Hygienerisiken kleiner verschachtelter Zirkulationskreise
Fachplaner müssen möglichst bereits zu Beginn der Entwurfsplanung durch geeignete Maßnahmen jeglichen vermeidbaren Wärmeübergang von PWH-Installationen auf Rohrleitungen für PWC unterbinden. Dies kann oft auch den Verzicht auf Zirkulationsleitungen für PWH bedeuten, speziell, wenn es sich um nur sehr kurze Zirkulationskreise handelt, wie sie etwa auf der Etage in den Zimmern von Hotels oder ähnlichen Objekten zu finden sind.
Risiko Wärmeübergang
In seinen Empfehlungen zu „Planung, Ausführung und Bedienung von Sanitäranlagen in öffentlichen Gebäuden“ gab der Arbeitskreis Maschinen- und Elektrotechnik der kommunalen Verwaltungen (AMEV) unter dem Dach des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat schon 2021 den ausdrücklichen Hinweis, dass „bereits in der Planung der Trinkwasseranlage … der Schutz des Trinkwassers (kalt) vor Wärmequellen und Wärmelasten zu berücksichtigen [sei]. Nach VDI 6023 (www.vdi.de/6023) darf die Temperatur Trinkwasser (kalt) 25 °C nicht überschreiten.“ Und weiter: „Der Schutz des Trinkwassers kalt vor Wärmelasten sollte bereits in der Anlagenplanung als passive Maßnahmen berücksichtigt werden und zählt u. a. zu den Qualitätsmerkmalen einer Entwurfsplanung. Mängel einer unvorteilhaften Planung oder Ausführung lassen sich im Nachgang meistens nicht oder nur mit einem erheblichen Mehraufwand kompensieren.“
Dies verleiht dem Thema „Wärmelasten in Schacht- oder Vorwandkonstruktionen“ Brisanz, da in der Praxis in diesen Installationsbereichen besonders häufig unzulässige Wärmeübergänge von warm- auf kaltgehende Installationen auftreten: „Trinkwasser-Installationen sind … thermisch getrennt bzw. separat von Wärmequellen oder warmgehenden Leitungen zu verlegen. Bei der Planung und der Montage ist grundsätzlich die Verlegeregel ‚Trinkwasser kalt unterhalb von Trinkwasser warm‘ einzuhalten (Wärmeströmung)“, so der AMEV weiter. Dazu gibt er auch gleich weitere Installationstipps, darunter:
- eine Konzentration der Bedarfsschwerpunkte,
- den hinreichenden Mindestabstand von Anschlüssen der Verbraucher (Eckventile) an die PWH-Sammelleitung zum PWC oder
- den Verweis auf mögliche Stauwärme in der Vorwandkonstruktion, je nach Ausführung und Positionierung der Rohrleitungen.
Wärmelasten generell verringern
Über all diesen planerischen und installationstechnischen Einzelmaßnahmen steht die grundsätzliche Forderung, die Wärmelast in hygienekritischen Installationsbereichen so gering wie möglich zu halten, um eine Erwärmung von PWH auf > 20 °C generell zu vermeiden. Damit rückt zwangsläufig die mittlerweile recht häufig zu beobachtende Installation von kleinen Zirkulationskreisen bis zur letzten Entnahmestelle für PWH in den Fokus.
Diese Zirkulationskreise schützen zwar die PWH-Installation vordergründig vor Stagnationsrisiken und bedienen den Komfortanspruch bezüglich der Versorgung von Entnahmestellen gemäß VDI 6003. Gleichzeitig sind sie aber für einen massiven Wärmeeintrag in den jeweiligen Abschnitt beispielsweise einer Vorwandkonstruktion verantwortlich, wie das nachstehende Rechenbeispiel zeigt.
Ausgehend von einer Rohrlänge von 8 m wird danach bei einer permanent durchflossenen, weil durchgeschliffenen Zirkulation binnen einer Stunde
eine Energiemenge von 56 Wh in die Vorwand eingetragen. Würde stattdessen eine kürzere Reihenleitung (ohne Zirkulationsstrecke) von 6 m installiert, läge der Wärmeeintrag beispielsweise nach einem sechsminütigem Duschvorgang und anschließender Wiederabkühlung von PWH auf Umgebungstemperatur lediglich bei 33,7 Wh.
Dem Rechenweg
liegen dabei nachfolgende Parameter zugrunde: Temperatur PWH 60 °C, Umgebungstemperatur 20 °C, spezifische Wärmekapazität Wasser = 1,163 Wh/(kg*K), Rohrinnendurchmesser di = 11,6 mm, Dichte Wasser ρ = 1 kg/l. Über die durchgeschliffene Zirkulation liegt der Wärmeeintrag also mehr als 66 % höher, und zwar nicht nur während der Nutzung, sondern konstant! Findet keine PWH-Entnahme statt, so ist der Energieeintrag der Reihenleitung in einer Stunde hingegen Q = 0 Wh. Es besteht durch die Ringleitung also ein massives Risiko der kontinuierlichen Fremderwärmung von unten in der Vorwand verlegten Installationen für Kaltwasser.
Dieses Risiko einer unzulässigen Erwärmung von PWC ist umso höher zu bewerten, als bereits kurze kontaminierte Rohrleitungsabschnitte mit hohen Dauertemperaturen genügen, um das Wachstum von Pseudomonaden oder gar Legionellen zu fördern. Von solchen Keimnestern aus kann die gesamte Trinkwasserinstallation auch gegen die Fließrichtung kontaminiert werden.
Abstand als Problemlösung?
Um die auf PWC durch eine PWH-C einwirkenden Wärmelasten zu vermeiden, erscheint es naheliegend, die Rohrleitungssysteme in geeignetem Abstand zueinander zu installieren und gegebenenfalls zu dämmen. In § 69 Gebäudeenergiegesetz (GEG), wird letzteres sogar explizit gefordert: „Werden Wärmeverteilungs- und Warmwasserleitungen sowie Armaturen erstmalig in ein Gebäude eingebaut oder werden sie ersetzt, hat der Bauherr oder der Eigentümer dafür Sorge zu tragen, dass die Wärmeabgabe der Rohrleitungen und Armaturen … begrenzt wird.“
Beide Aspekte – Abstand wie Dämmung – bringen Fachplaner aber in einen Zielkonflikt, denn eine Installation von PWH- und PWC-führenden Rohrleitungen mit hinreichendem Abstand ist in einer Vorwandkonstruktion insbesondere im Bestand aus Platzgründen oftmals schlichtweg nicht machbar. Gleiches gilt für die Dämmung der PWH-/PWH-C-führenden Rohrleitungen gemäß GEG, Anlage 8 (bis 22 mm Innendurchmesser (ID) 20 mm, bis 35 mm ID 30 mm; darüber Dämmstärke gleich ID; jeweils bezogen auf eine Wärmeleitfähigkeit von 0,035 W/m*K).
Zudem stellen sich die grundsätzlichen Fragen, welche Vorteile eine vergleichsweise kurze Zirkulationsleitung PWH im Vergleich zu einer Reihenleitung in einer Vorwandkonstruktion hat, wenn
- zum Schutz vor Wärmeübergang über die Armatur an den Entnahmestellen eine stagnierende Auskühlstrecke vorgesehen werden muss, und
- die Regelgenauigkeit des Zirkulationsventils für den thermischen Abgleich der Warmwasserzirkulation aufgrund der kurzen Leitungslänge und damit verbundenen kleinen Volumenströmen KVmin das minimale ∆t möglicherweise nicht ausgleichen kann.
Zudem können in solch einem Installationsumfeld selbst die Anforderungen der Richtlinie des Robert Koch-Instituts (RKI) für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (Punkt 2.1.1 „Anforderungen an das krankenhausinterne Rohrnetz mit Armaturen“) problemlos erfüllt werden. Denn darin ist ausdrücklich der Verweis auf „die anerkannten Regeln der Technik (z. B. DIN 1988)“ und damit auch auf das DIN/DVGW-Arbeitsblatt W 551 enthalten, wonach Leitungslängen/Stagnationsstrecken bis 3 l Volumen ausdrücklich zulässig sind.
Wartungsaufwand geplant vermeiden
Ein weiterer Aspekt, der speziell im Geschossbau für eine möglichst einfache Installationsarchitektur von PWH und PWC unter Verzicht auf kurze PWH-C-Leitungen spricht, sind zum einen die höheren Aufwendungen sowohl für die Installation an sich als auch in der Betriebsphase des Objektes. So müssen nicht nur die zwangsläufigen Energieverluste ausgeglichen werden, die durch die PWH-C-Installationen entstehen: Die für jeden Kreis notwendigen Zirkulationsregulierventile unterliegen außerdem den Anforderungen der DIN EN 806-5 „Technische Regeln für Trinkwasserinstallationen, Teil 5: Betrieb und Wartung“. Darauf wird auch in den entsprechenden Produktunterlagen ausdrücklich hingewiesen. Die Ventile sind also unbedingt frei zugänglich einzuplanen bzw. zu installieren und sie müssen nach VDI 3810-2/6023-3 im Rahmen einer Funktionsprüfung turnusmäßig inspiziert werden – thermostatische Ventile halbjährlich, statische Ventile jährlich.
Zum anderen stellen durch kurze PWH-C-Installationen stark vermaschte Rohrleitungsnetze generell ein höheres Hygienerisiko dar als einfacher aufgebaute Trinkwasserinstallationen, weil sie über alle Stränge und Kreise hinweg thermisch deutlich schwieriger abzugleichen sind. Ein solcher thermischer Abgleich mit Systemtemperaturen von 60/55 °C wird jedoch im DIN/DVGW-Arbeitsblatt W 551 ausdrücklich gefordert und darf selbst in Bestandsanlagen nicht fehlen, da es sich ansonsten um einen Mangel handelt (Quelle: Beschluss des OLG München vom 21.11.2018, 28 U 1888/18 Bau (IBR 2020, 584)).
Fazit
Aus hygienischen Gründen sollten Trinkwasserinstallationen bedarfsgerecht mit entsprechend angepassten Anlagenvolumina und mit einer entsprechend übersichtlichen Hydraulik unter Verzicht auf kleine PWH-C-Installationen in jede Nutzungseinheit bis an die letzte Entnahmestelle ausgelegt werden. Das erleichtert nicht nur den hydraulischen Abgleich, sondern reduziert zugleich die Aufwendungen für die Warmwasserbereitung, da so erhebliche Wärmeverluste durch die Zirkulationskreise vermieden werden. Denn in der langfristigen Betrachtung, über den Lebenszyklus eines Gebäudes hinweg, stellen diese Verluste nicht nur einen Kostenfaktor dar, sondern sie sind auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit nicht mehr zu vertreten.
Dr. Christian Schauer
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