Pro und kontra

Grüner Wasserstoff für den Wärmesektor

Wasserstoff als Energieträger und Säule der Energiewende wird spätestens seit dem Beschluss der Nationalen Wasserstoffstrategie Sektor übergreifend diskutiert. Für das Thema Brennstoffzellenheizung und grüner Wasserstoff ist die derzeitige Faktenlage noch kontrovers.
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Die Brennstoffzelle: Eine Frage wird in Zukunft sein, mit Wasserstoff welcher Erzeugung sie gespeist wird und ob über sie grüner Wasserstoff auch im Wärmesektor ein Thema sein kann. Bild: Shutterstock
Die Brennstoffzelle: Eine Frage wird in Zukunft sein, mit Wasserstoff welcher Erzeugung sie gespeist wird und ob über sie grüner Wasserstoff auch im Wärmesektor ein Thema sein kann. Bild: Shutterstock

Im Juni dieses Jahres beschloss die Bundesregierung ihre Nationale Wasserstoffstrategie (NWS). Sie verfolgt damit das Ziel, Wasserstofftechnologien als Kernelemente der Energiewende zu etablieren, um mit Hilfe erneuerbarer Energien die Sektoren zu dekarbonisieren. Dabei geht es um die Forschung und um Wege zur Entwicklung einer nationalen Versorgung mit CO2-freiem Wasserstoff.

Der Einsatz von Wasserstoff als Energieträger ist bereits gängige Praxis. So genannter grauer Wasserstoff wird entweder per Wasserelektrolyse oder durch die Reformierung von Erdgas mittels fossiler Energieträger gewonnen. Klassisch fällt darunter der im Hüttenwesen und der Chemieindustrie eingesetzte Wasserstoff.

Die NWS sendet ein wichtiges Signal, Wasserstoff nun auch als Schlüsselelement für die Energiewende zu begreifen und ihn als Energieträger in allen Sektoren (wieder) zu thematisieren. Im Verkehrssektor und in den energieintensiven Industrien läuft die Debatte schon länger, im Wärmesektor nimmt sie erst Fahrt auf.

Grau oder blau, türkis oder grün

Wasserstoff erhält seine Farbzuweisung in Abhängigkeit davon, wieviel CO2-Emissionen der zu seiner Gewinnung eingesetzte Strom verursacht.

Blauer Wasserstoff wird durch die Reformierung von Erdgas gewonnen. Anders als beim grauen Wasserstoff soll das dabei abgeschiedene Kohlendioxid perspektivisch über Carbon Capture and Storage (CCS) unterirdisch eingelagert werden. CCS ist allerdings aus verschiedenen Gründen extrem umstritten. Zudem werden für blauen Wasserstoff keine erneuerbaren Energien eingesetzt.

Türkiser Wasserstoff stammt aus der thermischen Spaltung von Methan. Anstelle von CO2 entsteht dabei fester Kohlenstoff. Soll er CO2-neutral sein, müssen erneuerbare Energien eingesetzt und der Kohlenstoff dauerhaft gebunden werden. Grüner Wasserstoff ist nach derzeitiger Definition solcher, der per Wasserelektrolyse und unter Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen wird.

Schub durch PtX und Offshore

Grüner Wasserstoff hat grundsätzlich eine gute Perspektive. Es ist z. B. damit zu rechnen, dass sich die deutschen Küstenländer, insbesondere Niedersachsen und Schleswig-Holstein, zu Schwerpunkten der deutschen grünen Wasserstoffproduktion aus Offshore- und Onshore-Windkraft entwickeln könnten. Vielversprechende Ansätze zeigen sich etwa bei der Konservierung von Solar- und Windstrom über Power-to-X-Technologien (PtX). Der von der Bundesregierung vorgesehene Ausbau von Offshore-Windkraft in Nord- und Ostsee im kürzlich vorgelegten Gesetz zur Änderung des Windenergie-auf-See-Gesetzes (WindSeeG) wird die Dringlichkeit der Wasserstoffproduktion aus Windstrom aller Voraussicht nach erhöhen. Die Nationale Wasserstoffstrategie schließt indes auch die Möglichkeit nicht aus, Wasserstoff künftig aus der EU und jenseits davon zu importieren. Angesichts des potenziellen Bedarfs allein in Industrie und Verkehr wird das auch nötig sein. Deutschland ist immer ein Energieimporteur gewesen, in naher Zukunft könnte das grünen Wasserstoff einschließen. Ob dieser dann Zugang in den Wärmesektor findet, werden die weitere Technologieentwicklung und der Markt zeigen.

Wasserstoff vs. direkte Stromnutzung

Die in Deutschland produzierbaren Mengen grünen Wasserstoffs sind laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE) – „Wasserstoff im zukünftigen Energiesystem: Fokus Gebäudewärme“ – relativ bescheiden. Das Hauptinteresse der Studie bestand zunächst darin, herauszufinden, ob sich der Einsatz von Wasserstoff im Wärmesektor lohnt. Er wird mit der Alternative Direktverstromung von Grünstrom im Wärmesektor verglichen und der Vergleich zeigt, dass der Einsatz von Wärmepumpen für die Gebäudeheizung deutlich effizienter ist. Darüber geht die Studie jedoch der grundsätzlichen Frage nach, wie viel Wasserstoff mit Hilfe grünen Stroms in Deutschland überhaupt produziert werden könnte. Das Ergebnis: Laut IEE sind es zwischen 50 und 150 TWh.

Zum Vergleich: Der aktuelle Endenergiebedarf im deutschen Wärmesektor (Raumwärme, Warmwasser, Kälte) beläuft sich laut Umweltbundesamt allein im Sektor Haushalt auf 636 TWh (2018). Der Verkehr schlägt mit 751 TWh zu Buche, die Industrie mit 736 TWh und Gewerbe, Handel und Dienstleistungen mit 375 TWh. Selbst wenn man sich bei der Frage nach der Abdeckung nur den Wärmesektor vornähme, so übersteigt bereits dort der Energiebedarf die bereitstellbare Menge um den Faktor 4 bis 13. Die Fraunhofer-Studie empfiehlt, Grünstrom im Wärmesektor direkt statt über den Umweg grünen Wasserstoffs zu nutzen.

Ein aktuelles Forschungsprojekt des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE), stützt dieses Argument. Das Monitoringprojekt „WPsmart im Bestand“ untersuchte, ob und inwiefern Wärmepumpen auch in Bestandsgebäuden effizient eingesetzt werden können. Das Ergebnis ist eindeutig Ja.

Neben den planerisch-technischen Aspekten der Installation und des Betriebs konnten die untersuchten Wärmepumpen auch bei den CO2-Einsparungen punkten. Die auf Basis der Messungen errechneten CO2-Emissionen lagen im Vergleich zu Erdgas-Brennwertheizungen um insgesamt 19 bis 57 % niedriger. Dabei sparen Luftwärmepumpen mit Werten von 19 bis 47 % etwas weniger CO2 ein als Erdwärmepumpen mit 39 bis 57 %. Durch den weiteren Zubau von Windkraft und Photovoltaik würden sich die CO2-Kennwerte für den Strom weiter verbessern und damit die CO2-Emissionen weiter sinken, so das ISE. Infolgedessen seien selbst bei einem pessimistischen Ökostromausbauszenario mittelfristig Einsparungen von mehr als 50 % zu erwarten, wenn Wärmepumpen mit erneuerbarem Strom betrieben würden.

Graue und grüne Brennstoffzellenheizungen

Ein starkes Argument gegen den Einsatz von Wasserstoff zur Wärmeversorgung von Gebäuden sind die derzeit noch hohen Kosten für die Anschaffung einer Heizung auf Basis einer Brennstoffzelle. So kostet der erdgasbasierte Vitovalor PT2 (Nachfolgemodell des 300 P) von Viessmann rund 27.000 €, dazu kommt die Montage.

Andere Systeme wie das Picea-System von Home Power Solutions liegen noch deutlich höher im Preis. Allerdings basiert dieses bereits auf grünem Wasserstoff; es kommt mit einem Elektrolyseur, der mit Solarstrom vom eigenen Dach betrieben wird.

Auch sind die Kosten für die Erzeugung und den Transport von Wasserstoff noch hoch. Eine gasnetzbasierte Wasserstoff-Infrastruktur muss sich in Deutschland erst noch entwickeln. Der Transport findet heute über die Straße mit Gasflaschen statt. Werden herkömmliche Stahlflaschen genutzt, ist die Menge des transportierbaren Wasserstoffs aufgrund des Eigengewichts der Flaschen und des zulässigen Gesamtgewichts limitiert.

Hersteller bringen derzeit noch erdgasbasierte Brennstoffzellenheizungen auf den Markt. So hat Remeha kürzlich sein Brennstoffzellensystem „eLecta 300“ auf den Markt gebracht, das mit einer thermischen Leistung von 4,8 bis 20 kW für den Betrieb in kleineren Objekten geeignet ist, ein Gas-Brennwertkessel als Spitzenlastkessel ist hier inklusive. Das funktioniert auch, weil sich die Anschaffungskosten mit Hilfe staatlicher Zuschüsse am Ende tatsächlich rechnen lassen. „Mit bis zu 11.100 € über die KfW-Bank kommt dieses moderne Mikro-BHKW auf eine Preisgestaltung wie eine Wärmepumpe“, verlautbart Remeha.

Förderung

Gefördert werden brennstoffzellenbasierte Heizungen über das Programm 433 (Energieeffizient Bauen und Sanieren – Zuschuss Brennstoffzelle) der staatlichen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Dieses wirbt mit Zuschüssen von bis zu 28.200 € für den Einbau von Brennstoffzellensystemen in neue oder bestehende Wohn- und Nichtwohngebäuden.

Die Fördersprache des Bundes über die KfW ist ein Beleg dafür, dass die Verwendung von Wasserstoff auch im Wärmesektor politisch gewünscht wird. Über die NWS kommt nun die Technologieförderung und das Thema Versorgungssicherheit hinzu, auch wenn diese derzeit noch nicht näher beschrieben sind.

Dittmar Koop

Dittmar Koop
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· Artikel im Heft ·

Grüner Wasserstoff für den Wärmesektor
Seite 18 bis 20
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