Zum Vergleich: 2018 lag der Stichtag noch Mitte Mai. Je früher das Datum, desto abhängiger ist Deutschland von Energieimporten. Die Importabhängigkeit von über 2/3 des heimischen Gesamtenergieverbrauchs schwäche die Konjunktur, belaste die Wettbewerbsfähigkeit und mache uns geopolitisch erpressbar, warnt die Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz e. V. (DENEFF). Den mit Abstand größten Anteil an den Importen haben fossile Energieträger. Hierfür gibt Deutschland laut KfW jährlich über 80 Milliarden Euro aus. Das entspricht 2,5% des Bruttoinlandsprodukts [1].
„US-Präsident Trump spottete kürzlich, die EU müsse amerikanische Energie kaufen, weil sie sie braucht [2]", sagt Christian Noll, Geschäftsführender Vorstand der DENEFF. Doch das könne man ändern.„Effizienz ist der Schlüssel. Lösungen made in EU machen Europa und Deutschland unabhängig. Die neue Bundesregierung muss sich durch konsequente Energieeffizienzpolitik bemühen, das Spiel umzudrehen, um schnell einen Tag der Energieunabhängigkeit feiern zu können.”
Effizienz kann Stichtag deutlich verschieben – und spart Milliarden
Hätten die vergangenen Bundesregierungen die notwendigen Maßnahmen ergriffen und das Effizienzziel 2020 erreicht, läge der Importanteil heute rund zwei Prozentpunkte niedriger und der Tag der Energieabhängigkeit wäre damals statt auf den 12. auf den 19. Mai gefallen – eine Woche später.
Würde die Politik den Effizienz-Pfad des Energieeffizienzgesetzes (EnEfG) ernsthaft einschlagen, würde das den Stichtag 2030 sogar auf den 1. Juni verschieben (siehe Tabelle unten). Hierbei zahlen Energieeffizienz, Energiesparen, Ausbau erneuerbarer Energien und Brennstoffwechsel bzw. Elektrifizierung auf die Senkung des Primärenergiebedarfs und damit auch des Importbedarfs ein. Mit dem Erreichen der Klima- und Energieziele 2045 ist auch von einer weitestgehenden Energieautarkie Deutschlands auszugehen.
Deutschland wird abgehängt: Industrie auf letztem Platz
Zum Vergleich: Die Importabhängigkeit der EU lag 2023 bei 58%. Der Europäische Tag der Energieabhängigkeit ist am 3. Juni – über einen Monat später als Deutschland.[3] Deutschland hinkt also hinterher. Besonders beunruhigend: Das EU-Projekt Odyssee-MURE führt die deutsche Industrie im European Energy Efficiency Scoreboard 2024 auf Platz 25 von 25 beim Energieeffizienzfortschritt.[4] Dabei könnte sie laut einer Studie der Hochschule Niederrhein 44% ihres heutigen Energiebedarfs mit profitablen Maßnahmen einsparen.[5]
Die DENEFF weist darauf hin, dass Deutschland und Europa bei Produkten und Dienstleistungen für Energieeffizienzlösungen für Gebäude und Industrie weltweit immer noch führend seien. Investitionen hierein stärkten gleichzeitig Binnenkonjunktur und Unabhängigkeit.
Einfach Freikaufen aus Energieabhängigkeit?
Die DENEFF warnt davor, an Stelle von Effizienzmaßnahmen allein auf CO₂-freie Brennstoffe zu warten, die wiederum auch zu einem großen Teil importiert werden müssten.
„Die Marktpreise für Strom und Wasserstoff werden in Deutschland perspektivisch dauerhaft teurer bleiben als im internationalen Vergleich“, erläutert DENEFF Industrieexpertin Dr. Tatjana Ruhl. „Deutschland kann sich aus seiner selbst verschuldeten Energieunmündigkeit nicht mit beliebig viel Geld für Energiepreissubventionen freikaufen. Die Haushaltsspielräume sind beschränkt, gerade angesichts der internationalen Sicherheitslage.“
Allein die geplante Senkung der Stromsteuer führt laut Experten zu einer Steuermindereinnahme von 10,5 Milliarden Euro jährlich.[6] Die neue Bundesregierung müsse ihre energiepolitischen Entscheidungen einem Resilienzcheck unterziehen: „Was macht uns weniger abhängig und vulnerabel und stärkt die Binnenkonjunktur?”.
Übersicht – „Tag der Energieabhängigkeit“ Deutschlands
Basis für den diesjährigen Tag der Energieabhängigkeit sind vorläufige Daten der AG Energiebilanzen für 2024. Endgültige Daten liegen immer erst im Sommer des Folgejahres vor.
Fußnoten / Quellen
- [1] KfW, “Jedes Jahr importiert Deutschland fossile Brennstoffe im Wert von Ø 81 Mrd. EUR“, 24.04.2024, https://www.kfw.de/PDF/Download-Center/Konzernthemen/Research/PDF-Dokumente-Volkswirtschaft-Kompakt/One-Pager-2025/VK-Nr.-251-April-2025-fossile-Importe.pdf
- [2] Politico, “Trump says EU must buy $350 bn of US energy to get tariff relief”, 08. 04. 2025, https://www.politico.eu/article/donald-trump-says-eu-must-buy-350b-of-us-energy-to-get-tariff-relief/
- [3] Eurostat, Shedding light on energy – 2025 edition, Kap. 4.1 (EU-27 Importquote 2023: 58 %), https://ec.europa.eu/eurostat/de/web/interactive-publications/energy-2025
- [4] Odyssee-MURE, European Energy Efficiency Scoreboard 2024, https://www.odyssee-mure.eu/data-tools/scoreboard-energy-efficiency.html
[5] Hochschule Niederrhein / DENEFF-Studie „Energieeffizienzpotenziale in der Industrie“, 2023. - [6] Stefan Bach, DIW, https://x.com/SBachTax/status/1910652387083112581?ref_src=twsrc%5Egoogle%7Ctwcamp%5Eserp%7Ctwgr%5Etweet
- [7] Eurostat-Datenbank sdg_07_50 – Energy import dependency, https://ec.europa.eu/eurostat/api/dissemination/statistics/1.0/data/sdg_07_50
- [8] AG Energiebilanzen, Infografik „Importabhängigkeit der deutschen Energieversorgung 2024 hoch“, 18. 03. 2025, https://www.ag-energiebilanzen.de
- [9] DENEFF-Szenario: Erfüllung des 20 %-Effizienzziels 2020 (PEV 11 258 PJ).