Intelligentes Lüftungssystem für Schulen nicht nur in Coronazeiten
Autor: Dipl.-Ing. Jörg Kranich, Kiefer Klimatechnik, Leiter Vertrieb Komponenten, Stuttgart
Schulen werden noch oft ohne mechanische Lüftung gebaut, die Frischluftzufuhr erfolgt ausschließlich über die Fenster. Dies steht nicht nur im Widerspruch zur EnEV, die eine luftdichte Gebäudehülle fordert. In der kalten Jahreszeit liegt die CO2-Konzentration oft weit über den zulässigen Vorgaben und die Schüler leiden an Konzentrationsmangel. Durch die Corona-Pandemie erhält das Thema einen neuen Stellenwert.
Gerade in der kalten Jahreszeit erfolgt oftmals nur ein zu kurzer und daher meist mangelhafter Luftaustausch. Bei schlechter Durchlüftung steigen die potenziell virenbelastete Aerosolkonzentration und damit das Infektionsrisiko drastisch. Mittlerweile wurden unzählige Systeme zur Luftreinigung präsentiert, doch die Fragen der Frischluftzufuhr wie auch der Energieeffizienz sind damit meist nicht gelöst.
Auch vor der Corona-Pandemie fehlte es in vielen Klassenzimmern in Deutschland an frischer Luft. Der Richtwert von 1.000 ppm CO2 in der Atemluft von Schülern wird bis heute vielerorts überschritten. Die bekannten Folgen sind Müdigkeit und Konzentrationsstörungen. Einige Bauherren und Planer haben bei Schulneubauten in der Vergangenheit diese Problematik berücksichtigt und durch den Einbau eines Lüftungssystems mit Wärmerückgewinnung frühzeitig vorgesorgt.
Lüftungssystem für Schul- und Verwaltungsgebäude
Im Grimmelshausen-Gymnasium in Gelnhausen in der Nähe von Frankfurt/Main setzten die planenden Ingenieure ein Lüftungssystem als zentrale Frischluftversorgung ein, das sich eine Bauteilaktivierung zunutze macht. Die Zuluft wird hier nicht direkt in den Raum geführt, sondern durchströmt zuerst die in der Decke einbetonierten Aluminium-Kühlrohre und sorgt damit für die Deckenkühlung. Dabei erwärmt sie sich ohne Nacherhitzer auf 21 °C. Die Schule profitiert von hygienisch durchlüfteten Unterrichtsräumen, niedrigen Betriebskosten und maximalen Energieeinsparungen.
Lüftungsanlagen sollen insbesondere bei Neubauten meist die architektonische Gestaltung nicht beeinträchtigen. So planten die Architekten der Sebastian-Lotzer-Realschule in Memmingen durchgehend glatte Betondecken. Die Luftleitung ist im Raum unsichtbar, in der Betondecke oder in der Flurtrennwand werden lediglich die Luftdurchlässe unauffällig integriert. Zusätzliche Lüftungsrohre unter der Decke sind nicht erforderlich.
Auch bei den Berufskollegs Herwig-Blankertz und Max-Born in Recklinghausen wurde bei der Planung langfristig und nachhaltig gedacht und ein integrales Energie- und Gebäudekonzept entwickelt. Auch hier nimmt - neben der zweischaligen Gebäudehülle - die Betonkerntemperierung mit Zuluft in Verbindung mit einer Ersatzluftanlage die zentrale Rolle ein. Die Außenluft steht zwei Drittel des Jahres mit Temperaturen unterhalb von 12 °C, also bereits kühl und kostenlos, zur Verfügung.
Aktuelle Projekte wie das Schulhaus Türli in der Schweiz, der Bildungscampus Wetzlar, bestehend aus der Goethe-Schule und der Theodor-Heuss-Schule sowie der Bildungscampus Unna setzen ebenfalls auf das langjährig bewährte Lüftungskonzept für Schulneubauten.
Funktionsprinzip
Das Betonkerntemperierungssystem mit Zuluft hat sich in der Praxis bereits vielfach bewährt und ist insbesondere für Schul- und Verwaltungsneubauten geeignet.
Bei diesem System dient die Außenluft – und nicht wie üblicherweise Wasser – als Wärmeträgermedium und wird ohne weiteren Energieaufwand zur direkten Kühlung der Betondecken genutzt. Während die Zuluft zunächst die Kühlrohre innerhalb der Betondecken durchströmt, erwärmt sie sich auf annähernd Deckentemperatur. Anschließend wird die Zuluft über Luftdurchlässe den Räumen zugeführt und deckt den Frischluftbedarf im Gebäudeinneren.
Die Funktionsweise des Lüftungssystems ähnelt einer Warmluftheizung der alten Römer. Dabei wurden massive Bauteile wie Wände, Fußböden oder Sitzbänke mit warmer Luft durchströmt. Während jedoch in der Antike außerhalb des Hauses liegende Brennöfen als Energiequelle dienten, wird bei Concretcool das Kühlpotenzial der Außenluft verwendet. Damit können bis zu 50 % des Energiebedarfs im Vergleich zu herkömmlichen Systemen mit Wasser als Energieträger eingespart werden.
Mit der thermischen Bauteilaktivierung kann zudem die Gebäudemasse als Energiespeicher genutzt werden. Da die Anforderungen an die Energieeffizienz von Neubauten immer weiter steigen, gewinnen ressourcenschonende Heiz- und Kühltechniken zunehmend an Bedeutung.
Langfristige Lösungen für eine nachhaltige Zukunft
In Unterrichtsräumen sind sowohl die hygienische Frischluftversorgung in Unterrichtsräumen sicherzustellen als auch die Vorgaben der EnEV zur Energieeinsparung zu berücksichtigen. Die Kommission für Innenraumlufthygiene am Umweltbundesamt empfiehlt daher Anlagen, die etwa mit Bauteilaktivierung und Wärmerückgewinnung arbeiten, als Stand der Technik bei künftigen Schulneubauten. Damit können der Frischluftbedarf gedeckt, die Grenzwerte für CO2-Konzentrationen eingehalten, ein behagliches Klima und alle wichtigen Faktoren für ein hygienisches, störungsfreies Lernen bei hoher Energieeffizienz erfüllt werden.
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