TGA Fachplanung

Trinkwassersysteme integral planen und berechnen

Trinkwasserinstallationen müssen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik ausgeführt werden, damit sie das Leben und die Gesundheit der Nutzenden nicht gefährden. Je komplexer die Projekte allerdings werden, etwa für Schulen oder Krankenhäuser, desto spezifischer sind die Normvorgaben und Hygieneanforderungen. Dies stellt auch die Hersteller von TGA-Software vor Herausforderungen, da sie die entsprechenden Kriterien in ihren Anwendungen berücksichtigen müssen. Durch das Zusammenwirken zweier Softwarelösungen ist eine integrale Lösung entstanden, die sowohl die Planungs- als auch die Berechnungsseite abdeckt.

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Softwarelösungen unterstützen bei der Planung und Berechnung von Trinkwasserinstallationen. Bild: Graphisoft
Softwarelösungen unterstützen bei der Planung und Berechnung von Trinkwasserinstallationen. Bild: Graphisoft

Das für die Auslegung von Trinkwasserinstallationen maßgebliche Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Rohrdurchmesser sowie zur Bestimmung der Bauteilgrößen gibt die DIN 1988-300 vor. Die Norm verlangt Fachplanenden einiges ab, da bei der Kalkulation eine Vielzahl von Daten berücksichtigt werden muss. Hinzu kommen weitere Richtlinien wie die DIN EN 1717, die VDI-Richtlinie 6003 oder das DVGW-Arbeitsblatt W 551. Der Einsatz zukunftsorientierter Software bei der Trinkwasserplanung und -berechnung kann Zeit sparen und das Fehlerrisiko minimieren.

Große Unterschiede bei Softwarelösungen

Der Markt für derartige Softwaresysteme ist breit gefächert. So bieten etwa Hersteller von Bauteilen teils kostenfreie Apps und Desktopprogramme an, die jedoch i.d.R. speziell auf ihre Produkte zugeschnitten sind. Daneben gibt es produktunabhängige Planungsanwendungen, die sich aber deutlich voneinander unterscheiden. Dies betrifft den Funktionsumfang, die integrierten Normen, aber auch die anfallenden Kosten – etwa bei Aufsatzlösungen, die die Anschaffung einer Basis-Software erfordern.

Ein weiterer wichtiger Unterschied liegt im Fokus der Anwendungen. Softwarelösungen für die Gewerkeplanung bilden Trinkwasserberechnungen üblicherweise nicht mit der Detailtiefe ab, wie es Programme tun, die auf diesen Bereich spezialisiert sind. Berechnungsanwendungen wiederum stoßen nicht selten bei der Modellierung schnell an ihre Grenzen.

Mit Dendrit und Graphisoft Building Systems (ehemals Data Design System) gehen zwei Softwarehersteller einen anderen Weg. Gemeinsam wurde eine hochfunktionale Schnittstelle zwischen dem TGA-Planungswerkzeug DDScad und Calhydra, einer führenden Anwendung für die Trinkwasserberechnung, entwickelt. Durch den Datenverbund der beiden Softwaresysteme entsteht eine integrale Lösung für die Projektierung von Trinkwassersystemen.

Planen und berechnen mit DDScad

Das modular aufgebaute Softwaresystem DDScad für die durchgängige, gewerkeübergreifende Elektro- und SHKL-Planung bietet vielfältige integrierte Berechnungen und umfassende Möglichkeiten zur Dokumentation von Gebäudesystemen. Im Sanitärbereich ermöglicht das Planungswerkzeug die komplette Modellierung und Dimensionierung von Kalt- und Warmwassersystemen in 2D und 3D. Hierfür stehen Datenbanken mit neutralen und herstellerspezifischen Objekten zur Verfügung. Ebenso können Herstellerdaten importiert werden.

Darüber hinaus unterstützen den Anwender intelligente Automatismen wie etwa der automatische Leitungsanschluss sowie vielfältige Berechnungs- und Prüffunktionen. So können beispielsweise die Spitzendurchflüsse und Rohrdurchmesser unter Berücksichtigung maximaler Fließgeschwindigkeiten und des Mindestversorgungsdrucks berechnet und ausgegeben werden. Hierbei werden die Vorgaben der DIN 1988-200 und-300, der DVGW-Arbeitsblätter W 551 und 553 sowie der DIN EN 1717 und der VDI-Richtlinie 6023 berücksichtigt. Mithilfe der BIM-fähigen Software lässt sich eine Simulation des Temperaturverlaufs und eine Prüfung auf Kollisionen mit anderen Gewerken durchführen.

Viele praxisübliche Trinkwasserinstallationen können bereits allein mit dem Planungswerkzeug umgesetzt werden. Die Grenzen liegen dort, wo die Anforderungen über das Standardsystem mit zentraler Warmwassererzeugung hinausgehen. Was damit gemeint ist, zeigt ein Blick in ein Musterprojekt:

Musterprojekt: Zweigeschossiges Gebäude mit Mischnutzung

Das Beispielprojekt kombiniert die Räumlichkeiten eines Kleinunternehmens mit Wohnmöglichkeiten. Im Erdgeschoss befinden sich Büro- und Besprechungsräume, eine Teeküche sowie eine Toilettenanlage mit Behinderten-WC. Das Obergeschoss verfügt über 2 Wohneinheiten, jeweils ausgestattet mit einem Bad mit WC und Dusche, einem Gäste-WC sowie einer Küche. Das Kellergeschoss setzt sich aus einem Raum für den Hausmeister, einem Waschraum sowie einem Technik- und einem Archivraum zusammen. Die Trinkwarmwasserversorgung in dem Gebäude erfolgt über einen zentralen Warmwassererzeuger, wobei im Obergeschoss zusätzlich eine Wohnungsstation installiert ist.

Das Mustergebäude mit der Trinkwasserinstallation in 3D Bild: Graphisoft
Das Mustergebäude mit der Trinkwasserinstallation in 3D Bild: Graphisoft

 

Die Bilder 2a und 2b zeigen einen Strömungsteiler sowie die Wohnungsübergabestation im Obergeschoss des Hauses. Diese beiden Komponenten, die vor allem in größeren Bauvorhaben eingesetzt werden, lassen sich mit DDScad zwar planen, jedoch nicht bis ins letzte Detail berechnen.

2 - Der Strömungsteiler (Bild 2a links) und die Wohnungsstation werden – wie der Rest des Systems – in DDScad klassifiziert und an Calhydra übergeben. Bild: Graphisoft

Schnittstelle erweitert Planungsmöglichkeiten

An dieser Stelle kommt die zweite Software der Kombi-Lösung ins Spiel. Fachplanende, die an komplexen Trinkwasserinstallationen mit strengen Hygiene- und Komfortkriterien arbeiten, können die Planungsdaten aus dem Planungswerkzeug über die oben erwähnte Schnittstelle an Calhydra von Dendrit übergeben. Die Spezialsoftware für die Berechnung von Trinkwassersystemen unterstützt – zusätzlich zu den in DDScad integrierten Normen – die Dimensionierung nach DIN 1988-500 und -600, DVGW Arbeitsblatt W 575, VDI-Richtlinie 6003 sowie DIN EN 806. Damit wird das Funktionsspektrum nochmals deutlich erweitert, so dass die Anwendungen gemeinsam nahezu jede Systemvariante abdecken können.

In unserem Musterprojekt sollen der Strömungsteiler und die Wohnungsübergabestation bei der Systemberechnung selbstverständlich nicht unberücksichtigt bleiben. Darum klassifiziert der verantwortliche Fachplaner die Bauteile, um sie für die Datenübergabe an Calhydra vorzubereiten. Hierbei kann er zwischen verschiedenen Typen und Varianten wählen (s. Bild 3).

3 - Welcher Typ von Wohnungsstation (hier in der 2D-Ansicht) übergeben wird, entscheidet der Anwender. Bild: Graphisoft

Detaillierte Systemberechnung mit Calhydra

Mit wenigen Klicks werden die Projektdaten an Calhydra übergeben, um sie dort auf vielfältige Weise weiterzuverarbeiten. Anwender werden hier durch aussagekräftige Analyse- und Simulationsfunktionen, die Visualisierung von Teilstrecken und Fließwegen bis hin zur automatischen Pumpenauslegung und der Simulation des Temperaturverlaufs in der Zirkulation mit thermischen Ventilen unterstützt. Der für das Musterprojekt verantwortliche Fachplaner verwendet für die ersten Schritte hin zur Trinkwasserberechnung die Assistentenfunktion, über die sich die grundlegenden Parameter schnell und einfach erfassen lassen (s. Bild 4).

4 - Für die Definition des Trinkwassersystems in Calhydra steht ein Assistenzdialog zur Verfügung. Hier werden unter anderem die Rohrleitungstypen und die Umgebungstemperaturen abgefragt. Bild: Dendrit

Im Zuge der Berechnung prüft die Software, ob sämtliche Normen und Richtlinien eingehalten werden, und zeigt in einem Meldebereich Problemstellen sowie Möglichkeiten zur Systemoptimierung an. Überprüft werden unter anderem Ausstoßzeiten nach VDI 6003, die Einhaltung der 3-Liter- bzw. 30-Sekunden-Regel sowie – wie ein Ausschnitt aus dem Musterprojekt zeigt – die Sicherstellung eines Verbrühungsschutzes nach DIN EN 806-2 (s. Bild 5).

5 - Wenn Calhydra auf Problemstellen im System hinweist, sollte nachgebessert werden. Besonders praktisch: Die Software vermerkt auch, welche Norm oder Richtlinie der Warnung zugrunde liegen. Bild: Dendrit

Die detaillierten Berechnungsergebnisse mit ausführlichen System- und Objektinformationen bereitet Calhydra graphisch oder tabellarisch auf. Zu den umfassenden Dokumentationsmöglichkeiten gehören zudem ein Hydraulikreport mit Teilstreckentabelle und Fließwegdatenblatt für den ungünstigsten Fließweg (s. Bild 6), Simulationsberichte und Inbetriebnahmeprotokolle.

6 - Der Trinkwasserreport enthält unter anderem Druckverlaufsdiagramme, Zapfprofile und Fließwegdatenblätter. Bild: Dendrit

Ergebnisse in die Planung integrieren

Nach der Berechnung werden die Projektdaten nach DDScad zurückgeführt. Sowohl die berechneten Rohrnennweiten als auch die in Calhydra generierten Meldungen lassen sich importieren. Die ursprünglich geplanten Dimensionen werden gemeinsam mit den von der Berechnungssoftware ermittelten im Eigenschaftenfenster dargestellt und können so schnell und einfach abgeglichen werden.

Um die Abweichungen bei den Rohrnennweiten auf einen Blick zu veranschaulichen, steht ein spezieller Visualisierungsfilter zur Verfügung. Anwender können so das 3D-Rendermodell des Trinkwassersystems Teilstrecke für Teilstrecke durchgehen und anpassen (siehe Beispiel aus dem Musterprojekt, Bild 7).

7 - Nach der Datenübergabe an DDScad unterstützen Labels und ein Visualisierungsfilter beim Abgleich und der Anpassung der Rohrnennweiten. Bild: Graphisoft

Zum Abschluss der Planung lassen sich die Projekte in DDScad mit Ausführungs- und Montagezeichnungen, automatischen Stücklisten sowie Strang- und Anlagenschemata samt allen Dimensionierungen umfassend dokumentieren.

Fazit

Die Anwendungsfälle und Herausforderungen im Bereich der Trinkwasserinstallation sind zahlreich. Um sie softwareseitig optimal abzudecken, liegt es nahe, Kompetenzen zielgerichtet zu bündeln. Durch das Zusammenwirken von Calhydra und DDScad ist eine integrale Lösung entstanden, die professionelle Gewerkeplanung und hochpräzise Berechnungsmöglichkeiten zusammenführt. Damit lässt sich vom Einfamilienhaus bis zum Großprojekt nahezu jedes Trinkwassersystem realisieren.

Marvin Kirner

Marvin Kirner
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Trinkwassersysteme integral planen und berechnen
Seite 32 bis 35
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