassen. Auch mit Blick auf die anfallenden Kosten zur Verwendung der Tools gibt es zum Teil große Differenzen.

Anfallende Kosten variieren zum Teil sehr stark, Einsparpotenziale sind vorhanden

Die Befragung der DGNB Auditoren, die die Berechnung von Gebäudeökobilanzen als Dienstleistung anbieten, verdeutlicht, dass es auch mit Blick auf die Kosten, die rund um die Anwendung der Methode anfallen, große Unterschiede gibt. Diese liegen im Mittel zwischen 7.000 und 15.000 Euro pro Projekt, teilweise aber auch weit darunter oder darüber, und sind insbesondere davon abhängig, in welchem Umfang Beratungsleistungen zusätzlich zur reinen Berechnung beauftragt werden.

Bei der Frage, von welchen Faktoren die Höhe der Kosten abhängt, geben mehr als 70% der Befragten den tatsächlichen Aufwand zur Datenbeschaffung an. Auch die Gebäudegröße und der Gebäudetyp spielen für über die Hälfte der Experten eine einflussnehmende Rolle. Möglichkeiten zur Kostenreduktion werden von den Befragten in der Anwendung von BIM (Building Information Modeling) und digitalen Zwillingen gesehen. Auch wurde auf die Notwendigkeit der Standardisierung der Datengrundlage und Vereinfachungen bei der Software sowie die Bereitstellung digitaler Bauteilkataloge hingewiesen.

Kostenfaktoren von Gebäudeökobilanzen laut einer Umfrage unter 62 Anbietenden. Bild: DGNB
Kostenfaktoren von Gebäudeökobilanzen laut einer Umfrage unter 62 Anbietenden. Bild: DGNB

Unabhängige Qualitätssicherung von Gebäudeökobilanzen zunehmend wichtig

Über diese Analysen hinaus stellt die Kurzstudie noch einen weiteren Aspekt im Hinblick auf die Anwendung von Gebäudeökobilanzen in den Fokus: die Qualitätssicherung. Der Bedarf an einer unabhängigen Prüfung ergibt sich insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Relevanz des Instruments – sei es als Erfüllungsnachweis im Rahmen einer Gebäudezertifizierung, als Grundlage für klimaschutzorientierte Finanzierungen und Förderungen sowie zur Verifizierung der Einhaltung zukünftiger gesetzlicher Vorgaben. Dabei geht es sowohl um die Vergleichbarkeit als auch um eine mögliche Steuerungswirkung im Rahmen von Gebäudeplanungen.

DGNB und BPIE benennen in der Kurzstudie drei wesentliche Komponenten für die Qualität einer Gebäudeökobilanz. Dies ist zum Ersten die Expertise der Personen, die die Datenermittlungen, Berechnungen und Auswertungen durchführen. Zum Zweiten ist es die Qualität der Werkzeuge und Daten zur Ermittlung der Ökobilanz. Und es ist zum Dritten die unabhängige externe Validierung der errechneten Ergebnisse.

Ableitungen von Empfehlungen an Politik und Marktakteure

Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse aus der Kurzstudie empfehlen DGNB und BPIE die zeitnahe Einführung einer Regulierung der gebäudebezogenen Treibhausgasemissionen (THG) über den Lebenszyklus. Dabei sollten schlanke Strukturen und qualitätssichernde Mechanismen wie verpflichtende Schulungen, qualitätsgeprüfte Tools zur Ökobilanzierung oder ein bürokratiearmer Validierungsprozess mitgedacht und weiter ausgebaut werden. Für Planende und Ausführende empfiehlt es sich, die eigene Expertise zu Gebäudeökobilanzen weiter auszubauen, für Anbietende von Ökobilanztools, eine Qualitätssicherung zu gewährleisten und die Anwendung ihrer Tools zu vereinfachen.

„Die Studie zeigt: Deutschland hat durch gezielte Förderung und Qualifizierung bereits eine solide Basis für die Ökobilanzierung geschaffen. Das eröffnet die Möglichkeit, die EPBD-Vorgaben zur Offenlegung und Lebenszyklus-THG-Grenzwerten frühzeitig umzusetzen", Oliver Rapf, Executive Director vom BPIE. So könne Deutschland wieder zu den Vorreitern gehören und die Chancen der Lebenszyklusperspektive voll ausschöpfen.

„Die politischen Entscheidungstragenden in Deutschland sollten offen dafür sein, die langjährigen Erfahrungen von den Anbietern von Gebäudezertifizierungen wie der DGNB zu nutzen und auch von anderen EU-Staaten wie den skandinavischen Ländern, die eine Lebenszyklusregulierung bereits eingeführt haben, zu lernen, um eine breitere Anwendung im Sinne des Klimaschutzes voranzutreiben“, sagt Dr. Anna Braune, Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung der DGNB.
 
Für alle Interessierten ist die Kurzstudie „Gebäudeökobilanzen: Marktdaten zu Relevanz und Kosten“ online verfügbar.­

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