Bis 2030 sollen in Deutschland 215 GW Solarstrom erzeugt werden, um die erklärten Klimaziele der Bundesregierung zu erreichen. Bislang ist ein Drittel erreicht. Allein die Hauptstadt braucht dafür PV-Anlagen mit 4.400 MWp Leistung. Das ist kein utopisches Ziel, denn mit rund 2.045 Sonnenstunden jährlich bietet Berlin sehr gute Voraussetzungen für Photovoltaik. Zudem verfügt die Großstadt über ein riesiges Potenzial an brachliegenden Dächern, vor allem in den Großsiedlungen mit ihren langgestreckten Flachdächern. Es ist höchste Zeit, diese für das Einfangen von Sonnenstrahlen zu nutzen.
Das sagten sich auch die Berliner Stadtwerke. Schon 2015 gingen sie in die Offensive und fanden dabei engagierte Partner in den lokalen Wohnungsgesellschaften, z. B.der stadteigenen berlinovo. Im Stadtbezirk Marzahn-Hellersdorf realisierten sie zusammen auf 85 Wohngebäuden mit 16.000 m² Dachflächen das größte Mieterstromprojekt deutschlandweit. 39 Anlagen zwischen den Gärten der Welt und dem Wuhletal produzieren jährlich rund 1,7 Mio. kWh Solarenergie. 7.000 Module decken den gesamten Strombedarf von etwa 1.000 Zweipersonenhaushalten ab. Pro Jahr lassen sich auf diese Weise fast 1.000 t CO2-Emissionen vermeiden. Ein erster Erfolg, bekräftigt Christopher Kroker, Abteilungsleiter Bestandsmanagement Wohnen. Er begleitet bei der berlinovo die Maßnahme „Mietersonne“ von Anfang an: „Die Gebäude in Kaulsdorf Nord stehen jetzt über 30 Jahre. Sie wurden komplettsaniert und erhielten u. a. eine neue Wärmedämmung, neue Fenster und Heizungen. Im Zuge der Dacherneuerungen machte es für uns Sinn, gleichzeitig PV-Anlagen zu montieren, um die Mieter unserer Gebäude mit eigenproduziertem Strom vom Dach günstig zu versorgen. Die Stadtwerke boten uns dazu ein attraktives Contracting-Modell an. Als Pächter der Dachflächen übernahmen sie dahingehend alle Arbeiten –von der Bestandanalyse über Installation der Module bis hin zur Betriebsführung und Wartung. 25 Jahre brauchen wir uns um nichts zu kümmern. Im Gegensatz dazu wird der erzeugte Strom von den Stadtwerken an die Mieter verkauft.“
Solarpflicht in Berlin
Seit dem 01.01.2023 gilt in Berlin das neue Solargesetz, das auf dem Klimaschutz- und Energiewendegesetz (EWG Bln) basiert. Dieses sieht eine Solarpflicht für alle Dächer mit einer Fläche von über 50 m² vor. Das Gesetz gilt sowohl für Neubauten als auch für bestehende Dächer, die grundständig saniert werden. Die PV-Anlagen müssen mindestens 30 % der Dachfläche bedecken.
Das Programm SolarPLUS des Berliner Senats fördert nicht nur Privatpersonen, sondern auch Unternehmen, die PV-Anlagen installieren, insbesondere auf Dächern von Mehrfamilienhäusern, die verstärkt für PV-Mieterstromprojekte genutzt werden.
Auch Stromspeicher werden bezuschusst, damit Strom vom eigenen Dach, zu einem noch größeren Teil vor Ort genutzt werden kann. Außerdem werden Solaranlagen auf denkmalgeschützten Gebäuden gefördert, sowie Fassaden-Photovoltaikanlagen und die Kombination von Gründächern mit Solaranlagen. Antragsberechtigt sind sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen in Berlin.
Problemlose Konstruktion
Es ist bei weitem nicht das erste grüne Energieprojekt, das die Stadtwerke angehen. Als Tochter der Wasserbetriebe 2014 gegründet, investierte das Unternehmen bisher mehr als 113 Mio. Euro in unterschiedlichste Öko-Vorhaben der Stadt. 40% der Berliner Solarprojekte wurden in den vergangenen Jahren allein von den Berliner Stadtwerken errichtet.
„Es fing 2015 mit einem Objekt in Pankow an“, sagt Alexander Schitkowsky, Technischer Leiter der Stadtwerke. „Jetzt sind wir mit PV-Anlagen berlinweit unterwegs, auf Schuldächern, öffentlichen Gebäuden und Wohngebäuden. In Kaulsdorf Nord verwirklichten wir bislang unser größtes Projekt. Flachdächer in Bestandsgebäuden wie hier eignen sich sehr gut für Solaranlagen. Wir brauchen nicht wie beim Neubau in die Planungsprozesse der TGA einzugreifen, weil die nötigen Leitungen bereits vorhanden sind. Es braucht nur wenige Schritte, um die Module aufs fertige, intakte Dach zu puzzeln.“ Am besten sei es, die PV-Anlagen nach Ost-West auszurichten, berichtet der Stadtwerker weiter. Dann werde der meiste Strom erzeugt, der auch zeitgleich im Gebäude gebraucht und genutzt wird.
Die Solarstromanlagen selbst bestehen aus dem Solarmodul, Wechselrichter, Verkabelungen, Trägerkonstruktion, Stromzähler und Anschlusskästen. Die Dachhaut wird mittels schützender Bautenschutzmatte von der Unterkonstruktion getrennt. Wenn wie hier in Kaulsdorf mehr als nur ein Solarmodul montiert werde, sollte der Neigungswinkel der Aufständerung bei 13° liegen, so Schitkowsky. Der Reihenabstand könne so kleiner gehalten und Verschattung reduziert werden.

„Für das Befestigen der Aufständerung brauchten wir auch nicht in das Dach zu bohren. Das verhindert dort künftig undichte Stellen. Wir konnten die Konstruktion einfach aufs Dach stellen, die Module darauf anbringen und mit Metallschienen verbinden. Die Aufständerung wurde mit Pflastersteinen entsprechend der Nachweise für Standsicherheit beschwert, um Windlasten und -sog entgegenzuwirken. Zu berücksichtigen waren ebenfalls die Mindestabstände zu Brandwänden und Dachkanten (nach §32 Abs. 5 BauOBln mit 1,25 m) und Wartungswege zwischen den Reihen. Da die einzelnen Solarmodule miteinander verkabelt sind, gelangt die Energie gebündelt zum Wechselrichter, der den erzeugten Gleichstrom in Wechselstrom umwandelt. Der wiederum wird dann ins Hausnetz eingespeist. Die AC Leitung (Alternating Current-Wechselstrom) führt außen an der Fassade geräuschlos bis in den Keller hinein. Vom überschüssigen Strom, der ins Stadtwerkenetz eingespeist wird, profitiert der gesamte Stadtbezirk.“
Mieterstrom braucht Überzeugungskraft
Mieterstrom gilt als eine wichtige Stellschraube der urbanen Energiewende. Leider habe sich auch im Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) 2023 die Förderung nicht signifikant verbessert, erklärt Kroker von berlinovo. Das Anheben des Mieterstromzuschlags zum Ausgleich gestiegener Material- und Handwerkskosten oder das Aufheben räumlicher Grenzen für den lokalen Verbrauch zu gleichen Bedingungen in der Nachbarschaft wurden nicht berücksichtigt.

„Etwa 400 Mieter, das sind etwa 25 Prozent unseres Projekts ‚Mietersonne‘ in Kaulsdorf Nord, beziehen bislang grünen Strom vom Hausdach, der für sie rabattiert angeboten wird. Denn Netzentgelte und Stromsteuer entfallen. Doch das sind noch viel zu wenig Bewohner, damit sich das Ganze schließlich rechnet und wir eine weitere Ausbaustufe beginnen können. Viele der Mieter scheuen diese Verträge und setzen auch immer noch auf Billiganbieter mit Risiko. Wir versuchen dem entgegenzuwirken und wollen noch mehr Kaulsdorfer von wirklich grünem Mieterstrom überzeugen, haben dafür eigens ein Kundenbüro eingerichtet. Mit 25 Prozent der erreichten Mieter stehen wir erst am Anfang.“ Darin sieht auch Schitkowsky derzeit ein Problem. Seiner Meinung nach braucht es dringend bessere politische Rahmenbedingungen, um die Akzeptanz für Mieterstrom generell zu erhöhen. Diese entscheiden über den weiteren Erfolg des Projekts und aller anderen PV-Projekte auch.
Die Berliner Stadtwerke haben bisher insgesamt mehr als 300 Solarstromanlagen mit über 25 MW Leistung installiert. Etwa fünf MW stammen aus Mieterstromanlagen, die gemeinsam mit öffentlichen Wohnungsgesellschaften des Landes Berlin, privaten Wohnungsunternehmen, Genossenschaften und Eigentümergemeinschaften realisiert wurden. Sie befinden sich neben Marzahn-Hellersdorf, in Lichtenberg, Mitte, Pankow, Steglitz-Zehlendorf, Tempelhof-Schöneberg und Treptow-Köpenick. Es gibt aber noch viel Platz auf Berlins Dächern, um die günstige Energie der Sonne zu nutzen.
Bärbel Rechenbach

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