Corona-Pandemie

Trinkwassergüte in Fußballstadien

Der Ausfall von Sport-Events in der Corona-Krise stellt Stadionbetreiber beim Erhalt der Wassergüte vor noch nie dagewesene Herausforderungen. Denn zu keiner Zeit ist die Hygienegefahr so groß wie während des Stillstands.

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In deutschen Fußballstadien können bis auf weiteres keine Spiele mit Besucherpublikum stattfinden. Bild: Schell
In deutschen Fußballstadien können bis auf weiteres keine Spiele mit Besucherpublikum stattfinden. Bild: Schell

Der 4-Wochen-Zeitraum ist lange überschritten, in dem nach DVGW-Arbeitsblatt 557 ein vollständiger Wasseraustausch an allen Entnahmestellen durch Spülung mit hohem Wasservolumen ausreichend ist. Vielerorts steht somit eine systemisch orientierende Untersuchung nach TrinkwV an. Fatal sind jedoch die Aussichten: Dauert die Pandemie mehr als sechs Monate und es werden keine Maßnahmen ergriffen, so ist keine reguläre Wiederaufnahme des Stadionbetriebs ohne Spülmaßnahmen nach DIN EN 806-4 möglich. Für TGA-Planer und SHK-Fachhandwerker blicken wir einmal über den Tellerrand hinaus – auch deshalb, weil in Statistiken keinerlei Informationen zur Nutzung der Infrastruktur in den Stadien zu finden sind.

Geht man davon aus, dass z. B. während einer Europameisterschaft 10 % aller Stadienbesucher die Sanitärräume aufsuchen, dann werden über den Zeitraum von etwa vier Wochen hinweg 1,2 Mio. l Wasser genutzt – in allen EM-Fußballstadien. Diese Zahl entspricht dem Tagesverbrauch einer Kleinstadt mit rund 9.800 Einwohnern. Hinzu addieren sich zwar noch die Verbräuche in anderen Bereichen der Stadien, die sind aber bei dieser Betrachtung kaum mengenrelevant. Da man bei der Planung von einer hohen und zeitgleichen Frequentierung der Sanitärbereiche ausgehen muss, sind die Leitungen entsprechend groß dimensioniert. Andererseits werden Stadien im normalen Spielbetrieb nur an einem von 14 Tagen vollständig genutzt und während der Sommerpause lediglich sporadisch. Dies wirft Fragen nach dem Erhalt der Wassergüte auf. Nachfolgend werden ausschließlich Anforderungen an die Trinkwasserversorgung in Räumen betrachtet, wie sie von der Europäischen Fußballunion (UEFA) im UEFA-Stadioninfrastruktur-Reglement, aktuelle Ausgabe 2018, definiert wurden.

Festlegung der Stadionkategorien

Die aktuelle Festlegung der Stadionkategorien erfolgt im „Reglement der UEFA Champions League“, Saison 2018/2019. Dort heißt es: „Sofern dieses Reglement nichts anderes bestimmt, müssen alle Spiele des Wettbewerbs in Stadien ausgetragen werden, die die infrastrukturellen Kriterien der folgenden im UEFA-Stadioninfrastruktur-Reglement definierten Kategorien erfüllen“: Kategorie 2 für die Vorrunde sowie die erste und zweite Qualifikationsrunde Kategorie 3 für die dritte Qualifikationsrunde Kategorie 4 ab den Playoffs bis und mit Halbfinale.

Das Endspiel muss in einem Stadion ausgetragen werden, das den in der Ausrichtervereinbarung festgelegten infrastrukturellen Anforderungen entspricht.

Sanitärräume für Besucher

In Stadien gibt es eine Vielzahl von sanitären Einrichtungen, an denen Trinkwasser für den menschlichen Gebrauch bereitgestellt wird. Deren Anzahl richtet sich nach dem Fassungsvermögen der Stadien und diese Größe wiederum richtet sich u. a. auch nach der Art der Nutzung bei UEFA-Wettbewerben, wie die obenstehenden Tabellen zeigen.

Rechnet man anhand dieser Vorgaben die Mindestanzahl von sanitären Einrichtungen eines Stadions mit 80.000 Zuschauern aus, ist bei einem Verhältnis von 20 % Frauen und 80 % Männern von 16.000 Frauen und 64.000 Männern auszugehen.

Dies ergibt mindestens 128 Sitztoiletten für Frauen und mindestens 256 Sitztoiletten für Männer sowie mindestens 512 Urinale.

Weitere Sanitäranlagen werden für Mannschaften, Schiedsrichter, Dopingkontrollräume und Erste-Hilfe-Räume benötigt. Keine sanitärtechnischen Anforderungen gibt es für die gemäß UEFA ebenfalls notwendigen VIP- oder die freiwilligen Cateringbereiche.

Sanitärräume für Mannschaftskabinen

Stadien müssen über mindestens eine Umkleidekabine für jede Mannschaft verfügen, in der mindestens fünf Duschen, zwei getrennte Sitztoiletten, Sitzgelegenheiten für mindestens 25 Personen, ein Massagetisch, eine Taktiktafel und Kleideraufhängevorrichtungen oder Schließfächer vorhanden sind.

Sanitärräume für Schiedsrichterkabinen

Stadien müssen über eine Umkleidekabine für die Schiedsrichter verfügen, die mindestens den Anforderungen der Tabelle 4 (siehe oben) entspricht.

Stadien müssen über einen eigenen, direkten und sicheren Zugang von den Umkleidekabinen zum Spielfeld für beide Mannschaften und die Schiedsrichter verfügen.

Büro des Delegierten

Die Stadien müssen über ein ausschließlich dem UEFA-Delegierten und dem Schiedsrichterbeobachter (falls vorhanden) vorbehaltenes Büro verfügen, das von den Mannschafts- und Schiedsrichter-Umkleidekabinen aus leicht zu erreichen ist. Hier sind weitere Sanitäreinrichtungen vorzusehen.

Notfallraum für Spieler und Offizielle

Stadien müssen über einen Notfallraum gemäß dem Medizinischen Reglement der UEFA verfügen. Hier sind weitere Sanitäreinrichtungen vorzusehen.

Dopingkontrollstation

Stadien müssen über eine Dopingkontrollstation gemäß dem UEFA Dopingreglement verfügen. Hier sind weitere Sanitäreinrichtungen vorzusehen.

Keine spezifischen Anforderungen an die Trinkwasserhygiene durch die UEFA

Während Hotelketten wie z. B. die Accor-Gruppe seit vielen Jahren über umfangreiche interne und weltweit geltende Anforderungen z. B. an die Legionellenprophylaxe verfügen, findet sich noch immer nichts zum Erhalt der Wassergüte in Stadien im zitierten Regelwerk der UEFA. Man könnte das dahingehend begründen, dass es in Stadien nur wenige Bereiche gibt, in denen Wasser vernebelt wird – aber gerade dort hält sich das ganze Kapital der Fußballvereine auf: die Spieler. Wenn diese durch eine unzureichende Wasserbeschaffenheit beispielsweise beim Duschen erkranken, entsteht unter Umständen ein Schaden in Millionenhöhe, weil die nächste Runde eines europäischen Wettbewerbs verpasst wird. Und gerade Spitzensportler gehören zur Risikogruppe der Legionellosen (atypische Lungenentzündung) bzw. dem Pontiacfieber (grippeähnliche Symptome). Trotz der hohen Bedeutung von gesunden Spielern für die Clubs konnte Herr Prof. Dr. med. Kistemann vom Institut für Hygiene und öffentliche Gesundheit, Bonn, weltweit keine Studie finden, die systematisch diese Sachverhalte untersucht und Empfehlungen für die Vereine zum Schutz ihrer Spieler enthält (vergl. „Grauer Kasten“). Es ist also Aufgabe der Planer und Fachhandwerker, in diesem Punkt beratend und auf der Basis der nationalen und europäischen Regelwerke tätig zu werden.

Zulässige Stagnationszeiten und notwendige Maßnahmen

Das deutsche Umweltbundesamt (UBA) empfiehlt in seiner Broschüre „Trink Was – Trinkwasser aus dem Hahn“ (2007): „Trinkwasser, das länger als vier Stunden in der Trinkwasser-Installation „stagniert“ – also gestanden hat, sollte grundsätzlich nicht zur Zubereitung von Speisen und Getränken genutzt werden. Auf jeden Fall ist solches Stagnationswasser zur Verwendung bei der Ernährung von Säuglingen ungeeignet.“ Aus allgemein hygienischer Sicht werden in europäischen bzw. nationalen Regelwerken Stagnationszeiten zwischen 3 und 7 Tagen als noch vertretbar angesehen (Tab. 5, S. 16). Europaweit gilt gemäß EN 806-5 ein Zeitraum von 7 Tagen ohne Wasserentnahme als eine Betriebsunterbrechung. Die VDI 6023 geht sogar davon aus, dass alle 72 Stunden ein vollständiger Wasserwechsel erfolgen muss. Der Zeitraum kann auf bis zu maximal 7 Tage ausgedehnt werden, wenn einwandfreie hygienische Verhältnisse nachgewiesen wurden.

Einfluss der Betriebsbedingungen auf die Wassergüte

Es ist hinreichend bekannt, dass selten genutzte Abschnitte einer Trinkwasser-Installation (z. B. Besuchertoiletten, Schiedsrichterkabinen) einen negativen Einfluss auf die Trinkwassergüte in häufig genutzten Bereichen einer Installation haben können (z. B. in Mannschaftsbereichen), weil am Abzweig immer ein Teil des Stagnationswassers in das vorbeifließende saubere Trinkwasser gelangt. Daher gibt es die Forderungen nach einem regelmäßigen und vollständigen Wasserwechsel in der gesamten Installation und die Vorgabe im deutschen Regelwerk für Trinkwasser-Installationen DIN 1988-100 (7. Stagnation), „dass stillgelegte und nicht mehr benötigte Leitungsabschnitte von der übrigen Installation direkt am Abzweig zu trennen sind“.

Planerische Maßnahmen zum Erhalt der Wassergüte

Im Wesentlichen fördern zwei Maßnahmen den regelmäßigen und vollständigen Wasserwechsel im normalen Betrieb und bei Stagnationsspülungen: (1) ein möglichst geringes Wasservolumen in der Installation und (2) möglichst kurze Leitungswege zu Nutzungseinheiten und Entnahmestellen.

  1. Ein möglichst geringes Wasservolumen erreicht man durch eine schlanke Installation – dazu ist in den letzten Jahren viel vor dem Hintergrund von Ring- und Reihenleitungen und geringen Zeta-Werten geschrieben worden. Ein weiterer Lösungsansatz ist die Verringerung der Gleichzeitigkeiten, also einer Verringerung der Anzahl gleichzeitig genutzter Entnahmestellen, um mit geringeren Leitungsquerschnitten bzw. einem optimierten Wasseraustausch arbeiten zu können. Hierzu können elektronisch gesteuerte Urinalspülarmaturen beitragen, die über einen „Stadionmodus“ verfügen: Sie erkennen z. B. den hohen Andrang in der Pause und spülen dann zum Beispiel nur einmal je Minute statt bei jedem Nutzer. Dies verringert bei gleicher Anzahl an Urinalen die so genannten „Gleichzeitigkeiten“. Nach automatischer Rückkehr in den „Normalmodus“ spülen diese Urinalsteuerungen wieder nach jeder Benutzung.
  2. Möglichst kurze Leitungswege erreicht man durch verschiedene Maßnahmen. Zunächst einmal ist es wünschenswert, dass der Wasserversorger z. B. eine Omega-förmige-Versorgungsleitung (Ω) möglichst nah um das Stadion herumlegt, deren Trinkwasser regelmäßig durch Nutzer in der Umgebung ausgetauscht wird (z. B. durch ein Wohn- oder Industriegebiet). Von dieser Versorgungsleitung sollten zudem möglichst kurze Stichleitungen zu den Nutzungseinheiten des Stadions führen. Durch diese grundlegende Maßnahme steht auch bei einem geringen Wasserwechsel schnell Trinkwasser in der hohen Güte des Versorgers zur Verfügung. Kurze Anbindeleitungen sind jedoch keine „Es-wäre-schön-Regelung“. Sie werden u. a. im deutschen Regelwerk für Trinkwasser-Installationen DIN 1988-200 (8.1 Trinkwasserentnahmestellen) gefordert: Auch im Kaltwasserbereich sollen Einzelzuleitungen zu Entnahmestellen so kurz wie möglich sein und 3 l nicht überschreiten – gleiches gilt bereits seit Jahren für Warmwasserleitungen. Ring- und Reihenleitungen sind daher ein probates Mittel für kurze Einzelzuleitungen zu Entnahmestellen. Befindet sich nämlich am Ende einer Reihenleitung ein Hauptverbraucher bzw. ein Spülsystem, genügt an den vorgelagerten Entnahmestellen eine geringe Wassermenge für hygienisch einwandfreie Verhältnisse.

Apparative Maßnahmen zum Erhalt der Wassergüte

Wie bereits dargestellt, können Stadien aufgrund der vorhersehbaren langen Nutzungsunterbrechungen ohne einen regelmäßigen Wasserwechsel nicht sicher hygienisch betrieben werden. Dieser Wasserwechsel kann durch Personal manuell erfolgen oder durch automatische und individuelle einstellbare Spüleinrichtungen an Sanitärarmaturen, Duschen, Urinalen und WCs. Eine zielgerichtete Überwachung und Dokumentation kann bei elektronischen Armaturen durch ein Wassermanagementsystem erfolgen, das sich idealerweise in übergeordnete Netzwerke der Gebäudeleittechnik einbinden lässt. Das Wassermanagementsystem sorgt für den hygienisch einwandfreien und bestimmungsgemäßen Betrieb von Trinkwasserinstallationen. Am Ende ist es allein eine Entscheidung des Betreibers, für welches dieser beiden „Spülsysteme“ bzw. drei Betriebsoptionen er sich entscheidet und welche Zuverlässigkeit er erwartet. Sicherlich wird er dabei auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten abwägen, wo manuell gespült werden kann und wo besser nicht: Überall dort, wo die eigene Mannschaft durch Wassernebel besonders gefährdet ist wie beim Duschen, sind elektronische Lösungen sicherlich zu bevorzugen – bei den noch seltener genutzten Mannschaftsduschen der gegnerischen Partei und den Duschen der Schiedsrichter am besten auch.

Manuelle oder elektronische Druckspüler statt Spülkästen bei WCs leisten einen weiteren bislang vernachlässigten Beitrag für den Erhalt der Wassergüte. Obwohl sie beim Spülvorgang nicht mehr Wasser benötigen als Spülkästen und ebenfalls in der höchsten Geräuschklasse I verfügbar sind, haben sie zwei große Vorteile: Im Gegensatz zu Spülkästen erzeugen sie deutlich höhere Fließgeschwindigkeiten in den Leitungen und mobilisieren dort zusätzlich eventuell vorhandene Ablagerungen. Gleichzeitig profitieren die Nutzer:

Bei einem hohen Andrang verkürzen sich die Wartezeiten, da ohne „Füllzeiten“ immer ausreichend Spülwasser für das WC und dessen Reinigung mittels Bürste zur Verfügung steht – dies ist auch ein Beitrag zur „äußeren, d. h. sichtbaren Hygiene“ in Sanitärräumen, die z. B. von der Deutschen Fußballliga DFL gefordert werden.

Eine weitere wirkungsvolle Hygieneunterstützung können elektronische Waschtischarmaturen leisten: Ihre Laufzeiten lassen sich an die individuellen Bedürfnisse der Trinkwasserhygiene anpassen. So können zwei separate Laufzeiten eingestellt werden: während der Nutzung und für die automatisierte Stagnationsspülung. Aus hygienischer Sicht ist allerdings dringend davon abzuraten, sie im Sekundenbereich zu takten! Denn dann ist der bestimmungsgemäße Betrieb im Vergleich zu einem Einhebelmischer unter Umständen nicht mehr gegeben.

Kosten einer hygienisch geplanten Installation

Kleine Rohrabmessungen sind günstiger als größere – insofern senken schlanke Installationen die Investitionen. Die Betriebskosten für einen hygienischen Betrieb sinken ebenfalls, da während längerer Stagnationsphasen ein geringeres Wasservolumen ausgetauscht werden muss.

Elektronische Armaturen und Duschen für einen automatischen und bedarfsgerechten Wasserwechsel bei Nutzungsunterbrechungen gibt es jedoch nicht zum Preis günstiger Einhebelmischer. Hier ist immer mit einem höheren Anfangsinvest zu rechnen, der sich erst im Betrieb bezahlt macht. Denn während Einhebelmischer immer händisch mittels Personal gespült werden müssen, erledigt dies die elektronische Armatur vollautomatisch und spült nicht mehr und nicht weniger, als hygienisch notwendig ist. Auf der sicheren Seite sind Betreiber, wenn die Einbindung elektronischer Armaturen in ein individuell programmier- und kontrollierbares Wassermanagementsystem erfolgt. Diese Lösung vernetzt die Sanitärarmaturen innerhalb eines Stadions miteinander und ermöglicht über eine Software die Überwachung am PC. Das wiederum führt im Ergebnis zu einer Sicherstellung der Trinkwasserhygiene, zu einer einfacheren Wartung und Steigerung der Wirtschaftlichkeit in den Sanitärbereichen. Ein Wassermanagementsystem kann sich demzufolge in einem Stadion innerhalb weniger Jahre amortisieren.

Fazit

Stadien sind hochkomplex – und das betrifft auch die hygienisch einwandfreie Wasserversorgung. Die Herausforderungen liegen zum einen in den hohen Gleichzeitigkeiten bei der Wassernutzung während der Großveranstaltungen und zum anderen langen Nutzungsunterbrechungen während der Nutzungspausen. Ein extremes Beispiel dafür ist das „Stade de France“ in Paris. Es wird von keinem Club, sondern nur bei Spielen der Nationalmannschaft und bei Großveranstaltungen genutzt. Daher besteht dort unter Umständen ein erhöhtes hygienisches Risiko in den Sanitärräumen der Mannschafts- und Schiedsrichterkabinen sowie in VIP-und Cateringbereichen. Hiervon sind insbesondere die Spieler und Sponsoren betroffen, während die Besucher „nur“ die Toilettenräume aufsuchen. Nur mittels manueller oder automatisierten Stagnationsspülungen über alle Entnahmestellen eines Stadions können hygienische Risiken minimiert werden, die ansonsten nicht nur die Zuschauer, sondern vor allem das Kapital der Vereine empfindlich beeinträchtigen könnten: die Spieler. Dass solche Spülungen bereits nach 3 Tagen Stagnation gemäß Trinkwasserverordnung notwendig sind, ist bei Betreibern noch viel zu wenig bekannt. Wirtschaftlich realisiert werden können diese Spülungen in Stadien eigentlich nur durch elektronische Spülsysteme.

 

 

 

Prof. Dr. med. Kistemann, Direktor des Kollaborationszentrums der Weltgesundheitsorganisation (WHO CC for Health Promoting Water Management and Risk Communication) und stellvertretender Direktor des Instituts für Hygiene und Öffentliche Gesundheit:

„Die Einhaltung der Trinkwasserhygiene in Sportarenen ist eine sporthygienische Herausforderung. Zwar spielen die Erreger „klassischer“ durch Trinkwasser übertragener Seuchen wie Cholera, Typhus und Ruhr aufgrund der hohen Standards unserer Trinkwasserversorgung und -überwachung in Europa heute praktisch keine Rolle mehr. Dies gilt jedoch nicht für potenzielle Krankheitserreger, die in der Lage sind, inTrinkwasserinstallationen nicht nur lange zu überleben, sondern sich unter günstigen Bedingungen dort sogar zu vermehren. Hierzu zählen insbesondere Legionellen und Pseudomonaden. Um das Risiko für Infektionen durch diese Bakterien zu minimieren, müssen die ökologischen Bedingungen im Installationssystem für sie möglichst ungünstig gehalten werden. Die wichtigen Faktoren sind dabei Zeit, Wärme und Nährstoffe. Durch Vermeidung von Stagnation (Faktor Zeit), Temperaturen deutlich unter oder über der menschlichen Körpertemperatur (Faktor Wärme) sowie die Verwendung hochwertiger Installationsmaterialien bei guter Durchströmung (Faktor Nährstoffe) kann dem Wachstum dieser Bakterien effektiv entgegengewirkt werden.

Hinsichtlich der Anforderungen an die Temperaturhaltung und Werkstoffe unterscheiden sich Sportarenen nicht prinzipiell von anderen großen öffentlichen Gebäuden. Zum Erhalt der Trinkwassergüte müssen insofern die allgemein anerkannten Regeln der Technik konsequent zur Anwendung kommen. Da aber große Sportarenen bestimmungsgemäß nicht im Dauerbetrieb genutzt werden, bestehen hinsichtlich des Faktors Stagnation besondere Herausforderungen zum Erhalt der Trinkwassergüte, denen man mit geeigneten planerischen und technischen Maßnahmen begegnen muss.

Dies ist insbesondere wichtig vor dem Hintergrund, dass Hochleistungssportler häufig eine gegenüber der Normalbevölkerung herabgesetzte Immunkompetenz haben, also infektanfälliger sind. Im Wettkampf erleiden sie zudem häufiger als die Normalbevölkerung kleinere und auch größere offene Verletzungen, die als Eintrittspforten für Infektionen fungieren können. Und gerade diese Sportler nutzen in Sportarenen sehr regelmäßig und häufig Einrichtungen, die für die Übertragung von Legionella- und Pseudomonas-Infektionen kritisch sind: Duschen, Whirlpools, Entmüdungsbecken.

Die Prävention wasserbedingter Infektionen in großen Sportarenen ist ein sehr typisches Beispiel für die Herausforderungen der Sporthygiene, die vom multiplikativen Zusammenwirken verschiedener Risikofaktoren geprägt sind: In diesem Fall treffen eine spezielle ökologische Bedingung (Stagnation), hohe Kontakt- und Nutzungsintensität (sanitäre Einrichtungen in den Mannschaftsbereichen) und eine potenziell herabgesetzte Immunkompetenz aufeinander. Eine wichtige Aufgabe moderner und professioneller sporthygienischer Beratung besteht darin, die Verantwortlichen für diese bedeutsamen Zusammenhänge zu sensibilisieren.“

Dr. Peter Arens

Dr. Peter Arens
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· Artikel im Heft ·

Trinkwassergüte in Fußballstadien
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