„Alle wollen ein komfortables Bad, die Vorteile müssen dabei unsichtbar bleiben“, sagt Thomas Bade, Geschäftsführer des Universal Design Forum e. V. in Hannover.
Auf einer Skala von 1 bis 10 sei man bei der Umsetzung des universalen Designs in den vergangenen fünf Jahren von 2 auf 4 geklettert, ist Bades Einschätzung. Immerhin ein Fortschritt, mit viel Potenzial und zugleich guten wirtschaftlichen Chancen insbesondere in der Wohnungswirtschaft, meint Bade. „Das ist ein Riesenmarkt, wo Geld zu verdienen ist.“ Die Sanitärwirtschaft sei Vorreiter in Deutschland, weil sie u. a. den Demografiefaktor schon früh auf dem Plan hatte.
Bade zufolge ist vieles bereits heute technisch möglich wie z. B. der Vitalparameter im Spiegel, der dem Nutzer bei der täglichen Morgentoilette Signale über seinen Gesundheitszustand gibt.
Als Vorzeigekandidat nennt Bade u. a. den Hersteller Hewi mit einem eigenen Architektenteam, die ein Badprogramm für jung, alt und für körperlich Benachteiligte anbieten und als einer der Preisträger des Universal Design Awards 2020 ausgezeichnet wurden. Mit der „Serie 801“ brachte Hewi die erste barrierefreie Serie auf den deutschen Markt und erlangte nach eigener Aussage die Markführerschaft im Segment „Barrierefreie Sanitärausstattung“. Dabei hätten Nutzer und Pflegepersonal bei der Entwicklung gleichermaßen als „Helfer“ im Fokus gestanden. Die Raffinesse eines nachhaltigen Designkonzepts zeigt sich oft in vielen kleinen Planungsdetails. Mit dem neuen „System 900“ konnte Hewi sowohl Endverbraucher als auch Experten überzeugen und wurde in diesem Jahr gleich doppelt ausgezeichnet – mit dem Universal Design Award „consumer favorite“ und dem Universal Design Award „expert favorite“. Das System verbinde Funktionalität sowie ausgezeichnete Gestaltung mit langlebiger, nachhaltiger Qualität, heißt es dazu beim Anbieter. Man setze bei der Produktentwicklung auf die individuellen Bedürfnisse des Menschen, authentische Materialien und ein zeitloses, reduziertes Produktdesign.
Das gefällt auch Designprofessor Fritz Frenkler von der TU München, der schon lange für das Design für alle, mehr Qualität und dabei weniger Produktvielfalt plädiert. Wer doch etwas ganz Ausgefallenes will, könne immer noch sein Geld in eine Sonderanfertigung investieren, etwa in eine maßgeschneiderte Schrankwand vom Schreiner oder das marketinggetriebene Luxusbad mit blau leuchtenden Wasserhähnen. Letzteres findet Frenkler völlig überflüssig und als Designbegeisterter „eine Zumutung“.Vielmehr müsse jetzt und in Zukunft die Devise „Weniger ist mehr“ Einzug halten. Die Industrie habe es ein Stück weit verschlafen, schlichte, einfache und dabei über Generationen unterschiedlicher Nutzer bewährte Konzepte umzusetzen. Warum nicht wie früher beim Bauhausstil kleine Bäder mit einer Schiebetür versehen, sagt Frenkler. So werde der Platz besser genutzt und das Handling ist praktisch. „Gibt es keinen Kontakt zum Benutzer, floppt häufig die Bedienbarkeit und damit das ganze Produkt“, erklärt Frenkler aus eigener Erfahrung. Wir müssen daher als Designer die Unternehmen bei der Produktentwicklung mehr an die Hand nehmen, so Frenklers Zwischenfazit.
„Wenn es um Hygienefragen im Bad geht, einfach mal die Putzfrau fragen“, sagt der Designberater. Er habe für Unternehmen wie Apple gearbeitet, leitete die wiege Wilkhahn Entwicklungsgesellschaft und war Designchef der Deutschen Bahn AG. Die Leute werden in Zukunft immer mehr in Produkte investieren wollen, bei denen sie sagen: „Das ist etwas von Wert, das hat Bestand, davon profitieren auch noch unsere Kinder.“ Seine berufliche Idealvorstellung wäre heute, ein überflüssiges neues Produkt zu verhindern und dafür bezahlt zu werden. Dies umso mehr, da laut Frenkel bis zu 50 % neu entwickelter Produkte nicht am Markt bestehen.
Thomas Bade gestaltet nicht, er ist „ein Mittler zwischen Herstellern, Designern und Kunden“, wie er sagt. Die Idee eines Designs für alle stammt auch nicht von ihm. Den Begriff hat der US-amerikanische Architekt Ronald L. Mace geprägt. Er formulierte den Ansatz einer für möglichst viele Menschen zugänglichen und nutzbaren Umwelt schon Mitte der 80er Jahre. Doch jetzt gewinnt Universal Design zunehmend an Bedeutung. Der Stellenwert guten Designs sei mittlerweile deutlich größer als die Außendarstellung, meint Bade.
Aus zwei Gründen nimmt nach Meinung Bades universelles Design Geschwindigkeit am Markt auf. Einerseits, weil der demografische Wandel die Entwicklung benutzerfreundlicher Geräte anheizt. Zum anderen, weil die Materialressourcen immer knapper werden. Und auch, wenn richtig gedacht, weil hier zugleich noch gutes Geld zu verdienen sei.
Altengerecht, aber nicht altbacken ist ein Prinzip für das Universal Design der Zukunft, sagen die Produktdesigner bei der burgbad AG. Das Unternehmen, zertifiziert als „Klimaneutraler Möbelhersteller“, konnte ebenfalls einen Universal Design-Preis erringen, und zwar im April für seine Spiegelschränke (RL30) mit LED-Beleuchtung.
Auch der Hersteller Kermi gilt als Spezialist für barrierefreie Duschbereiche. An einem konkreten Objekt, einem kleinen Einfamilienhaus aus den 50er Jahren, wurde die generationenübergreifende Umgestaltung eines schmalen Badezimmers im Bestand demonstriert. Die Bewohner des Hauses, ein rüstiges Seniorenehepaar, wünschten sich mehr Komfort, denn durch die Badewanne mit hohem Einstieg war die tägliche Körperpflege erschwert. Beide beschäftigte auch die Frage, was passiert, wenn einer von beiden auf die Pflege zuhause angewiesen ist. Die Kermi-Architekten schafften mit einer Teilrenovierung eines schmalen Bades in wenigen Schritten ein Wohlfühlbad für alle Lebenslagen.
Gleich zu Beginn wurde ein bodeneben begehbarer Duschplatz anstelle der vorhandenen Badewanne installiert. Mit Hilfe der darauf platzierten LIGA Pendel-Falt U-Form entstand laut Kermi eine geräumige Duschlösung, die sich z. B. auch für die Pflege zuhause eignet. „Sie ist flexibel genug, um selbst im Falle der häuslichen Pflege – zusammen mit einer Pflegekraft – als Spritzschutz benutzt werden zu können.“ Auch die Flexibilität des Systems konnte die Designer-Jury nachhaltig beeindrucken. Denn bei Nichtgebrauch lässt sich die Dusche auf weniger als 40 cm platzsparend an die Wand falten. Dadurch ist das schmale Bad sowohl mit Rollstuhl als auch Rollator befahrbar. „Eine clevere Lösung“, so die Experten Jury als auch die Consumer Jury, für die es den Universal Design Award 2020 gab.
Die nächste Juryausstellung findet vom 06.03.–14.03.2021 in München im Rahmen der Munich Creative Business Week (MCBW) statt. „Wir werden alles komplett aufbauen, die Produkte müssen sprichwörtlich begriffen werden“, so Thomas Bade. Sollte Corona dazwischenfunken, sei eine virtuelle Übertragung immer noch möglich. Die Mitglieder der expert JURY setzen sich aus den unterschiedlichen Gestaltungsdisziplinen wie Product Design, Information Design, Service Design, Architektur, Innarchitektur und aus Fachjournalisten zusammen.
Den Vorsitz der Jury hat Prof. Wolfgang Sattler von der Bauhaus Universität Weimar. Mit der consumer JURY (ca. 100 Personen zwischen 14 bis 85 Jahren) und dem dazugehörigen Universal Design Consumer Award haben alle Teilnehmer des Wettbewerbs nach den Worten Bades zudem die Möglichkeit, eine Beurteilung und ein direktes Feedback zur Einreichung durch Verbraucher*innen zu erhalten. Zur Teilnahme eingeladen sind Unternehmen, Designbüros, Start Ups und Studenten*innen. Die Einreichfrist läuft noch bis 15. Januar 2021.
Fazit
Universelles gestalten bedeutet: zugängliche Produkte von Anfang an, breite Nutzbarkeit für alle, Flexibilität im Gebrauch (beispielsweise für Links- und Rechtshänder), einfache Bedienbarkeit, Berücksichtigung des Zwei-Sinne-Prinzips (Informationen müssen gesehen und gehört oder gesehen und gefühlt werden), anspruchsvolle Ergonomie.
Thomas Bade setzt noch einen drauf. „Auch der Support und der Service müssen stimmen. Sollte nämlich das leicht bedienbare Gerät wider Erwarten Zicken machen, müsse Hilfe ebenso leicht erreichbar sein.
Denkbar sei auch eine Basisausstattung mit modulartig erweiterbaren Serviceteilen unterschiedlichster Produktwelten zum späteren Zeitpunkt. Es dürfe jedoch nichts versprochen werden, was nicht gehalten werden kann, denn das würde den universellen Ansatz untergraben. Und damit die Kunden vergraulen.
Hans-Jörg Werth


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