Was ist eigentlich Defaitismus? oder: Ist die Stimmung schlechter als die Lage ?
Die Verunsicherung der Bundesbürger ist demzufolge recht hoch, und die Neigung zum „Vorsichtssparen“ wächst entsprechend. Neben der überbordenden Bürokratie sowie dem Fachkräftemangel bereiten die aktuellen Transformationsprozesse in Industrie und Handel vielerorts begründete Sorgen. Die Heizungsbranche kann derzeit ein Lied davon singen, das mehrere Strophen hat. Nach den zwei Rekordjahren 2022 & 2023 kam nun die Vollbremsung. Immerhin 48 % weniger Wärmeerzeuger setzten die Hersteller bis September dieses Jahres ab als im gleichen Vorjahreszeitraum. Die Ursachen sind vielfältig und die Auftragslage dürfte auch im SHK- Handwerk zunehmend sensibler werden.
Nun neigen wir Deutschen ja bekanntlich zum Pessimismus, den wir mit sorgenvoller Schwarzmalerei garnieren. Dieser Zustand kann auch als Defaitismus bezeichnet werden. Er sorgt für eine gewisse Mutlosigkeit und führt im schlimmsten Fall zu ernsthaften Depressionen. Da scheinbar kaum eine Aussicht auf den Sieg besteht, resultiert daraus eine starke Neigung zum Aufgeben. Alles in Allem führt Defaitismus nicht zu der optimistischen Grundstimmung, die unsere Branche benötigt, um die Herausforderungen des Marktes sowie die Wärme- und Klimawende in positivem Sinne zu gestalten. Wir sollten deshalb die realen Chancen betrachten und uns die Stärken unserer Wirtschaftsnation bewusst machen, statt alles ins Negative zu rücken.
Zukunft kommt von Zuversicht
Hier ein paar Fakten, die optimistisch stimmen können:
Der Leitzinssatz der Europäischen Zentralbank (EZB) wurde Mitte Oktober um 0,25 % auf aktuell 3,25 % abgesenkt. Das dürfte sich zunehmend positiv auf die Investitionsbereitschaft in unserem Lande auswirken.
Zuversichtlich zeigt sich auch wieder die Stimmung bei den Unternehmen in Deutschland. Der ifo Geschäftsklimaindex stieg im Oktober auf 86,5 Punkte, nach 85,4 Punkten im September. Das ist der erste Anstieg nach vier Rückgängen in Folge. Die Unternehmen zeigten sich zufriedener mit ihrer aktuellen Lage. Auch die Erwartungen hellten sich auf, bleiben aber von Skepsis geprägt. Die deutsche Wirtschaft konnte den Sinkflug aber vorerst stoppen.
Laut Berechnungen der DZ BANK stieg das Geldvermögen der Deutschen um etwa 6,8 Prozent auf 7,953 Billionen Euro an. Im Jahr 2022 ging dieser Wert bei den privaten Haushalten noch um fast fünf Prozent zurück. Den starken Zuwachs begründet das DZ BANK Research vor allem durch gestiegene Aktienkurse, die für einen gewissen Inflationsausgleich sorgten. Darüber hinaus hat die Hans-Böckler-Stiftung in einer aktuellen Studie ermittelt, dass jede*r Deutsche über 17 Jahren ein Nettogesamtvermögen von etwa 88.000 Euro aufweist. Im vergangenen Jahr hat das Geldvermögen der Deutschen also wieder kräftiger zugelegt.
Tatsächlich ist die Lage im Bausektor prekär; besonders im Wohnungsbau. Im Juni 2024 wurde in Deutschland der Bau von lediglich 17.600 Wohnungen genehmigt. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, waren das 19,0 % oder 4.100 Baugenehmigungen weniger als im Juni 2023. Im Vergleich zum Juni 2022 sank die Zahl der Baugenehmigungen um 42,1 % oder 12.800 Wohnungen. Angesichts des extremen Wohnraummangels muss und wird die Baukonjunktur deshalb wieder anspringen.
Hinzu kommt der Sanierungsstau in der häuslichen Wärmeversorgung: Über 81 Prozent der wiederkehrend messpflichtigen Ölfeuerungsanlagen (etwa 3,2 Millionen) und etwa 65 Prozent der Gasfeuerungsanlagen (ca. 3,7 Millionen) sind älter als 20 Jahre. 3,3 Millionen Öl- und Gasgeräte davon sind sogar 30 Jahre alt und älter. Im Gebäudebestand liegt demnach ein „schlafender Riese“, der geweckt werden will.
Ähnlich hohe „Altlasten“ können in der Sanitärwirtschaft verzeichnet werden. Nach Schätzungen der VDS (Vereinigung Deutsche Sanitärwirtschaft e. V.) müssen in den nächsten Jahren über 10 Millionen private Badezimmer saniert werden. Damit wartet in Deutschland etwa jedes vierte Bad auf eine Modernisierungs-maßnahme. In diesem Zusammenhang spielt auch die demographische Entwicklung unserer Gesellschaft eine entscheidende Rolle. Etwa 30 % der 84,7 Millionen Bundesbürger sind über 60 Jahre alt (25,29 Mio.). Diese Bevölkerungsgruppe legt Wert auf eine barrierearme Badausstattung mit bodenebener Dusche und/oder einem Dusch-WC zur Erhöhung der Körperhygiene.
Quintessenz
Es scheint eine typisch deutsche Mentalität zu sein mit dem Finger auf Behörden, Politiker bzw. den Staat zu zeigen, wenn gesellschaftliche bzw. wirtschaftliche Defizite erkennbar werden; Schwarzmalerei hilft uns gewiss nicht aus der Krise – Handeln ist gefragter, denn je. Die amtierende Bundesregierung hat mit andauernden Streitereien und ihrer verunsichernden Öffentlichkeitsarbeit sicherlich große Fehler gemacht. Nun ist es an uns - aus der Fachbranche - dieses Szenario ins Positive zu drehen. Grundsätzlich sind die Bundesbürger für eine Energie- und Wärmewende zu gewinnen, aber sie erwarten bessere Argumente bzw. Motivationen, zum zeitnahen Einsatz neuer Technologien. Geld allein spielt dabei sicher nicht die entscheidende Rolle – das überzogene (und ängstliche) Sparverhalten sowie die hohen Freizeit- und Urlaubsausgaben zeigen uns das allzu deutlich. Die etablierten Branchenverbände (BDH, BWP, BSW, VDS, ZVSHK und ZIV) sollten sich umgehend auf eine breit angelegte Aktionskampagne verständigen, um den Sanierungsstau in der Wärmeversorgung sowie den Badezimmern endlich aufzulösen.
Schlechte Stimmung hilft niemandem im Markt, sondern verunsichert nur die Kundschaft, die dann erst einmal abwartet und nichts investiert. Wer das nicht versteht, schadet sich selbst und damit einer Branche, die optimistisch nach vorn blicken kann. Zukunft kommt eben von Zuversicht.
Dieter Last
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