KI und Videotechnik

Mehr als nur eine sinnvolle Ergänzung

Beispiele für brandmeldetechnisch herausfordernde Umgebungen gibt es viele, etwa in Form hoher Decken oder nach oben offener Bereiche. Der Einsatz von „Künstlicher Intelligenz“ (KI), genauer: von KI-basierter Video-Branderkennung, kann die konventionelle Detektionstechnologie dort sinnvoll ergänzen.

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Moderne Gebäude und Architektur sind heutzutage, hoch, offen, hell und lichtdurchflutet – und stellen damit hohe Anforderungen an den technischen Brandschutz Bild: Siemens AG
Moderne Gebäude und Architektur sind heutzutage, hoch, offen, hell und lichtdurchflutet – und stellen damit hohe Anforderungen an den technischen Brandschutz Bild: Siemens AG

Der Autor: Carsten Meißner, Senior Consultant Safety Life Cycle Portfolio, Siemens Smart Infrastructure, Deutschland

Moderne Gebäude und Architekturen sind heutzutage hoch, offen, hell und lichtdurchflutet. Es sind Orte für Begegnungen mit Atmosphäre. Genau hier gerät baulicher Brandschutz oft an seine Grenzen: etwa bei hohen Glasfronten in der Shopping-Mall oder in einem Atrium in der Hotel-Lobby.

Weniger lichtdurchflutet aber äußerst schwierig mit herkömmlichen Brandmeldern zu überwachen ist auch ein Betrieb in der Recyclingindustrie, in der verschiedene leicht brennbare Stoffe auf Zündquellen treffen, beispielsweise durch falsch entsorgte Batterien.

Bei solchen und weiteren Anwendungsfällen kann moderne videobasierte Branddetektion eingesetzt werden. Oft ist bereits Videotechnik aus Sicherheitsgründen im Einsatz, etwa um eventuelle Einbrüche oder Diebstähle zu erkennen. Zum Beispiel auf Parkplätzen oder auch in hohen Hallen kann eine Videokameraeinrichtung zur visuellen Brandüberwachung entstehenden Rauch erkennen und das Live-Bild zusätzlich an eine Leitstelle übertragen, wo Täuschungsgrößen wie Abgase von Fahrzeugen oder produktionsbedingte Rauchentwicklung erkannt werden.

Funktionsweise KI-basierter Videosysteme

Ein näherer Blick auf die Funktionsweise entsprechender Videosysteme lohnt sich. Hier sind zwei Technologien zu unterscheiden: Bei Video-Sensorik mit visueller Bilderkennung werden die sichtbaren Rauchpartikel oder Flammen bildtechnisch erkannt und über einen Algorithmus ausgewertet. Eine Infrarot-Thermal-Kamera hingegen misst die Oberflächentemperatur des zu überwachenden Bereichs und erkennt dort einen möglichen Temperaturanstieg.

Bei der algorithmenbasierten Auswertung handelt es sich im Kern um Künstliche Intelligenz (KI). Auch wenn eine vollständige Gebäudeplanung auf Basis von KI noch in weiter Ferne liegt, ist die Künstliche Intelligenz aus dem privaten und beruflichen Umfeld nicht mehr wegzudenken. An den ersten Schritten wurde bereits seit den 1950er Jahren geforscht. 1997 gewann ein Schachcomputer, der mit KI trainiert wurde, gegen den damaligen Schach-Weltmeister und sorgte damit für einen ersten Hype. Heute generieren ChatCPT oder Midjourney aus zuvor absorbierten Informationen neue Texte, Bilder und Videos – wie das Bild vom Papst mit der weißen Daunenjacke.

Auch moderne Videoalgorithmen nutzen KI schon länger: Sie können auf Basis selbstlernender Algorithmen Bewegungsmuster analysieren und als Teil der Gebäudesicherung bei versuchtem Eindringen außerhalb der Geschäfts- und Bürozeiten einen Einbruch erkennen. Auch bei der Evakuierung eines Gebäudes inklusive Personenzählung kommen Videoalgorithmen zum Einsatz: Das System erkennt eigenständig, ob alle Personen das Gebäude verlassen haben.

Welche Rolle KI in der Bildanalyse dabei perspektivisch spielen kann, wird im Vergleich zu herkömmlichen, so genannten regelbasierten Systemen deutlich. Diese nutzen vorgegebene Regelsätze, um Muster und Merkmale zu erkennen und nach „Wenn-dann“-Regeln zu klassifizieren.

Bezogen auf den Brandschutz kann dies beispielsweise bedeuten: Wenn ein orangefarbenes Licht eine flackernde, unregelmäßige Bewegung zeigt, würde das System eine Flamme erkennen. Eine gleichmäßig leuchtende Lichtquelle würde hingegen anders bewertet.

KI beruht hingegen nicht auf festen Regeln, sondern einem strengen Trainingsprozess. Das System wird mit einer großen Menge an Bilddaten aus einem breiten Spektrum an Phänomenen und Situationen angereichert. Auf Grundlage dieser Erfahrungswerte erfolgt die Ereignisdetektion dann selbstständig. Aktuelle Videoalgorithmen, auch in der Branddetektion, sind derzeit noch durch die harmonische Verschmelzung von einerseits bewährten, regelbasierten Algorithmen und andererseits modernsten KI-Algorithmen gekennzeichnet.

Eine Videokameraeinrichtung zur visuellen Brandüberwachung kann einerseits entstehenden Rauch direkt am Entstehungsort erkennen und andererseits das Live-Bild zusätzlich zur Verifikation an eine Leitstelle übertragen Bild: Siemens AG

Video-Branderkennung im Spiegel der Normen

Dass Videotechnik trotz dieser unbestreitbaren Vorteile bisher aber nur in Ausnahmefällen zur Branddetektion eingesetzt wird, liegt nicht zuletzt an der aktuellen Normensituation. Die Normen zur Video-Branderkennung sind oft nicht bekannt und die Einsatzmöglichkeiten der Video-Branderkennung werden bei der Planung der Gebäude nicht berücksichtigt.

Die ISO 7240 Brandmeldeanlagen beschreibt die erforderliche Leistungsfähigkeit einer Video-Branderkennung. Auf dieser Basis wird KI-basierte Video-Brandsensorik derzeit weltweit entwickelt. In Deutschland gibt es die VdS-Richtlinien VdS 3847: Videokameraeinrichtungen zur visuellen Brandüberwachung und VdS 3878: IR-Kameraeinrichtungen zur Temperaturüberwachung. Diese dienen Planern und Betreibern entsprechender Anlagen als Grundlage für die Auswahl des passenden Produktes für das jeweilige Einsatzgebiet.

Video-Branderkennung für diverse Anwendungen

Wie eine praxistaugliche Lösung für die sofortige visuelle Überwachung und die Früherkennung direkt an der Brandquelle aussehen kann, zeigt zum Beispiel Siemens mit der Video-Branderkennung Fire Catcher FDV202: Konkret handelt es sich dabei um eine intelligente HDTV-Kamera mit integrierter Analyse-Software für Video-Branderkennung.

Diese Weiterentwicklung aus regelbasierter Analyse, maschinellem Lernen und Deep Learning ermöglicht es, Rauch und Flammen selbst bei Anwendungen in offenen Flächen, hohen Räumen und unter rauen Umgebungsbedingungen zu erkennen.

Der Betriebstemperaturbereich liegt zwischen –40 und +70 °C und ist somit auch für robuste Einsätze im Außenbereich geeignet.

Nicht selten gestaltet es sich jedoch schwierig, Normen für neue Technologien zu entwickeln, da entsprechende Erfahrungswerte naturgemäß noch nicht vorhanden sind. Das gilt auch für Brandschutz mit Video-Sensorik. Hier kommt der sogenannte Nachweis der Wirksamkeit ins Spiel: Es geht darum nachzuweisen, dass im Falle einer Abweichung die gesetzlichen Schutzziele vollumfänglich gewährleistet sind. Die DIN VDE 0833-2: Gefahrenmeldeanlagen für Brand, Einbruch und Überfall verlangt für bestimmte Raumhöhen und Melderarten ein Nachweis der Wirksamkeit der Detektion.

Anwendungen, die nicht durch normenkonforme Planung beziehungsweise Projektierung gelöst werden können, sind schon bei Erstellung des Brandschutzkonzeptes zu berücksichtigen. Ein Nachweis der Wirksamkeit wird oft als realer Brandversuch durchgeführt. Weitere Informationen findet man unter anderem im ZVEI Merkblatt 82031: Nachweis der Wirksamkeit der Detektionsfähigkeit von Brandmeldeanlagen bei objektspezifischen Abweichungen.

Digitalisierung und Cybersicherheit

Auch wenn es noch nicht für alle Fragen ausreichende Antworten gibt, steht eines bereits fest: Video-Branderkennung ergänzt heute schon den Brandschutz und wird sich künftig weiterentwickeln und die Digitalisierung in diesem Bereich vorantreiben. Speziell bezogen auf die Integration von Videotechnik bedeutet das: Die Verifikation durch die Live-Bilder ist jederzeit und von überall aus möglich, entweder über eine Web-Browser-Funktion in einer Leitstelle, ein Videomanagementsystem oder sogar über ein Smartphone. Durch die Einbindung in ein Videomanagementsystem kann der Bediener zudem die volle Funktionalität nutzen, zum Beispiel bei der Bedienung und Analyse der Bilder.

Das heutige Maß an Konnektivität und Automatisierung kennzeichnet intelligente Systeme und Gebäude, ermöglicht aber auch die ständige Gefahr von Cyberangriffen. Gerade im sicherheitsrelevanten Umfeld müssen solche Angriffe zuverlässig verhindert beziehungsweise abgewehrt werden. Deshalb muss, wer über Digitalisierung spricht, auch über Cybersecurity sprechen.

Um die Sicherheit in der vernetzten Welt aufrechtzuerhalten, ist es wichtig, die Cybersicherheit ganzheitlich zu betrachten. Ein übergeordnetes und umfassendes Informationssicherungskonzept schafft die Voraussetzungen für Anlagen- und Netzwerksicherheit sowie für Systemintegrität. ⟵

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