Baustart für Smartes Quartier Karlsruhe-Durlach
Die Volkswohnung GmbH und die Stadtwerke Karlsruhe bauen für den Gebäudekomplex aus fünf Mehrfamilien-Bestandsgebäuden eine dezentrale und solare Energieversorgung auf. Das Vorhaben wird durch das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) und das Institut für Nachhaltige Technische Systeme INATECH der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg in der Konzeptentwicklung unterstützt und im Betrieb wissenschaftlich begleitet und vom BMWi gefördert.
Zurzeit werden die 175 Wohnungen (Baujahr 1963; energetische Teilmodernisierung 1995, beheizte Grundfläche von 11.600 m², Strombedarf/Jahr: ca. 350 MWh, Wärmebedarf/Jahr: 1200 MWh) noch durch Erdgas und Strom aus dem Netz versorgt .
Das für die energetische Sanierung entwickelte Energiekonzept setzt auf die Kombination bewährter Technologien. So werden auf den Dächern aller Gebäude PV-Anlagen installiert. Drei der Gebäude sind mit einer Nahwärmeleitung verbunden, in die zwei Erdgas-BHKW-Aggregate Wärme einspeisen. Eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung des Konzepts ist der Quartiersansatz, also die Vernetzung mehrerer Gebäude sowohl durch Austausch von Energie als auch einer übergreifenden Betriebsführung und Regelung.
Zwei Gebäude werden durch dezentrale Wärmepumpenanlagen mit innovativen Wärmequellen versorgt: eine Mehrquellen-Großwärmepumpe (Außenluft, Erdwärmesonden), die im Forschungsvorhaben »LowEx im Bestand-HEAVEN« entwickelt wird, sowie eine Wärmepumpenanlage mit photovoltaisch- thermischen Kollektoren als Wärmequelle. Bislang kommen Wärmepumpen in Bestands-Mehrfamilienhäusern nur selten zum Einsatz. Die Integration in bestehende Mehrfamilienhäuser ist technisch anspruchsvoll, was Temperaturniveau, die Verfügbarkeit von Wärmequellen und die Versorgung mit erneuerbarem Strom angeht.
»Die Kombination von Wärmepumpen mit Photovoltaik und einem Blockheizkraftwerk, zusammen mit Wärmespeichern, hat sowohl energetisch als auch ökonomisch großes Potenzial. Für Wohnungsgesellschaften ist bei optimaler Auslegung ein wirtschaftlicher Betrieb im Rahmen eines Contracting-Modells möglich«, betont Stefan Storz, Geschäftsführer der Volkswohnung GmbH.
CO2-Emissionen minimieren, Wirtschaftlichkeit optimieren
Für die Konzepterstellung des Energiesystems wurde das Quartier mit allen Erzeugern und Verbrauchern vom Fraunhofer ISE simuliert und das Versorgungskonzept so optimiert, dass die CO₂-Emissionen durch den Verbrauch von Erdgas und Netzstrom minimiert und gleichzeitig die für die Mieter erforderliche Wirtschaftlichkeit erzielt wird. Dies wird unter anderem durch ein intelligentes Energiemanagement erreicht, welches die Wärmepumpen und den BHKW-Betrieb so steuert, dass die Wärmepumpen bevorzugt mit selbst erzeugtem PV- oder BHKW-Strom betrieben werden können. Zur Betriebsoptimierung werden neuartige Fehlererkennungsalgorithmen entwickelt und erprobt, die auf Verfahren der künstlichen Intelligenz basieren.
"Die Simulationsergebnisse zeigen, dass die intelligente Integration aller drei Technologien eine CO₂-Einsparung von über 50 Prozent und zugleich eine hohe Wirtschaftlichkeit für den Betreiber erwarten lassen", so Dr. Manuel Lämmle vom Fraunhofer ISE in Freiburg.
Monitoring sichert optimalen Betrieb und Übertragbarkeit auf Folgeprojekte
as Institut INATECH der Uni Freiburg und das Fraunhofer ISE installieren im Rahmen des Projekts ein Monitoring-System und werten die erhobenen Messdaten über drei Betriebsjahre hinweg aus. Dies soll zum einen wissenschaftliche Fragestellungen zur energetischen Performance des innovativen Energiekonzepts beantworten. Zur Überprüfung des Energiekonzeptes werden Vorher/Nachher- sowie Soll/Ist-Vergleiche und Energiebilanzen erstellt. Zum anderen soll nach der Monitoring-Phase ein optimiertes Regelungskonzept verfügbar sein, das durch den Betreiber weitergeführt werden kann.
»Die genaue Messung und Dokumentation der Einsparungen, die durch das neue Energiekonzept erzielt werden, soll möglichst viele weitere Unternehmen der Wohnungswirtschaft bei der Entscheidung dafür unterstützen, ebenfalls in ambitionierte, klimafreundliche Versorgungskonzepte zu investieren«, erklärt Dr. Stefan Hess, Forschungsgruppenleiter am INATECH.
In Deutschland beträgt laut BMWi der gebäudebezogene Energieverbrauch rund 35% des gesamten Endenergiebedarfs. Dabei befinden sich 54% aller Wohnungen und 41% der gesamten Wohnfläche in Mehrfamilienhäusern. Diese werden überwiegend mit Erdgas beheizt. Das Energiekonzept des Smarten Quartiers Karlsruhe-Durlach bietet ein großes Potential zur Reduktion von CO₂-Emissionen.
Das Demonstrationsprojekt gehört zum thematischen Projekt-Verbund »LowEx-Konzepte für die Wärmeversorgung von sanierten Mehrfamilien-Bestandsgebäuden (LowEx im Bestand)«, das zur Markteinführung und –verbreitung von LowEx-Konzepten und Systemen für Bestandsgebäude beitragen soll. Der Begriff »LowEx« charakterisiert Systeme, die mit möglichst niedrigem Temperaturniveau arbeiten und durch die damit mögliche Nutzung von Umweltenergie in Wärmepumpen eine sehr hohe Effizienz erreichen.