Vor bösen Überraschungen gefeit
Wechselt eine Immobilie ihren Nutzer, ist zu klären, ob vorhandener Brandschutz noch ausreicht. Die Tücken liegen meist im Detail. Denn bei Bestandsimmobilien ist der Brandschutz aufgrund verschiedener Verordnungen und Erlasse schwer zu durchschauen. Gerade bei Vermietungen oder Verkäufen zeigt sich das. Vor allem wenn sich dazu noch die Nutzung ändert. Spätestens dann stellt sich die Frage nach notwendigen Maßnahmen und kostengünstigen Lösungen.
Objekt frühzeitg unter die Lupe nehmen
Zweifelsohne ist das Thema „Immobilie und Bestandsschutz“ mit einigen Risiken versehen. „Es herrscht häufig die Ansicht, dass man als Investor aufgrund des einmal genehmigten Bestandschutzes (§ 14, Abs. 1) immer auf der sicheren Seite ist und nichts tun muss“, weiß Matthias Boelsen, Geschäftsführer der Immobilienvermögensbewertung und Management GmbH, Bremen. Das könne sich allerdings als teurer Trugschluss herausstellen, so Boelsen. Der Immobilienberater der Hansestadt rät daher generell zur frühzeitigen Prüfung des Objektes.
TÜV-Software für Brandsimulation
Brandschutz im Bestand ist auch ein heikles Thema. § 14 Abs. 1 GG gewährt passiven Bestandsschutz. Das heißt: Ein Gebäude, das in zulässiger Weise errichtet wurde, darf laut Gesetz nicht aufgrund nachträglicher Veränderungen mit bauordnungsrechtlichen Maßnahmen überzogen werden. Ein Team an Sachverständigen ist tagtäglich beim TÜV Rheinland hinsichtlich Sicherheit im Einsatz.
Dabei geht es im Immobilienbereich insbesondere um die technische Gebäudestruktur und den Brandschutz, aber auch um das Überwachen der Klima- und Lüftungsanlagen. Dafür wird eine eigens entwickelte Software zur Simulation von Bränden angwendet. Das Motto der TÜV-Spezialisten – ein Team aus einigen hundert Mitarbeitenden mit Expertise zur Gebäudesicherheit – lautet, „frühzeitig prüfen erspart unnötige Kosten“.
Brandschutz hat wenig Sexappeal
Das Thema Brandschutz, meint Boelsen, habe wenig Sexappeal und ist außerdem erstmal mit erheblichen Kosten verbunden. Es ist jedoch nicht nur gesetzlich verankert, sondern sorgfältiger Brandschutz kann im Ernstfall die unternehmerische Existenz sichern. Boelsen: „Eine Immobilie ‚lebt‘, da sie im Laufe ihrer Nutzung oft umgebaut und zudem baulich angepasst wird. Ist das vor dem Kauf nicht ausreichend dokumentiert worden, kann es später zu Schwierigkeiten kommen.“
Ob die Sprinkleranlage (ab etwa 4.500 Quadratmetern Hallengröße) nötig oder eine Brandschutzwand, die übers Dach führt, ausreichend ist, hänge zum Beispiel nicht zuletzt von der jeweiligen Landesbauordnung ab. Im Stadtstaat Bremen wird nach Aussage Boelsens beispielsweise das Thema anders behandelt als bei den niedersächsischen Nachbarn.
Für eine Lagerhalle ab 10.000 Quadratmetern ist der Einbau von Sprinklern in der Regel zwingend vorgegeben (versicherungstechnisch und laut nationaler DIN EN 12845). Die Kosten belaufen sich schnell auf etwa 500.000 Euro und mehr, inklusive Wassertanks und Leitungen. Wichtig sei immer das jeweilige Nutzungsverhalten. So kam es in der Praxis schon vor, dass man für eine größere Lagerhalle (Spirituosen) keine Sprinkleranlage brauchte, da diese Ware – so die Begründung – als schwer entzündbar gilt.
Käufer und Mieter haften
Grundsätzlich ist es ratsam, den Brandschutz bei Bestandsimmobilien aktiv zu managen. Mängel beim Brandschutz können unter anderem schnelle Nutzungsänderungen sein, wie der zum Kopierraum umfunktionierte Büroraum, wo dann der Brandbereich nicht mehr eindeutig zuzuordnen ist.
„Im Ernstfall können bei einer Neunutzung je nach Einzelfall Käufer und Mieter in Haftung genommen werden“, so Boelsen. Bei groben Nutzungsänderungen ohne Anpassen der Brandmeldeanlagen an die neuen baulichen Gegebenheiten, ist Vorsicht geboten. Denn dann stimmen die ehemals erteilten Baugenehmigung überein. Laut Angaben des TÜV Süd können dannschnell zusätzliche Kosten von 100 bis 350 Euro pro Quadratmeter entstehen.
Falschen Deal vermeiden
Boelsens weist auch darauf hin, dass Sprinkleranlagen zum Beispiel nach deutschem oder amerikanischemStandard unterschieden werden. Manche angelsächsische Investoren würden letzteren bevorzugen. Aber nicht jeder Versicherer übernimmt den Versicherungsschutz. Es müsse also immer individuell geprüft werden.
Die Gutachten von unabhängigen Prüfinstitutionen wie dem TÜV beleuchten zum Beispiel den Lebenszyklus einer Immobilie. Eine vorgenommene Nutzungsänderung kann dann von Investoren frühzeitig mit eingepreist werden. Das Feststellen eines „falschen Deals“, der weitere Investitionen nach sich zieht, lasse sich auf diese Weise vermeiden.
Angepasste Maßnahmen
Grundsätzlich gilt: Brandschutz muss ganzheitlich betrachtet werden. Liegt keine Nutzungsänderung vor, gilt der bisherige Bestandsschutz der Bestandsimmobilie. Maßgeblich ist, was zum Zeitpunkt der Baugenehmigung der Antragsgegenstand und der damalige „Stand der Technik“ war. Gibt es Veränderungen, wie neue Stapelhöhen, Umnutzungen in der Schnittstelle zwischen Hallenlogistik und der obligatorischen 400 Quadratmeter-Büronutzung, oder auch neue Fahrwege bzw. Feuerwehrzufahrten, muss laut Boelsen der Brandschutz unbedingt angepasst werden. Oder: Nutzung und Bestandschutz müssen aufeinander abgestimmt werden. Manchmal reichten dabei auch kleinteilige, pragmatische Lösungen.
Bestand und Neubau im Vergleich
Man nehme eine stark frequentierte und daher aufgekeilte Brandschutztür. Sie könne einfach durch eine Tür mit Bewegungssensor ersetzt werden. Das gleiche gelte für die Installation von Hallentrennwänden. Im Zweifelsfall könne eine digitale Brandsimulation Klarheit schaffen. Beim Neubau sind die Möglichkeiten vielfältiger und individuell einfacher umzusetzen. Die Lübecker AWB Ingenieure bauten beispielsweise bei zwei Papierlagerhallen in der Hansestadt mit etwa 25.000 Quadratmetern Hallenflächen für die städtische Port Authority Lübeck keine inneren Brandwände ein. Sie konzipierten eine Hochleistungslöschanlage mit Wasserentnahme aus der Trave und eigenständigem, unterirdischem Pumpenbauwerk.
Plausbilität schaffen
Gute Dokumentationen, klare Konzepte und Vollständigkeit sowie Plausibilität schaffen gerade in der Ankaufsprüfung einer Bestandsimmobilie Klarheit und Vertrauen. Sie vermeiden spätere unliebsame Preisgespräche oder Vertragsabbrüche. Im Sinne der Rechtssicherheit empfiehlt sich, neben Baugenehmigungsunterlagen, Prüfprotokolle und Dokumentationen anzufertigen, die Wartungsintervalle zu kennen (und einzuhalten) und vor allem alle Daten gesammelt zu dokumentieren.
Autor: Hans-Jörg Werth, Freier Journalist, Scheessel
Redaktion (allg.)

Anhang | Größe |
---|---|
Beitrag als PDF herunterladen | 410.94 KB |
· Artikel im Heft ·